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„Aids hat Alltag völlig durchdrungen“

Bischof Franklyn Nubuasah aus Botswana hat trotz der Aids-Pandemie Hoffnung für Afrika – Gewissensbildung und Aufklärung wichtige Säulen des kirchlichen Kampfs gegen die Seuche

Würzburg (POW) Bischof Franklyn Nubuasah aus Botswana, für Aidsfragen zuständiger Koordinator der Südafrikanischen Bischofskonferenz, bereist derzeit anlässlich des Monats der Weltmission Bayern, um vom Kampf der katholischen Kirche gegen HIV und Aids zu berichten. Am Mittwoch, 11. Oktober, besuchte er Würzburg. Im folgenden Interview spricht der Bischof unter anderem über die Situation der Aidswaisen und äußert seine Ansicht zu Kondomen im Kampf gegen Aids. Von Montag, 23., bis Mittwoch, 25. Oktober, nimmt er in Würzburg an einem Internationalen Ökumenischen Symposion der Universität zum Thema „Heilung und Befreiung in Afrika – Die Kirchen vor der missionarischen Herausforderung durch HIV“ teil.

POW: Bischof Nubuasah, Sie sind seit vier Jahren als Koordinator für Aids-Fragen tätig. Wie sieht ihre Arbeit konkret aus?

Bischof Franklyn Nubuasah: Meine Aufgabe ist es, alle Aktivitäten der verschiedenen Diözesen in den Ländern Südafrika, Botswana und Swasiland zu koordinieren, ebenso die Ausbildung der kirchlichen Mitarbeiter. Es gilt unter anderem zu gewährleisten, dass der Kampf gegen Aids in allen Diözesen im südlichen Afrika auf dem gleichen Stand ist. Wir können und wollen uns nicht leisten, dass einige hintendran sind.

POW: Wie zeigt sich die hohe Aids-Rate im Alltag?

Bischof Nubuasah: Die Diagnose „Aids“ verändert das Leben schlagartig. Die meisten Menschen wissen nicht damit umzugehen. Die Selbstmordrate ist in den vergangenen Jahren im südlichen Afrika stark angestiegen. Ich denke, dass hier ein Zusammenhang besteht. Nur wenige der Betroffenen nehmen professionelle Hilfe an. Nur die, die ihre Krankheit akzeptieren, gehen ins Krankenhaus, um sich dort behandeln zu lassen. Viele andere versuchen, mittels alternativer Methoden und gesunder Ernährung geheilt zu werden, oftmals aus Scham und Angst vor Diskriminierung. Für ihren schlechten körperlichen Zustand führen sie dann andere Ursachen an wie Tuberkulose. Oder sie geben die Schuld einem bösen Zauber, der auf ihnen liege. Ich halte übrigens den Ratschlag der südafrikanischen Regierung, sich mit roter Beete und Knoblauch vor Aids zu schützen, für wenig hilfreich.

POW: Was kann Ihrer Meinung nach insbesondere die Kirche im Kampf gegen Aids tun?

Bischof Nubuasah: Die Kirche hat in vielerlei Hinsicht mehr Möglichkeiten als der Staat: Kirche ist für die Menschen da, wenn Regierungsbüros schon geschlossen haben. Kirchliche Mitarbeiter gehen zu den Kranken und auch zu den Sterbenden vor Ort, umsorgen sie, beten für sie. Diese enge Fürsorge kann der Staat nicht leisten. Außerdem organisieren wir in meinem Bistum beispielsweise Zeltlager für junge Leute, in denen wir mit Rollenspielen zur Gewissensbildung beitragen. Und wir ermöglichen den Kindern und Jugendlichen, sich untereinander über ihre Sorgen auszutauschen. Hier können sie sagen: „Meine Eltern sind schwer krank“, und wissen sich aufgehoben, weil es viele sind, die ihr Schicksal teilen.

POW: Was tut die Kirche auf dem medizinischen Sektor für die Kranken?

Bischof Nubuasah: Die kirchlichen Stellen haben mit der Behandlung der Kranken begonnen. Später wurden diese Initiativen dann von staatlicher Seite übernommen. In Swasiland ist die Zusammenarbeit mit der Regierung außerordentlich gut. Die Regierung leistet große finanzielle Unterstützung für die katholischen Krankenhäuser, in denen HIV-Infizierte behandelt werden. Geldgeber sind hier in erster Linie die Vereinten Nationen, die bei den reichen Industrieländern um Mittel werben. Diese Gelder werden in Afrika im Kampf gegen Aids, Tuberkulose und andere schwere Krankheiten eingesetzt. In meiner Heimat Botswana zum Beispiel bezahlt die Regierung die Medikamente der Aidskranken, sofern sie Staatsangehörige sind. Viele Kinder in Südafrika haben keinen Personalausweis und kommen deswegen nicht an staatliche Hilfe. Wir kaufen Kameras und Drucker, damit sie Passbilder bekommen und so der Ausstellung eines Ausweises kein Hindernis mehr im Weg steht.

POW: In den Medien ist immer wieder zu lesen, dass es zu wenig Medikamente für die Behandlung HIV-Infizierter gibt. Deckt sich das mit ihren Erfahrungen?

Bischof Nubuasah: Es gibt genug Medikamente. Nur trauen sich nicht alle Betroffenen, sich bei den staatlichen Stellen zu melden. Und für die Selbstmedikation sind die Mittel zu teuer. Hier ist Europa gefordert, Lobbyarbeit zu leisten. Was wir brauchen, sind kostengünstige Mittel oder bei uns hergestellte Generica.

POW: Missio hat das Thema „Aids“ schon im Jahr 2002 aufgegriffen. Auch damals sind sie nach Deutschland gekommen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen. Was hat sich seitdem verändert?

