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„Bei dem Kreuze Jesu stand seine Mutter“

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer bei der Eucharistiefeier mit der Maria-Schmerz-Bruderschaft auf dem Käppele in Würzburg am Sonntag, 17.September 2006

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Liebe Maria-Schmerz-Bruderschaft!

Seit dem hohen Mittelalter finden wir bildliche Darstellungen Mariens, wie sie Jesus nach der Kreuzabnahme auf ihrem Schoß trägt. In einer leiderfüllten Zeit, als der schwarze Tod, die Pest, die Menschen in tiefste Lebensängste stürzte, schaute man auf den Gekreuzigten, wie in unserer Neumünsterkirche, und zugleich auf die Schmerzensmutter Maria. Man stellte die Pieta-Darstellungen in den Kirchen auf, später auch an vielen Wegen und Häusern. Ja – in der weltberühmten Pieta von Michelangelo im Petersdom zu Rom schuf der große Meister wohl eines der schönsten und ergreifendsten Werke der bildenden Kunst, der ganzen Kunstgeschichte. Schließlich hat Papst Pius VII. dem Gedenken der schmerzhaften Gottesmutter liturgische Gestalt gegeben. Er war der Papst, der von dem arroganten und zynischen Kaiser Napoleon in schmachvolle Gefangenschaft genommen wurde. Zum Dank für die Befreiung an dieser Erniedrigung, Unfreiheit und Notlage hat dieser Papst den Gedenktag eingeführt. Er hat so einem biblischen Befund und Vorgang Ausdruck verliehen, wie wir es eben im Evangelium gehört haben: „Bei dem Kreuze Jesu stand seine Mutter ...“. Er hat so der Liebe und dem Vertrauen gerade auch des einfachen Volkes zur Schmerzensmutter in den vergangenen Jahrhunderten – gerade auch in unserem fränkischen Land – die kirchliche Bestätigung und Berechtigung gegeben. Gerade auch unsere Maria-Schmerz-Bruderschaft, in der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges entstanden, ist ein Beweis dafür, wie die Verehrung der Schmerzensmutter den Gläubigen Kraft und Hoffnung in bedrängter Zeit gegeben hat. Der gläubige Sinn des Gottesvolkes hat also sogar für den Theologen und dem Lehramt der Kirche eine biblische Wahrheit und Aussage zum Leuchten gebracht: „Maria stand beim Kreuz Jesu!“ Die Pieta-Darstellung ist manchmal sogar so gestaltet, dass Maria mit ihrem Sohn wirklich das eine Kreuzzeichen bildet (ein Kreuz aus diesen beiden Personen: Jesus und Maria) Dabei erscheint Jesus wie der Querbalken des Kreuzes, Maria wie der Längsbalken des Kreuzes. Wir stehen also mit unserer Liebe zur Schmerzensmutter ganz auf biblischem Boden.

Maria trägt das erlösende Leiden des Heilandes mit.

Maria ist als Schmerzensmutter für die Kirche ein Vorbild.

Maria ist die tragende Kraft im Leiden, wie wir aber auch ihre mitleidende Art

fortsetzen sollen.

Maria dürfen wir getrost die „Miterlöserin“ nennen. Ich weiß, dass man auch in katholischen Kreisen diesen Titel nicht so gerne hört. Jedenfalls – in rechter Zuordnung zum einzigen Erlöser und Heiland Jesus Christus, aber durchaus angebracht, berechtigt, ja sogar konsequent und logisch. Dass Maria beim Kreuze Jesu stand, ist mehr als nur eine historische Angabe. Mit diesem Satz will der Evangelist sagen: Maria hat sich ganz dem Werk des Erlösers, ihres Sohnes, zur Verfügung gestellt. Seit ihrem Ja-Wort in Nazareth zur Menschwerdung des Gottes-Sohnes hat sie ihr ganzes Leben auf Jesus und seinen Auftrag ausgerichtet. Und von Anfang an war ihr bewusst und wurde ihr durch das prophetische Wort des greisen Simeons im Tempel bewusst gemacht: „Auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen!“ Die Schrift und die gläubige Meditation Mariens benennt sieben Schmerzen, also sieben Begebenheiten, in der ihr bewusstes Mitgehen mit Jesus überdeutlich wird, eine Teilnahme an seinem Weg zum Kreuz gewesen ist. Dabei geht es nicht um eine exakte Zahl, wenn sieben Schmerzen betrachtet werden, sondern die Zahl sieben ist auch hier die Symbolzahl für die Grundgestalt der Ereignisse. Maria hat den Erlöser im Schoß und im Herzen getragen, mitgetragen bis zur Pieta-Situation. Hat Jesus ihre Mitwirkung gebraucht? Hat Jesus ihre Mitwirkung gewollt? Natürlich wollte Gott die freie Mitwirkung Mariens. Gott zwingt keinen Menschen. Sie sollte wie die neue Eva neben dem neuen Adam sein. Maria sollte den alten Namen Eva, „Mutter aller Lebendigen“ (Gen. 3, 20) mit neuem Inhalt füllen. Darum spricht Jesus sie auch sterbend mit „Frau“ an: „Frau, siehe deinen Sohn. Sohn, siehe deine Mutter“. Die Schmerzen Mariens gehören zum Menschlichen, was in Jesus, in seinem Leiden ganz aufgeopfert hat. Sie hat gleichsam als Erste getan und erfüllt, was der heiligen Paulus von seinem Leiden und seinem Opferleben sagte: „Ich ergänze mit meinem irdischen Leibe, was an den leiden Christi noch fehlt“ (Kol. 1, 24). Sie hat es getan in der Kraft des Geistes. Darum steht sie beim Kreuz, darum wird sie ein Kreuzzeichen mit ihm in der Pieta-Darstellung.

