Peramiho/Münsterschwarzach (POW) Vor fünf Jahren wurde Pater Anastasius Reiser (46) zum Abt der 1898 gegründeten Benediktinerabtei Peramiho in Tansania gewählt. Im folgenden Interview spricht er über die Erfahrungen, die er seither gemacht hat, und erläutert auch, wie sich die Arbeit der Missionsbenediktiner in den vergangenen Jahren verändert hat.
POW: Abt Anastasius, Sie sind seit fünf Jahren für die Abtei Peramiho in Tansania verantwortlich. Inwieweit kann man sagen, dass Sie jetzt wirklich hier angekommen sind?
Abt Anastasius Reiser: Wenn ich jetzt von einer Reise zurückkomme, habe ich das Gefühl, zuhause anzukommen. Die Mitbrüder kennen mich, ich fühle mich mit der Materie und mit den alltäglichen Aufgaben vertraut, die auf mich zukommen.
POW: Welche Projekte haben sie in der zurückliegenden Zeit anstoßen können?
Abt Reiser: Da wären zum einen die Angebote zur spirituellen Weiterbildung zu nennen. Die Mitbrüder können zum Beispiel Einzelexerzitien belegen. Als Entwicklungshilfe haben wir eine Ölpflanzenplantage eingerichtet, ebenso gibt es verschiedene neue Ansätze zur Trinkwasserversorgung. Im Krankenhaus entstanden ebenfalls einige Neuerungen.
POW: Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Abt Reiser: Das ist ganz klar das Caritasprojekt. Der Arme muss gefunden werden. Nicht derjenige, der am lautesten schreit, ist auch wirklich der Bedürftigste. Deswegen haben wir mit der Pfarrei von Peramiho eine Kommission gegründet, die zusammen mit dem Pfarrer oder den Katechisten auf die Dörfer geht und schaut, wo zum Beispiel kranke und alte Menschen sind, die nicht mehr selbst das Essen besorgen oder die Felder bestellen können. Das kommt gut an bei den Leuten. Es gibt keine Eifersucht mehr. Keiner fragt mehr: Warum kriegen diese Unterstützung und nicht ich?
POW: Welche Herausforderungen bleiben?
Abt Reiser: Peramiho liegt in einer ärmlichen Gegend. Das schlägt sich in der Infrastruktur nieder. Für die Bevölkerung sind mehrheitlich weder die Trinkwasserversorgung, noch die Anbindung an das Stromnetz und auch die Verkehrsanbindung gewährleistet. Als Abt bin ich eigentlich für das Spirituelle zuständig. Wenn es aber zum Beispiel kein Trinkwasser im Krankenhaus gibt, muss ich mich darum kümmern, dass die Pumpe läuft. Auch wenn die Stromversorgung ausfällt, muss ich als Abt dafür sorgen, dass der Generator läuft oder dass die Turbine am Wasserkraftwerk wieder funktioniert. Schwierig ist auch, dass es kaum Kaufkraft in der Gegend gibt. Wir haben knapp 25 klostereigene Betriebe, die es rentabel zu führen gilt. Allein, es fehlt die Kundschaft. Die Leute haben mehrheitlich kein geregeltes Einkommen, um die qualitativ hochwertigen Produkte dieser Firmen zu kaufen. Hier gilt es auch zu schauen, wie wir mehr Fuß fassen können. Spirituell geht es zum Beispiel um die Frage, wie wir theologische Themen so vermitteln können, dass auch Menschen, die aufgrund der Armut ohne besondere Schulbildung sind, diese verstehen können.
POW: Wie sieht es mit dem Ordensnachwuchs aus?
Abt Reiser: Wir haben derzeit fünf Novizen und sechs Postulanten. Damit sind wir relativ zufrieden. Zeitliche Professen haben elf Mitbrüder. Diese versuchen wir gut auszubilden, damit sie später die Arbeit der weißen Mitbrüder aus Europa in der Verwaltung, in den Betrieben und in der Seelsorge übernehmen können. Deren Zahl beläuft sich aktuell auf 25. Viele davon sind 70 Jahre oder älter. Es gibt 50 afrikanische Mitbrüder. Der Übergang der Verantwortung will gestaltet sein.
POW: Wie hat sich das Gesicht der Mission in den vergangenen Jahrzehnten geändert?