Bischof Nubuasah: Eine ganze Menge. 2002 gab es in Botswana keinerlei professionelle Behandlung. Heute ist die Aufklärung in Sachen Aids sehr viel besser. Die jungen Menschen wissen immer besser Bescheid, wie sie sich vor der Krankheit schützen können und was es bedeutet, daran zu erkranken. Sie wissen, an welche Stellen sie sich wenden können. Dank spezieller Programme gibt es Fachkundige, die jeweils speziell für ihre Altersgruppe Aufklärung betreiben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Diskriminierung heute sehr viel geringer ist als noch vor vier Jahren. Das kommt vor allem daher, dass Aids den afrikanischen Alltag völlig durchdrungen hat. Es gibt kaum noch eine Familie, die noch keinen Aids-Fall zu beklagen hat.

POW: Die westliche Welt suggeriert oft, dass der Gebrauch von Kondomen die Ausbreitung der Immunschwäche drastisch eindämmen könnte. Die katholische Kirche aber ist gegen Kondome. Wie stehen Sie dazu?

Bischof Nubuasah: Natürlich schützen Kondome vor der Ansteckung mit Aids. Sie allein aber werden das Problem nicht lösen. Ich halte diesen Lösungsansatz für etwas einfach. Und ich frage mich, mit welchem Recht die westlichen Staaten uns diese Lösung aufdrücken möchten. Wissen Sie, in Botswana gibt es überall kostenlose Kondome. Sie werden an den Grenzstationen, in Schulen und anderswo massenweise verteilt. Dennoch hat die Zahl der Neuinfizierten nicht ab-, sondern eher noch zugenommen. Und da nur ein kleiner Teil der Bevölkerung katholischen Glaubens ist, ist auch nicht anzunehmen, dass es die Christen sind, die mit ihrem Verzicht auf Kondome diese Zahl in die Höhe treiben. Zur Position der Kirche lässt sich sagen, dass sie meiner Meinung nach Krankheitsverhütung mit Empfängnisregelung verwechselt und deshalb gegen den Gebrauch von Kondomen ist. Wenn mich junge Gläubige fragen, ob Kondome Sünde sind, dann sage ich ihnen immer: Ich kenne keine Sünde, die „Kondom“ heißt. Es ist fern der Realität, wenn manche Kirchenoberen in Afrika Ehepartnern, bei denen einer mit HIV infiziert ist, vorschreiben, den Rest des Lebens einfach auf Sexualität zu verzichten. Und diese Meinung teilen mehrere Bischöfe im südlichen Afrika.

POW: Wo sie gerade von der jüngeren Generation reden: Besonders stark von Aids betroffen sind mittlerweile die Kinder. Viele infizieren sich schon im Mutterleib mit der tödlichen Krankheit, andere leben mit todkranken Familienmitgliedern. Viele haben ihre Eltern aufgrund der Krankheit verloren. Wie kann diesen Kindern geholfen werden?

Bischof Nubuasah: Kinder sind in der Tat vielfältig betroffen. Zum einen sind da die selbst Erkrankten. Sie erhalten selbstverständlich ebenso wie die Erwachsenen kostenlos medizinische Hilfe. Leider haben wir keine Medikamente, die auf Kinder zugeschnitten sind. Hier werden die gleichen Präparate wie für Erwachsene angewandt.

POW: Was ist mit den Kindern, deren Eltern erkrankt sind?

Bischof Nubuasah: Diese Kinder stehen unter einer starken psychischen Belastung. Einerseits bekommen sie nicht die für sie nötige Fürsorge und Pflege, andererseits haben sie den Tod ihrer Eltern vor Augen und müssen mit dieser großen Last allein fertig werden. Die Zahl derer, die durch das Virus zu Waisen geworden sind, steigt von Woche zu Woche.

POW: Wer kümmert sich um diese Kinder?

Bischof Nubuasah: Die Aids-Waisen kommen meist bei Verwandten unter, die sie dann betreuen. Außerdem kümmert sich die Regierung um die Versorgung der Kinder, indem sie jeden Monat einen Essenskorb zur Verfügung stellt. Wenn ältere Kinder nach dem Aidstod der Eltern Verantwortung für die Familie übernehmen müssen, reichen diese Vorräte aber meist nicht lange: Da essen sich die Kinder an einem Tag ordentlich satt, und für den Rest des Monats ist dann hungern angesagt.

POW: Wenn sie die aidsbedingte Todesrate auf ihrem Kontinent betrachten: Was schenkt ihnen überhaupt noch Hoffnung?

Bischof Nubuasah: Sie haben Recht. Wenn man wie ich tagtäglich mit Aids und seinen erschreckenden Folgen konfrontiert ist, kann man leicht die Hoffnung verlieren. Es ist mein Glaube, der mir hilft. Der Glaube an Gott – der Glaube an morgen. Ich habe außerdem großes Vertrauen in die mentale Stärke Afrikas. Wir haben Sklaverei und Kolonisation überlebt. Wir werden auch Aids überleben.

POW: Was erwarten sie von Europa und der Weltkirche?

Bischof Nubuasah: Hoffnung. Und die Bereitschaft, uns dort unter die Arme zu greifen, wo wir uns selbst nicht helfen können. Missio unterstützt in Afrika viele wertvolle Projekte. Allein kann unser Kontinent den Kampf gegen Aids nicht gewinnen. Deswegen möchte ich alle, die ich erreiche kann, mit dem Virus der Hoffnung infizieren.

Interview: Diana Steinbauer/Markus Hauck (POW)

(4206/1411; E-Mail voraus)