Wir alle feiern diesen Gottesdienst mit gemischten Gefühlen. Da sind auf der einen Seite die Vernunftsargumente, die zum Beschluss geführt haben, diesen Kirchenbau abzureißen: Der bauliche Zustand, die horrende Sanierungs- und Unterhaltungskosten, die zurückgegangene Zahl der Gottesdienstbesucher und weitere Gesichtspunkte. Auf der anderen Seite stehen die Gefühle nicht weniger Menschen, die mit diesem Gotteshaus prägende Glaubenserinnerungen verbinden, weil sie hier getauft und gefirmt wurden, den Ehebund geschlossen haben und in den liturgischen Feiern für ihr Leben gestärkt worden sind. Viele haben durch Spenden und ihren Arbeitseinsatz zum Bau der Kirche beigetra-gen. Ist das jetzt alles Geschichte, ausgelöscht durch den Abriss? Es wird zwar an dieser Stelle ein Pfarrheim errichtet, aber manche empfinden das als schwachen Ersatz und sehen sogar die Wiedernutzung der alten Kirche aus der Echterepoche als Rückzug in die Vergangenheit. Man muss diese Gefühle ernstnehmen, aber es wäre falsch, sich von ihnen lähmen zu lassen. Das entscheidende Signal, das von unserem letzten Gottesdienst in dieser Kirche ausgeht, heißt nicht Abbruch und Rückzug, sondern Aufbruch und Neubeginn! Denn die Schließung eines Kirchengebäudes ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende des kirchlichen Lebens. Ich möchte gerade in dieser Stunde daran erinnern, dass dieses Gotteshaus in dem Jahr geweiht wurde – nämlich 1965 – als das zweite Vatikanische Konzil zum Abschluss kam. Von ihm möchte ich in dieser Stunde drei Impulse aufgreifen, die eine Richtungsanzeige sein können, wie das kirchliche Leben weitergeht und hier vor Ort gestalten werden kann. Ich gehe dabei von den drei Bedeutungen aus, die das Wort „Kirche“ in unserer Umgangssprache hat: Nämlich Gotteshaus, Gottesdienst und Gottesvolk.
1. Kirche als Gotteshaus:
Kirchbauten, so hat es Dombaumeister Hans Schädel, der auch an der Planung der St. Immina-Kirche beteiligt war, einmal ausgedrückt, sind „steingewordene Ausrufezeichen des Glaubens.“ Sie wollen in einer vielschichtig gewordenen Welt daran erinnern, dass Gott mitten unter den Menschen ist und zur Gemeinschaft einlädt. Ein verschlossenes Gotteshaus wäre ein Widerspruch in sich – ein Kirchbau muss von seinem Wesen her ein Haus der offenen Tür sein, in das die Menschen mit all dem kommen können, was ihr Leben ausmacht: Mit Sorgen und Sehnsüchten, mit Enttäuschungen und Erwartungen. Sie tragen all dies vor Gott hin und erwarten Geborgenheit und Annahme. Gott traut uns aber zu, diesen Raum der Geborgenheit auf menschliche Weise zu vermitteln. Eine Kirche als Bauwerk kann nur dann ein Wahrzeichen dafür sein, dass Gott uns annimmt, wenn wir einander annehmen und füreinander Bewährungshelfer im Glauben sind. Das zweite Vatikanum hat diesen Auftrag in seinen Aussagen über die Beziehung von Kirche und Welt so formuliert: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ (GS 1) Nehmen Sie dieses Konzilswort mit als Motto in die „alte“ Kirche, künftig wieder neu der sichtbare Mittelpunkt Ihres Gemeindelebens sein wird, damit auch sie zum Zeichen dafür wird, dass Christen hier vor Ort einander in der Kraft Gottes Geborgenheit und Annahme vermitteln können.
