Vor allem wegen der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Exerzitienhaus Himmelspforten vom 11. bis 14. Februar war im letzten Monat Würzburg und die katholische Kirche in aller Munde. Der Rücktritt Kardinal Lehmanns vom Amt des Vorsitzenden und die angekündigte Wahl seines Nachfolgers gleich zu Beginn der Vollversammlung hatte ein riesiges Medieninteresse ausgelöst. Ich möchte auf einige Ergebnisse dieser Vollversammlung eingehen und Stellung nehmen:
● zur Wahl des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz,
● zum Studienteil, der sich dem Thema Ehe und Familie widmete und
● zur Diskussion über das Stammzellengesetz .
Als Allererstes ist es mir ein Anliegen, Karl Kardinal Lehmann für sein Wirken in über 20 Jahren an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz aufrichtig zu danken. Ihm gelang es immer wieder neu, Impulse zu geben, Themen zu setzen, Krisen zu bewältigen, auseinander Strebendes zusammenzuführen, Enttäuschungen weg zu stecken und vor allem die katholisches Kirche in Deutschland glaubwürdig in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Diese Glaubwürdigkeit und Offenheit machten ihn zu einem begehrten, wenn auch nicht immer bequemen Gesprächspartner bei Repräsentanten von Politik und Gesellschaft.
Unvergessen für immer wird sein konsequentes und leidenschaftliches Eintreten für den Schutz des menschlichen Lebens von Anfang an bis zu seinem natürlichen Ende in Erinnerung bleiben.
Die Wahl von Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg zu seinem Nachfolger war besonders für viele säkulare Pressevertreter eine Riesenüberraschung, man hatte ein anderes Ergebnis erwartet.
Ich schließe mich dem an, was unser Bischof und viele andere Bischöfe direkt nach der Wahl in Interviews geäußert hatten: Die Bischöfe haben eine gute Wahl getroffen. Für manche irritierend und vorschnellen Widerspruch herausfordernd waren einige Äußerungen des neuen Vorsitzenden zu Fragen des Zölibats, des Amtes und des Kirchenverständnisses.
Das kam daher, weil sie nicht den gesamten Inhalt des entsprechenden Interviews gelesen, sondern nur verkürzende und reißerische Überschriften im Blick hatten. Auf die Frage nach dem Zölibat antwortete nämlich Erzbischof Zollitsch: „Sie werden verstehen, dass jemand, der lange in der Priesterausbildung tätig und später Personalreferent war, viel über diese Frage nachdenkt. Einerseits ist die Ehelosigkeit des Priesters ein großes Geschenk für unsere Kirche. Es ist immer wieder die Entscheidung, die Herausforderung: Ist Gott die Realität, für die ich alles auf diese Karte setze? Ohne die Verbindung zwischen Priesterweihe und Ehelosigkeit würden wahrscheinlich nur sehr wenige mit diesem Ernst darüber nachdenken.“
Und auf weitere Nachfragen antwortete er, die Zölibatsverpflichtung im Sinne einer Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit sei theologisch nicht notwendig, aber als eine Angelegenheit der Weltkirche könne eine Änderung nur durch ein neues Konzilerfolgen.
Jedenfalls freue ich mich, wenn Erzbischof Zollitsch Offenheit ausstrahlt und sagt:
● „Begriffe wie Gebärmaschine oder Herdprämie gehören nicht zu meinem Wortschatz und machen jede Diskussion im Ansatz kaputt;“
● „wir in Deutschland haben nicht den Mut zu zeigen, dass Religion und Glaube selbstverständlich zum Leben gehören. Muslime beten ohne Scheu. Ich hoffe, dass uns das auch mal wieder gelingt;“
● „wir sind an den Frauen als Seelsorgerinnen interessiert, weil es im Blick auf die Gemeindewirklichkeit eine großartige Ergänzung ist, wenn eine Frau Pastoral- oder Gemeindereferentin ist;“
● „ich werbe in der Ökumene für die Rückkehr zu einer christlichen Grundhaltung im Umgang miteinander. Mein Motto dafür: Ich bin dem anderen gegenüber wohlwollend und will mit ihm nicht als Feind umgehen, sondern ich sehe in ihm den Glaubensbruder in Jesus Christus – mit dem ich nur nicht ganz eins sein kann.“
Optimistisch stimmt mich auch, was die Vorsitzende des Diözesanrats Freiburg, Frau Christel Ruppert, in der dortigen Kirchenzeitung schrieb: „Den Blick nach vorne gerichtet, ist er am Machbaren orientiert und gleichzeitig bereit, völlig neue Wege zu suchen und einzuschlagen. Er arbeitet mit allen Kräften in der Diözese zusammen, bezieht Kleriker und Laien, Haupt- und Ehrenamtliche in die Beratungen mit ein, er geht offen und unkompliziert auf Menschen zu. Bezeichnend für ihn ist die wertschätzende, konstruktive und effiziente Zusammenarbeit mit den Räten. Er hört genau zu, führt unterschiedliche Meinungen zusammen, kann ausgleichen, vermitteln, integrieren – aber als kritischer Gesprächspartner auch den eigenen Standpunkt deutlich vertreten. Thematisch heiße Eisen sind für ihn kein Problem. Robert Zollitsch ist dem Geist des II. Vaticanum verpflichtet; ein wesentliches Anliegen ist ihm die in Baden sprichwörtlich gute Ökumene weiter voranzubringen.“
Nun noch die zwei anderen oben angesprochenen Themen, mit denen sich die Bischöfe beschäftigten, und die uns alle substantiell angehen.
