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Baustein zur dauerhaften Versöhnung

Bericht zum Einsatz von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg im Bistum Würzburg liegt vor – 246 ausländische Personen arbeiteten auf Zwang der Nationalsozialisten in kirchlichen Einrichtungen

Würzburg (POW) Wenn sie auch rein formell in kirchlichen Einrichtungen eingesetzt waren: Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, von denen kirchliche Einrichtungen im Bistum Würzburg während des Zweiten Weltkriegs profitiert hätten, lassen sich nicht nachweisen. So lautet eine Erkenntnis aus den umfangreichen Untersuchungen, die Bistumshistoriker Erik Soder von Güldenstubbe durchgeführt hat. Der Bericht ist in der Gesamtdokumentation „Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945“ über Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung abgedruckt, die Karl Kardinal Lehmann am Dienstag, 8. April, in Mainz vorstellte. Würzburgs Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand wertete die Aufarbeitung nicht nur als wichtigen Beitrag zur Erforschung der jüngeren Geschichte, sondern als einen „Baustein im Bemühen um eine dauerhafte Versöhnung zwischen den Völkern“.

Insgesamt waren dem Bericht zufolge 246 Personen als Zivilarbeiter, Kriegsgefangene oder in den Zivilarbeiterstatus überführte Kriegsgefangene in kirchlichen Einrichtungen im Bistum Würzburg eingesetzt. 163 davon waren Zwangsarbeiter aus der sowjetischen Ukraine, 29 weitere Zwangsarbeiter kamen aus Polen. Unter den Kriegsgefangenen stellte Australien mit 16 Personen die größte Gruppe, gefolgt von England mit 12. Die große Mehrheit, insgesamt 231 Personen, wurde in Land- und Forstwirtschaft eingesetzt. Von allen Zwangsarbeitern in kirchlichen Einrichtungen starb bis Kriegsende einer: Er wurde durch Artilleriebeschuss tödlich verletzt.

„Generell kann festgestellt werden, dass die Arbeitsämter zwar einer ganzen Reihe von kirchlichen Einrichtungen Fremdarbeiter zuwiesen, dass aber diese zwar in kirchlichen Einrichtungen, aber nicht für die ureignen Intentionen der jeweiligen Institution eingesetzt worden waren“, schreibt der Bistumshistoriker. Als Beispiele nennt Soder von Güldenstubbe unter anderem die russischen Zwangsarbeiter, die ab Herbst 1942 in den Einrichtungen der am 9. Mai 1941 aufgelösten Abtei Münsterschwarzach Dienst taten. „Es liegt auf der Hand, dass diese Zwangsarbeiter nicht eingesetzt wurden, um eine Benediktinerabtei zu fördern oder deren missionarisches Bemühen zu unterstützen, sondern um die Ernährung der Bevölkerung sichern zu helfen, vor allem aber um das dort untergebrachte und von 1941 bis 1945 bestehende Lazarett und Umsiedlerlager zu versorgen.“

Auch die im Zweiten Weltkrieg in Maria Bildhausen und dem angrenzenden Rindhof tätigen Polen, Russen und Ukrainer seien nicht eingesetzt worden, um Behinderte zu pflegen und zu fördern, sondern um die „Ernährungsfront“ zu stärken. Schwierigkeiten bereite zudem die Quelleninterpretation. So sei die Stadt Würzburg von 1939 bis 1945 Eigentümerin des „Klosterguts“ Oberzell gewesen. „Das ‚Klostergut’ Oberzell wurde aber auch unter dem neuen Pächter (Leo Haub) unter diesem Titel weitergeführt, ohne dass noch irgendeine kirchliche Beziehung bestand.“

Mit Kriegsbeginn seien zudem viele Gebäude ganz oder teilweise beschlagnahmt oder zweckentfremdet worden und als Lazarette, Evakuiertenquartiere oder ähnliches genutzt worden, im gesamten Bistum 74. Bei den Männerorden wurden die kriegstauglichen Mitglieder zur Wehrmacht eingezogen, Schwestern aus Pflegeorden wurden zur Versorgung verwundeter Soldaten abgestellt. „Es gab bis zum Kriegsende kaum eine kirchliche Einrichtung im Bistum Würzburg, die nicht in irgendeiner Weise von nichtkirchlichen Zweckbestimmungen, Enteignungen, Beschlagnahmungen, Einquartierungen, Überwachungen, behördlicher Willkür, drückender Besteuerung, Nachteilen bei der Versorgung beispielsweise mit Heizmaterial und anderen Schikanen betroffen war“, schreibt Soder von Güldenstubbe.

Priester und Laien, die sich in der Seelsorge und mit praktischer Hilfe für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter engagierten, seien immer wieder angezeigt und mit empfindlichen Strafen belegt worden. „In kircheninternen Rundschreiben wurde den Geistlichen mitgeteilt, dass polnische Gebetbücher und Predigttexte im Bischöflichen Ordinariat erhältlich seien. Auch wurden Polnisch sprechende Priester den Dekanen im Bistum bekannt gegeben.“

Wie der Bericht abschließend hervorhebt, wirkten seit Kriegsende verschiedene katholische und ökumenische Initiativen wie die Ackermann-Gemeinde, Renovabis oder Kirche in Not auf ihre jeweils eigene Weise an der Aussöhung der früher verfeindeten Völker mit. Lange Jahre hätten zudem Caritas und Ordensleute – besonders benediktinische und franziskanische – ehemalige KZ-Häftlinge und andere Leidtragende des Dritten Reiches zur Erholung oder zu Heilbehandlungen eingeladen oder unterstützt. „Die Diözese Würzburg stellt in ihren Jahreshaushalten beträchtliche Summen für Osteuropa und die Weltkirche zur Verfügung“, schreibt Soder von Güldenstubbe.

Generalvikar Hillenbrand hatte die Aufarbeitung für den Bereich des Bistums Würzburg unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Einzelschicksale im Jahr 2000 in Auftrag gegeben. „Ich bin dankbar für die sorgfältige Aufarbeitung der historischen Situation. Sie ist damit auch für zukünftige Forschungen und Publikationen dokumentiert“, sagte der Generalvikar. Am Entschädigungsfonds der Deutschen Bischofkonferenz für ehemalige Zwangsarbeiter in Höhe von 2,5 Millionen Euro hatte sich das Bistum Würzburg 2001 anteilig mit 71.200 Euro beteiligt. Die gleiche Summe wurde an den ebenfalls mit 2,5 Millionen Euro errichteten kirchlichen Versöhnungsfonds überwiesen. Das mit der Verwaltung beauftragte Hilfswerk „Renovabis“ unterstützt damit unter anderem Begegnungen und Initiativen zur Verständigung und zur Förderung eines friedvollen Zusammenlebens in Europa.

Insgesamt sind in der Dokumentation das Schicksal von 4829 Fremdarbeitern und 1075 Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs zum Arbeitseinsatz in katholischen Einrichtungen in Deutschland verpflichtet waren, die Entschädigung und die kirchlichen Versöhnungsinitiativen umfassend aufgezeichnet und gründlich erforscht.

Hinweis: Die Gesamtdokumentation trägt den Titel „Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945, Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung. Eine Dokumentation (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Band 10)“, herausgegeben im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von Karl-Joseph Hummel und Christoph Kösters, 703 Seiten, 48 Euro, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn München Wien Zürich 2008, ISBN 978-3-506-75689-3.

(1508/0483; E-Mail voraus)

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