2. Kirche als Gottesdienst
„Wir gehen zur Kirche“, sagen wir oft, wenn wir an liturgischen Feiern teilnehmen. Dabei ist eine Erkenntnis wichtig: Gottesdienst ist in erster Linie nicht etwas, das wir an Zeit oder Aufmerksamkeit erbringen. Gottesdienst ist zu allererst Dienst Gottes an uns! Dies wird vor allem in der Eucharistiefeier deutlich, wo sich zum einen zeigt, wie weit Gott in seiner Liebe zu uns Menschen geht:
In der Feier von Tod und Auferstehung Jesu werden wir hineingenommen in die große Zuwendung Gottes zur Welt, die er nicht ihrem Schicksal überlässt. Er teilt in Jesus unser Leben bis ins Letzte. Die Liturgie will weiterhin verdeutlichen, dass unser Leben für Gott Ewigkeitswert hat, weil es über den Tod hinaus für die Vollendung und nicht für die Vernichtung bestimmt ist. Das zweite Vatikanische Konzil macht diesen Zusammenhang zwischen Liturgie und Leben immer wieder deutlich, wenn es an verschiedenen Stellen von der „vollen, bewussten und tätigen Teilnahme“ der Gläubigen spricht (SC 14, 30, 48, 50, 11). Aber diese „tätige Teilnahme“ ist nichts Abgeschlossenes: Von Bischof Josef Stangl, der vor 45 Jahren Ihre St.-Immina-Kirche geweiht hat, stammt das Wort: „Wenn die Messe in der Kirche vorbei ist, beginnt die Messe des Alltags, in der die Gabe der Liturgie zur Aufgabe im Leben wird“. Nehmen Sie diesen Satz als bleibendes Vermächtnis mit in die Gottesdienstfeiern in Ihrer Jakobuskirche, damit die liturgischen Feiern dort nicht zur Versammlung einer geschlossenen Gesellschaft werden, sondern sich der Dienst Gottes an uns im Dienst aneinander fortsetzt.
3. Kirche als Gottesvolk
Ein Kirchbau ist immer Versammlungsort einer Gemeinschaft. Jesus führt uns zusammen und bringt uns miteinander auf den Weg zu Gott. Wenn das Konzil vom „Volk Gottes“ spricht, gilt das für die gesamte Kirche genauso wie für jede Gemeinde vor Ort (LG 13, 26, 30). Wir alle sind Teil einer großen Glaubensgemeinschaft, die mit einer Verheißung Gottes unterwegs ist. „Wer glaubt, ist nie allein“ - so hat es Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Bayern ausgedrückt. Aber Gemeinschaft kann gerade vor Ort schwierig werden. Wir haben es im Bistum mitunter bei der Bildung der Pfarreiengemeinschaften gespürt und erleben auch in einzelnen Gemeinde oft schmerzhaft Spannungen und Konflikte. Jeder Sonntagsgottesdienst z. B. kann dafür ein sprechender Hinweis sein:
Da finden sich die unterschiedlichsten, manchmal auch widersprüchlichsten Typen und Charaktere zusammen, von denen manche vielleicht außer der Bereitschaft zur Begegnung mit Gott wenig verbindet. Aber ein Kennzeichen des Wirkens Jesu war doch, dass er Grenzen überwunden und Gemeinschaft im Glauben hergestellt hat. Wichtig ist das Wissen, dass uns als Christen immer mehr verbindet als trennt. In der Begegnung mit Jesus werde ich kein anderer, aber ich kann mich verändern, indem ich mich immer neu aus meiner Selbstbezogenheit in die Gemeinschaft des Gottesvolkes hineinführen lasse. Gemeinschaft braucht Grenzüberschreitung – nehmen Sie auch diese Einsicht in das künftige Gemeindeleben mit! Gerade eine Kirche, die den Pilgerapostel Jakobus als Patron hat, kann ein Dauerverweis auf Unterwegssein als Glaubensgemeinschaft sein.
Schlussgedanken
Am Anfang meiner Predigt habe ich von den widersprüchlichen Empfindungen gesprochen, die uns im Blick auf die Profanierung dieser Kirche bewegen. Es ist gut, wenn in dieser Stunde all dies zum Ausdruck kommen kann. Aber wir sollten uns dabei eines stets in Erinnerung rufen: Jedes Kirchengebäude steht unter einer bleibenden, letztlich im Glauben selbst angelegten Spannung. Es soll auf der einen Seite Beheimatung bieten, weil wir auf unserem Weg durch die Zeit Räume zum Sammeln und Innehalten brauchen. Auf der anderen Seite gilt für uns alle die biblische Einsicht, dass wir hier keine bleibende Stätte haben, weil unsere endgültige Heimat im Himmel in der Vollendung bei Gott ist (Phil 3,20). Das ist keine Vertröstung, sondern eine Verheißung, die in Ihrem Fall ganz konkret wird. Him-melstadt – nomen est omen, der Name enthält eine Botschaft: Wenn eine Gemeinde, die so heißt, auch unter veränderten baulichen Bedingungen eine Stätte ist, an der etwas vom Himmel erfahrbar wird, ist mir um die Zukunft nicht bange. Das hoffe und wünsche ich Ihnen von Herzen.
Amen.