1. Thema eines ganztägigen Studientages war Ehe und Familie.
Dabei erfolgte eine Bestandsaufnahme der Situation von Ehe und Familie in Deutschland aus empirisch-familiensoziologischer Perspektive, wurden zentrale Aspekte des christlichen Ehe- und Familienverständnisses ins Bewusstsein gerückt, und der Zusammenhang von rechtlicher Normierung durch den Staat einerseits und christlicher Prägung von Ehe und Familie andererseits betrachtet.
Dankenswerterweise stellten die Bischöfe im Blick nach vorne in der Aussprache realistisch fest:
● Die gesellschaftliche und theologisch-kirchliche Bedeutung der Ehe und ihre innere Verbindung mit der Familie ist in der kirchlichen Verkündigung und auch in der theologischen Ausbildung stärker herauszustellen und zu berücksichtigen;
● ein zentrales Thema bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit der auch die Fragen der familiären Rollenverteilung und auch der außerfamiliären Kinderbetreuung und Erziehung verknüpft sind;
● dabei ist eine Stärkung echter Wahlfreiheit unerlässlich;
● daraus erwachsen Anforderungen an Staat und Kirche, aber auch an die Wirtschaft, insbesondere was die familienfreundlichere Gestaltung von Arbeitsplätzen anbelangt.
2. Zeitgleich mit der Bischofskonferenz befasste sich der Deutsche Bundestag in erster Lesung mit den vier Gruppenanträgen zum „Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“, dem Stammzellgesetz aus dem Jahr 2002.
In dieser Diskussion muss uns immer bewusst sein:
● Es geht bei der Diskussion um die Verschiebung des Stichtages im Rahmen des Gesetzes nicht um eine Terminfrage, es geht um die Grundsatzentscheidung, ob man menschliches Leben zu Forschungszwecken töten darf.
● Entscheidend sind nämlich nicht die Ziele und möglichen Ergebnisses einer Forschung an Stammzellen, entscheidend ist, dass zur Herstellung dieser Zelllinien Embryonen getötet, „verbraucht“ werden müssen, und dies ist immer eine grundlegende Verletzung der Integrität des Embryos und seines Lebensrechtes.
Ich appelliere an uns alle, in dieser Diskussion uneingeschränkt hinter unseren Bischöfen zu stehen und ihnen den Rücken zu stärken. Ein klares Nein zur Stichtagsverschiebung darf nicht als therapiefeindlich eingestuft werden, schließlich geht es um die Sensibilität für das Leben, seine Würde und sein Recht, vor allem um die Rettung des menschlichen Lebens schon am Anfang. Die Tötung embryonaler Menschen kann und darf nicht Mittel und Voraussetzung für eine Therapie anderer Menschen sein.
Andererseits ist es erfreulich, wenn die Forschung – insbesondere im Bereich der adulten Stammzellforschung und der ganz neuen Ansätze der Reprogrammierung von Körperzellen durch Retroviren – zu neuen und hilfreichen Einsichten kommt. Die letzten Wochen haben sehr aufschlussreiche Ergebnisse an den Tag gebracht, die Folgen für die zukünftige Forschungsförderung haben sollten.
Ich denke, im Hinblick auf diese Diskussion ist die Grundthematik der ökumenischen „Woche für das Leben“ in den Jahren 2008 bis 2010 gut gewählt: „Gesund oder krank – von Gott geliebt“. Und das Jahresthema „Gesundheit – höchstes Gut?“ trifft es noch präziser. Übrigens findet große Eröffnung der diesjährigen „Woche für das Leben“ (5. - 12. April 2008) am Samstag, den 5. April in hochkarätiger Besetzung hier in Würzburg in unserem Dom und um den Dom herum statt.
