Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Liebe Kinder!
Es war eine schwere Zeit, damals vor 2500 Jahren, als ein Mann mit Namen Nehemia in Jerusalem eine aufmunternde Rede hielt, halten musste. Denn Jerusalem, der Tempel, war ein Trümmerfeld. Der Wiederaufbau der Stadt, der Häuser und des Tempels schien schier unmöglich. Die Leute sagten zu diesem Statthalter Nehemia: „Das schaffen wir doch niemals!“ Doch dieser Mann Nehemia gab nicht auf. Im Gegenteil. Er hielt eine eindringliche Rede und sagte ihnen: „Auch wenn der äußere und innere Aufbau unserer Stadt und unseres Volkes fast unmöglich ist: Habt keine Angst. Macht euch keine Sorgen. Die Freude an Gott ist unsere Stärke!“ Und sie schafften den Wiederaufbau. – Vor 60 Jahren lag ganz Deutschland in Trümmern. Würzburg war eine einzige Ruinenstadt. Der Dom lag in Schutt und Asche. Ich weiß noch, wie zwei Jahre nach dem Krieg der 35-jährige Bischof Julius den Würzburgern und den Menschen in unserem Frankenland Mut machte und in aufrüttelnden Predigten gerade uns jungen Leuten sagte: „Wir schaffen mit Gottes Hilfe die Ruinen weg. Wir bauen wieder auf. Gott wird uns helfen!“ Wir ließen uns von den Worten dieses glaubensstarken Bischofs mitreißen und – wir haben Würzburg und unsere zerstörten fränkischen Orte wieder aufgebaut. Ja – die Freude an Gott war damals unsere Stärke beim Wiederaufbau unserer Heimat. Beim äußeren und inneren Wiederaufbau. Denn viele Menschen waren noch geistig verstört von der Tatsache, dass man blindlings Verbrechern an der Spitze des Staates zugejubelt hatte und gefolgt ist – bis in den Tod.
Liebe Schwestern und Brüder!Auch heute spüren wir wieder Zerfall in unserem Land. Nicht Ruinen, zerstörte Häuser, haben wir zu beklagen. Nein – nach außen glänzt vieles in Wohlstand. Doch – es gibt heute – auch wenn man kein Pessimist ist – viel zu beklagen. Es zerbrechen Ehen, es zerbrechen Familien, junge Menschen ruinieren sich selbst und ihre Zukunft durch Drogen, durch Kriminalität, durch Verwahrlosung. Wir hören täglich, wie Kinder misshandelt werden. Leichtfertig und bewusst wird Leben zerstört, besonders ungeborenes Leben. Wir beklagen mangelnde Bindungsbereitschaft in Ehe, in Vereinen, in der Kirche. Man könnte wirklich pessimistisch werden, wenn man manche Entwicklung in unserem Land, in der Kirche, in unseren Pfarreien erlebt. Oder kann man da nicht sehr traurig werden, wenn man liest oder hört: Vor 60 Jahren gingen noch 60 Prozent der Katholiken am Sonntag in die Kirche. Heute sind es in Deutschland nicht mal mehr im Durchschnitt 16 Prozent. Wohin soll das führen? – Ordensleute drohen auszusterben. Der Priesternachwuchs ist auf niedrigstem Niveau seit Menschengedenken. Viel weniger Brautpaare lassen sich kirchlich trauen. Und die Kirchenaustritte sind immer noch zirka 100.000 im Jahr. Man kann schon verstehen, dass Menschen in der Kirche resignieren. Doch da hören wir das Wort: „Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“
Liebe Schwestern und Brüder!Gab es überhaupt einmal eine Zeit, in der dieses Schriftwort nicht notwendig gewesen ist? Alle Zeiten haben ihre Herausforderungen. Zu allen Zeiten hätten Menschen verzagen können. War denn zurzeit Jesu alles in Ordnung? Im Gegenteil: Er musste den Aposteln Mut machen, denn sie erlebten ja die Katastrophe ihres Meisters. Sie kannten den bösen Zustand der Welt, in die Jesus sie hineinschickte. Er sagte ihnen: „Ich schicke euch wie Schafe unter die Wölfe. Habt keine Angst, ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt!“ Er gab ihnen aber die Kraft aus der Höhe, den heiligen Geist, den Geist der Zuversicht, der Freude, der Stärke. Seit Pfingsten, seit unserer Firmung, haben wir eine Kraftquelle göttlicher Art, alle Herausforderungen unserer Tage zu bestehen. Denn der Heilige Geist macht uns gottfroh und frohgemut im Herrn. Und wie machtvoll hat sich dieser Geist der Freude am Herrn in der Geschichte erwiesen! Die junge Kirche hat jahrhundertelang Verfolgungen gestärkt überstanden.
Liebe Schwestern und Brüder.Und so war es auch beim heiligen Kilian. Die Freude am Herrn im Heiligen Geist befähigte ihn, trotz Widrigkeiten, ja Gefährdung, in Freude seine Missionsarbeit in unserem Land zu leisten. Die Geschichte auch in unserem fränkischen Land ist ein einzigartiger Beleg dafür, dass die Freude am Glauben, die Freude an der Kirche, die Liebe zu Jesus die Kraft ist, die mit jeder Herausforderung der jeweiligen Zeit zurecht kommt. Auch in unseren Tagen und in Zukunft gilt: Wenn wir Freude am Glauben haben, wenn wir freudig gläubig sind, dann haben wir eine Kraft, die alles meistert. Daher ist das Wort unseres Bischofs die notwendige Losung für unsere gegenwärtige Stunde. Freude an Gott haben heißt: mit der größten Macht der Welt sich verbunden wissen. Die Zukunft gehört den Frohglaubenden, nicht den missvergnügten Christen. Nur ein froher Glaube kann mitreißend wirken. Die Frohglaubenden sind die besten Werber für geistliche Berufe, für eine gläubige, kommende Generation. Die Freude an Gott muss in unseren Familien zu spüren sein – dann wachsen Kinder in den Glauben hinein. Den Vätern und Müttern, den Großeltern muss man anspüren, dass sie gerne in die Kirche gehen, beten, zu den Sakramenten gehen. Dann wächst Glaubensstärke. Darf man aber in der Kirche nicht mal das oder jenes kritisieren? Darf man in der Kirche nicht mal über das oder jenes missmutig sein? Natürlich wird es Gründe dafür geben, aber wie wir das tun, ist entscheidend. Freude an Gott erwächst durch Treue im Gebet, im Mitleben mit der Kirche, mit der Liebe zu Jesus. Die heiligen Frankenapostel wollen uns helfen, froh in der Kirche zu glauben, mit der Kirche zu leben.
Ich denke zum Schluss, dass es einen Geheimtipp gleichsam gibt, die Freude an Gott und damit Glaubensstärke zu erlangen. Der Tipp heißt: Maria, die Ursache unserer Freude. Die Verehrung Mariens ist der ganz besondere Weg, dass Freude an Gott uns zuwächst. Und Freude an Gott gibt Lebensmut, Vertrauen und kraftvolle Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Das war die Erfahrung vergangener Generationen, gerade in unserem Frankenland. Und Marienverehrung trägt uns auch durch dunkle Zeiten unseres Lebens und der Geschichte. In einem Wallfahrtsort hängt eine Votivtafel mit dieser Inschrift: „Liebe Gottesmutter, wir haben unsere beiden Kinder verloren. Wir danken dir, dass du uns geholfen hast, nicht unseren Glauben zu verlieren“. Amen
(2907/1071)