Abt Reiser: Wenn früher die Rede von Mission war, dann waren in der Regel die Weißen gemeint. Die Afrikaner haben sich nicht als Missionare empfunden. Heute sagen wir: Alle in der Abtei sind Missionare, denn wir sind schließlich Missionsbenediktiner. Es hat etwas gedauert, dieses Bewusstsein zu schaffen. Dann galt es, das auch umzusetzen. Heute gehen alle an verschiedenen Sonntagen in die Pfarrei. Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt ein Dorf in der Nähe, wo noch ein sehr starker Bezug zur alten Naturreligion herrscht. Diese hat etwas Bedrohliches durch die enge Verbindung mit den Geistern. Diese lässt einige depressiv werden. Ein Mitbruder ist speziell zuständig, im christlichen Teil des Dorfes Exerzitien anzubieten oder auch einmal Filme über Heilige zu zeigen. Hier können sich auch und gerade die afrikanischen Priester als Missionare erleben. Die Projekte haben sich ebenfalls geändert. Früher haben die Missionare allein Kirchen gebaut. Heute werden auch die Leute vor Ort mit einbezogen. Ein afrikanischer Mitbruder baut eine Kirche, ein anderer einen Kindergarten. Sie schauen, was die Leute vor Ort machen können, zum Beispiel Ziegelsteine herstellen oder Sand bereitstellen. Dann haben die Menschen auch das Gefühl, dass es um ihr Projekt geht, und sagen: Das haben wir gebaut. Wir übernehmen die Sachen, die für die Gläubigen zu teuer sind: Zement, Wellblech für die Dächer oder die Kosten für die Ausbildung der Erzieherinnen. Solche Fragen übernimmt in eigener Regie ein afrikanischer Mitbruder, der sich aber jederzeit den Rat bei uns Deutschen holen kann.
POW: Früher war Peramiho Ausgangspunkt der Missionierung in Südtansania. Wie sieht heute die Zusammenarbeit mit der gesamten Kirche von Tansania aus?
Abt Reiser: Peramiho hat nicht mehr die herausragende Stellung, die es früher einmal hatte. Wir sind eine Ordensgemeinschaft von 20 in Erzbistum Songea. Wir haben zum Beispiel eine indische Schwesterngemeinschaft hier, die eine Universität hat, an der Agraringenieure und Informatiker ausgebildet werden. Früher wurde alles von den Benediktinern gemacht. Mehr und mehr geht Peramiho in der Ortskirche auf. Natürlich bleiben nach wie vor einige Sonderaufgaben wie das Krankenhaus, eines der größten im Land.
POW: Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wie sieht Ihre Vision für Peramiho im Jahr 2021 aus?
Abt Reiser: Alles wird zunehmend afrikanischer. Die Abtei Hanga ist ein gutes Beispiel. Unsere afrikanischen Brüder sehen die große Chance in der Bildung. 50 Prozent der Bevölkerung Tansanias sind jünger als 17 Jahre. Unsere Idee ist, vielleicht eine weiterführende Schule zu gründen und aus unseren Reihen die Lehrer dafür auszubilden. Auch die Handwerksschule soll ausgebaut werden. Wir haben als Orden immer Handwerker gehabt. Auch das Krankenhaus muss ein Standbein bleiben.
POW: Was genau heißt afrikanischer?
Abt Reiser: Das macht sich zum einen in den Personen fest. Zum anderen in der Mentalität. Alles muss so werden, wie es die Afrikaner machen. Im deutschen Gottesdienst muss alles präzise wie ein Uhrwerk laufen. Hier wird beispielsweise einfach eine Strophe mehr gesungen, wenn die Ministranten mit dem Weihrauchfass nicht rechtzeitig da sind. Irgendwann kommen sie schon. Diese Geduld müssen wir als Europäer noch lernen. Wenn das, was ich heute machen wollte, nicht geklappt hat, dann muss ich halt auf morgen oder übermorgen warten.
Interview: Markus Hauck (POW)
Zur Person:
Reiser wurde am 17. September 1964 in Sinsheim, Kreis Rhein-Neckar, geboren. Nach einer Ausbildung als Mess- und Regelmechaniker und dem Besuch des Kollegs Sankt Pirmin in Sasbach, den er mit dem Abitur abschloss, trat er 1989 ins Kloster Münsterschwarzach ein. Seine ersten Gelübde legte er am 6. April 1991 ab. Anschließend studierte er Theologie in Würzburg. Bischof Dr. Paul-Werner Scheele weihte ihn 1999 zum Priester. Bis Herbst 2002 war Pater Anastasius Rektor im Lehrlingsheim Sankt Plazidus in Münsterschwarzach. Danach ging er für zwei Jahre nach Peramiho, wo er im Verlag und in der Druckerei beschäftigt war. 2004 kehrte er nach Münsterschwarzach zurück. Dort war er bis zur Wahl zum Abt von Peramiho im Jahr 2006 als Magister für die zeitlichen Professen, 1. Cantor der Choralschola und Webmaster tätig. Das derzeitige Wirkungsfeld Reisers liegt im Süden Tansanias am Dreiländereck zwischen Malawi, Mosambik und Tansania. Die Gemeinschaft von Peramiho gehört zu den großen und wichtigen Abteien der Kongregation von Sankt Ottilien. Derzeit leben dort 75 Mönche. Außerdem unterhält das Kloster ein Krankenhaus mit rund 300 Betten, zwei Schulen und eine Druckerei. Auch eine große Farm und zahlreiche Werkstätten gehören zur Abtei.
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