In meinem Bericht muss ein Thema unbedingt angesprochen werden, das auch unsere Glaubwürdigkeit betrifft, nämlich Klimawandel/Klimaschutz. Im Expertentext der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel „Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit“ bezeichnen die Bischöfe den Klimawandel als „die gegenwärtig wohl umfassendste Gefährdung der Lebensgrundlagen der heutigen und kommenden Generationen sowie der außermenschlichen Natur ..... und damit eine ernste Herausforderung für die Schöpfungsverantwortung.“
Weiterhin macht die Verlautbarung auf den Zusammenhang aufmerksam, dass die armen Länder, also die Ärmsten der Menschheitsfamilie, am stärksten die Folgen des Klimawandels zu tragen haben, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Damit wird der Klimawandel „ein grundlegendes Problem der globalen Gerechtigkeit.“
Ähnlich drückt es der neue Friedensnobelpreisträger Al Gore aus: „Die Klimakrise ist kein politisches Thema, sondern eine moralische und geistige Herausforderung für die gesamte Menschheit.“
Und ich erinnere daran: Am 11. Januar 2007 unterzeichneten die bayerischen Bistümer, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und die Staatsregierung die Bayerische Klimaallianz. Darin erklären sie: „Eine nachhaltige Entwicklung ist aus Solidarität mit den heute lebenden und zukünftigen Generationen und aus Verantwortung für die Schöpfung insgesamt unverzichtbar. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung nimmt Staat, Gesellschaft und jeden Einzelnen in die Pflicht.“ Weiter stellt die Grundsatzerklärung fest:
„Dem Klimawandel entgegen zu wirken, ist daher ein sittliches Gebot, das sich aus der Verantwortung für das eigene Handeln und der Sorge um die heute lebenden und die zukünftigen Generationen herleitet.“ Staat und Kirchen bekennen sich dazu, in Zukunft mit gutem Beispiel voranzugehen, um so als Vorbild für die Menschen zu wirken, z.B. durch energetische Optimierung der eigenen Liegenschaften, durch Maßnahmen zur Energieeinsparung und durch verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien.“
Für den Diözesanrat befasst sich der Sachausschuss „Bewahrung der Schöpfung“ intensiv mit diesem Thema und bringt die entsprechenden Vorstellungen künftig auch in den „Arbeitskreis Klimaschutz“ der Diözese ein. Ich möchte einige der bisher formulierten Konsequenzen zitieren:
● Das Thema nachhaltiger Lebensstil und Klimaschutz soll in der Verkündigung fest verankert sein.
● Für Einrichtungen der Diözese soll ein Einsparziel festgelegt werden.
● Für die Fortbildung von Verantwortlichen in den diözesanen Einrichtungen kann die Kompetenz der kirchlichen Umweltberater genutzt werden.
● Wünschenswert ist die Einrichtung eines Energiesparfonds durch die Diözesanleitung, aus dem kirchliche Einrichtungen und Pfarrgemeinden bei der Umsetzung von Einsparmaßnahmen bezuschusst werden können.
● Außerdem sind die Förderung erneuerbarer Energien, Umweltbewusstsein im Verkehr und die umweltschonenden Maßnahmen beim Bauen und Renovieren in den Blick zu nehmen und zu fördern.
Lassen Sie mich noch einmal auf unsere letzte Vollversammlung zurückkommen, und das gleichzeitig mit einer Bitte verbinden. Wir hatten das Thema „Benachteiligte Jugendliche“ und deren Situation sowie Möglichkeiten von Solidarität mit ihnen aufgegriffen. Wie aktuell und brennend das Thema ist, zeigte sich z.B. bei der Themensetzung in Wahlkämpfen der letzten Monate. Dabei wurde es auf populistische Weise mit der alleinigen Focusierung auf die Jugendkriminalität missbraucht.
Ganz anders, nämlich differenziert, mit Substanz und in die Zukunft weisend, geht unser Diözesancaritasverband das gleiche Thema an. Er hat sein Jahresthema griffig formuliert :„Achten statt ächten“.
Er setzt sich für Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen ein; denn benachteiligte Jugendliche können ihr Leben bewältigen, wenn sie dazu befähigt werden. Doch Befähigung ist nicht nur ein individueller Vorgang, sondern nötig ist die Bereitstellung gesellschaftlicher Chancen. Auch dafür steht Caritas und braucht dazu Partner und Wegbegleiter. So schreibt der Caritasverband in seiner Begründung.
Ich fordere uns alle auf, seien wir Partner und Wegbegleiter, greifen wir das Thema differenziert auf in unseren Dekanatsräten, in den Pfarrgemeinderäten, Verbänden und Gruppen. Dann werden wir unserer Verantwortung für die Jugendlichen und auch für die Zukunft gerecht.
Hinweisen möchte ich ganz am Schluss auf zwei besondere Geburtstage. Am 18. März vollendet unser Weihbischof Helmut Bauer sein 75. und am 6. April unser emeritierter Diözesanbischof Paul-Werner Scheele sein 80. Lebensjahr. Beide werden noch zu gegebener Zeit gratuliert. Ich möchte es aber nicht versäumen, ihnen schon heute, bei der Vollversammlung des Diözesanrates, für ihren bischöflichen Dienst und ihr unermüdliches uns segensreiches Wirken in unserem Bistum ganz herzlich zu danken und ein ehrliches „Vergelt's Gott“ zu sagen.
Gefeiert werden diese Geburtstage am Ostermontag (24.03.) um 16 Uhr und am 3. Ostersonntag (06.04.) um 10 Uhr jeweils mit einem Pontifikalamt im Dom mit anschließender Begegnung im Kreuzgang. Ich denke, Viele von uns werden diese Möglichkeiten zur persönlichen Gratulation nutzen.