Maria wird als Schmerzensmutter zum Leitbild für die Kirche. Wer die Pieta, die Schmerzensmutter, mit dem Sohn auf ihrem Schoß sieht, sieht, was die Kirche ist, sein soll, sein will. Das eigentliche Wesen und das Tun der Kirche wird uns in einer Schmerzensmutter vor Augen gestellt und sichtbar gemacht. Die Kirche ist bis zum Ende der Tage da, der Welt den Erlöser zu zeigen. Das ist das Geheimnis der Kirche. Sie ist eine marianische Gestalt. Und sie kann nichts Besseres tun als der Welt diesen Heiland zu zeigen: mit seiner Herzenswunde, seinen Wunden an Händen und Füßen. „Wir aber predigen Christus, und zwar den Gekreuzigten“ sagt der heilige Paulus. Das ist der bleibende Auftrag für die Kirche: Den Heiland in seiner Hingabe für uns zu zeigen, in seiner Hingabe bis zum Äußersten. Und in diesem Sohn zeigt sie auf Gott, der so sehr die Welt geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn für sie dahingab, damit die Welt gerettet werde. Die Kirche übernimmt die Aufgabe, Maria besonders, wenn sie die Eucharistie feiert, wenn sie das Wort von der Liebe Gottes kündet. Darum ist das Bild der Schmerzensmutter mit dem Sohn auf ihrem Schoß das eigentliche Kirchenbild, das wir haben sollen. Die Kirche ist mehr als nur eine gesellschaftliche Wirklichkeit. Man verkennt die Kirche, eine Pfarrei, einen kirchlichen Verband, total, wenn man sie neben die vielen staatlichen, gesellschaftlichen Gruppen stellt. Vielleicht sollten wir wirklich mehr das Kirchenbild einer Dichterin, der Dichterin Gertrud von le Fort, mehr und mehr verinnerlichen. Sie lässt die Kirche sprechen und lässt sie sagen. Sie schreibt in ihren Hymnen an die Kirche: „Ich bin aus Leiden geboren, ich bin aufgeblüht aus fünf heiligen Wunden. Ich lebe aus dem Leid, ich bin eine Kraft aus dem Leid, ich bin eine Herzlichkeit aus dem Leid“. Und an einer anderen Stelle sagt die hellsichtige Dichterin: „Keiner, der dich fahren lässt, hat dich erfahren“. Natürlich muss die Kirche viele Aufgaben erfüllen. Sie muss helfen, lehren, trösten und dem Leben Sinn geben. Aber das Entscheidende, wofür die Kirche da ist, ist das Bild der Pieta. „Sie muss der Welt den Heiland zeigen!“

Die Kirche – sind wir! Liebe Schwestern und Brüder!„Wir sind die Kirche“ – dieser Ruf klingt noch in unseren Ohren und ist durchaus berechtigt und richtig. Aber, nach dem eben gefragten, wäre ich etwas zurückhaltender, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Sind wir wirklich Kirche im Sinne der Darstellung einer Pieta – der schmerzhaften Mutter Gottes? Wir sollen es sein und können es auch sein. Dort sind wir wirklich rechte Mitglieder unserer Maria-Schmerz-Bruderschaft, wenn wir mit liebendem, marianischem Blick auf Jesus schauen. Auf Jesus, wie er sich uns ganz hingibt. Und wir tun es ja auch, wenn wir auf Jesus schauen in der hl. Hostie, in der Eucharistie, vor der Monstranz. Maria schaut in allen Pieta-Darstellungen auf den gemarterten, hingegebenen Leib des Erlösers. Verpflichten wir uns heute an der Jahrfeier, so wie Maria auf Jesus zu schauen. In der Mitfeier der Eucharistie, in der Anbetung des Herrn. Wer auf diesen Jesus von Golgotha schaut, schaut zugleich auf die Wirklichkeit dieser Welt mit ihrer Grausamkeit, Unmenschlichkeit und Gottvergessenheit unserer Zeit, er schaut auf die heiligen Wunden und sieht, wie die Welt auch heute mit den Heiligen, mit den Menschen umgeht. Jesus, der Gekreuzigte, ist ein Sinnbild einer Welt, die von den Mächten des Bösen grausam zugerichtet wird. Aber er schaut noch mehr auf die Liebe des Sohnes Gottes, der sich freiwillig dem Bösen gestellt hat und eben allen Hass durch Liebe besiegt hat. Er schaut in das Antlitz Gottes, der so die Welt richtet, indem er sie rettet mit dem Blute des Eingeborenen. Verpflichten wir uns, von der Art Mariens zu lernen: Sie hat sicher auch in dieser Stunde des Leidens gebetet, gesagt: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort.“ Sagen wir auch in unserem Alltag die Bitte des Vater Unser mit marianischer Gottesliebe: „Dein Wille geschehe – wie im Himmel so auch auf Erden, in meinem Leben.“ Dann werden wir den Menschen wirklich mit der Kirche, mit Maria, das wahre Gesicht Gottes zeigen und Kirche sein.

Liebe Schwestern und Brüder!

An einer anderen Stelle der Hymnen an die Kirche sagt die Dichterin: „Ich bin die Straße aller Straßen. Auf mir ziehen die Jahrtausende zu Gott!“. Bleiben wir gerade als Bruderschaft auf diesem Weg.

(4006/1345)