Würzburg (POW) Professor Dr. Klaus Laubenthal, Ansprechpartner in der Diözese Würzburg für Opfer sexuellen Missbrauchs und von Gewalt, hat eine erste Zwischenbilanz seiner Tätigkeit vorgelegt. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, 29. April, in Würzburg sprach er von 54 „relevanten Kontakten“ mit Menschen, die sich in den zurückliegenden 40 Tagen an ihn gewandt hätten. In insgesamt fünf Fällen ermittle die Staatsanwaltschaft, betonte der Beauftragte. Über 82 Prozent der Mitteilungen kamen nach Angaben Laubenthals direkt von Opfern oder deren Rechtsanwalt.
Namentlich nannte Laubenthal Anschuldigungen von drei Personen gegen Weihbischof em. Helmut Bauer (77), die sich wegen physischer Misshandlungen an ihn gewandt hätten. Konkret bezögen sich die Vorwürfe auf die 1960er und die erste Hälfte der 1970er Jahre. Von 1964 bis 1968 war der Weihbischof als Direktor des Kilianeums in Bad Königshofen sowie von 1968 bis 1983 als Direktor im Kilianeum in Würzburg tätig. Den Angaben der ehemaligen Schüler nach handelte es sich um Schläge, die „wohl auch mit damals gängigen Züchtigungsgegenständen“ ausgeteilt wurden, sagte Laubenthal. Der Weihbischof habe sich bereits bei zwei ehemaligen Schülern entschuldigt und das Gespräch angeboten. Der dritte sei Laubenthal bekannt, möchte aber anonym bleiben.
In einer schriftlichen Stellungnahme, die bei der Pressekonferenz verlesen wurde, betont der emeritierte Weihbischof Bauer, an den Darstellungen der ehemaligen Schüler zweifle er nicht, auch wenn er sich bei bestem Wissen und Gewissen an die angezeigten Vorgänge nicht erinnern könne. Als Erzieher sei er in der damaligen Zeit der Meinung gewesen, eine körperliche Züchtigung sei als pädagogische Maßnahme in bestimmten Fällen angebracht. Das in dieser Zeit noch allgemein übliche Züchtigungsrecht habe dieses Vorgehen bestätigt. „Aus dem Geist des Evangeliums hätte ich als priesterlicher Internatsleiter auch schon damals eine solche Züchtigung als erzieherische Maßnahme nicht durchführen dürfen. Dieses Vorgehen war falsch und tut mir leid. Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Würde und körperliche Unversehrtheit“, unterstreicht Weihbischof em. Bauer.
Wie Laubenthal weiter mitteilte, seien viele Menschen dem Aufruf von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann gefolgt, Vorfälle bei ihm zu melden. „In den ersten 48 Stunden meiner Tätigkeit ging eine Flut von E-Mails bei mir ein.“ Als abgeschlossen oder ruhend bezeichnete Laubenthal 33 der insgesamt 54 Vorgänge. Hierzu zählten 13 Dokumentationen von Vorgängen. Hier wollten die Betroffenen Ereignisse, die in jüngster Zeit aufgrund der Medienberichte hochgekommen seien, nur mitteilen und dann festgehalten wissen. Deutlich sprach sich Laubenthal in diesem Zusammenhang gegen eine Veröffentlichung solcher E-Mails aus, wie es derzeit „anderswo“ überlegt werde.
Drei Vorgänge habe er an Ansprechpartner anderer Bistümer weitergeleitet, weitere acht Vorgänge an betroffene Ordensgemeinschaften. Besonders beträfen diese ein Seminar des Augustinerordens in Münnerstadt. Hier seien mehrere Mitteilungen zu Vorfällen mit massiven physischen Misshandlungen vor allem in den 1960er Jahren an ihn herangetragen worden, die sich inhaltlich im Wesentlichen entsprächen. Bei diesen Handlungen sei ein Sexualbezug nicht auszuschließen. Einen Vorgang habe er darüber hinaus selbst an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Schließlich seien unter den 54 Kontakten auch zwei Hinweise auf Vorgänge außerhalb der Kirche, zwei allgemeine Anfragen und vier Mitteilungen über Vorgänge, die bereits abgeschlossen seien. Mitteilungen, die nicht die Kirche betreffen, habe er an Staatsanwaltschaft, Weißem Ring und an die Ehe-, Familien- und Lebensberatung weitergeleitet.
Nach der aktuellen Erklärung von Weihbischof em. Bauer gebe es noch 18 „offene Vorgänge“. Bei sechs Vorgängen lebten die Beschuldigten. In vier Fällen sei die beschuldigte Person verstorben, in fünf Fällen die beschuldigte Person unklar oder unbekannt und in drei vorgebrachten Vorgängen sei das Geschehen insgesamt unklar. 40 der Vorgänge hat Laubenthal für eine allgemeine Statistik ausgewertet. Demnach seien mehr als zwei Drittel der Betroffenen männlich. In fast zwei Drittel der Vorwürfe habe es sich um sexualbezogene Handlungen gehandelt. Die meisten Fälle ereigneten sich in den 1960er Jahren (32,5 Prozent), weitere 20 Prozent in den 1950er Jahren. Aus den vergangenen zehn Jahren wurden bisher keine Vorfälle an Laubenthal herangetragen, 2,5 Prozent der Meldungen betreffen die 1990er Jahre. „Es kann sein, dass Betroffene lange Zeit brauchen, um das Vorgefallene zu offenbaren“, sagte der Beauftragte.
Angesprochen auf sein Verhältnis zum Bistum Würzburg würdigte Laubenthal die Offenheit und das entgegengebrachte Vertrauen seitens des Bischofs und des Generalvikars. „Wir sind sehr froh über die gute und vertrauensvolle Kooperation“, sagte Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand zu dem externen Ansprechpartner. Eine stellvertretende Ansprechpartnerin – „eine Ärztin, mit der das Abschlussgespräch noch aussteht“ – solle in den kommenden Wochen ernannt werden und Laubenthal unterstützen. Außerdem werde auch die Laubenthal zur Seite stehende Arbeitsgruppe neu zusammengesetzt.
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