Es war ein Kraftakt, der sich aus Sicht von Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran gelohnt hat: Bei der Jahrespressekonferenz Ende Januar kündigte Bischof Dr. Franz Jung Informationsveranstaltungen zu den Themen Prävention und Intervention in allen neun Dekanaten an. Unter dem Motto „Gemeinsam für eine sichere Kirche“ tourten Generalvikar Vorndran, Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller und Präventionsbeauftragter Michael Biermeier durchs Bistum: Am Nachmittag waren jeweils alle Hauptamtlichen aus den Pastoralen Räumen zur Teilnahme verpflichtet, am Abend waren dann die Ehrenamtlichen eingeladen. 774 Haupt- und 664 Ehrenamtliche kamen insgesamt und tauschten sich über den Umgang mit sexualisierter Gewalt aus.
„Sprechen über sexualisierte Gewalt darf nirgends Tabu sein“
Generalvikar Vorndran ist nach eigenen Worten dankbar für die Ernsthaftigkeit und Loyalität bei den Terminen: Niemand habe sich des Themas verweigert. „Besonders hat mich beeindruckt, wie viele Ehrenamtliche so kurzfristig gekommen sind.“ Sein Ziel sei es gewesen, noch mehr Menschen für das Thema zu sensibilisieren. „Das Sprechen über sexualisierte Gewalt darf nirgends im Bistum ein Tabu sein“, lautet sein Appell. Die Reaktionen hätten ihm gezeigt, dass diese Botschaft auch angekommen sei. Teilnehmer hätten das offene Gespräch mit der Bistumsleitung als Zeichen gelobt, dass die „Zeit der Vertuschung im Bistum Würzburg lange vorbei ist“. Wertschätzung habe es für die klare Sprache und die klaren Inhalte gegeben.
Die 18 Veranstaltungen mit insgesamt 1438 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollen laut Generalvikar „einen fruchtbaren Boden bereiten, damit das Gutachten wirksam werden und eine Fortentwicklung anstoßen kann“. Vorndran betonte bei allen Abenden, dass das Bistum Würzburg eines der ersten Bistümer sei, in dem es ein völlig unabhängiges „Gutachten über die Bestandsaufnahme und Aufarbeitung von Fällen des sexuellen Missbrauchs“ gibt. Auftraggeber ist die „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg“, kurz UKAM.
Betroffene entscheiden mit
Die Kommission wurde im Dezember 2020 auf Grundlage der gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz eingerichtet. Ihr gehören unter anderem Juristen, Ärzte und Mitglieder des Betroffenenbeirats an. Vorsitzende ist Prof. Dr. Anja Amend-Traut, Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Würzburg. Die Ergebnisse des Gutachtens werden am 8. April veröffentlicht.
In einem Informationsschreiben ermutigt Generalvikar Vorndran alle Christinnen und Christen im Bistum, sich mit den Ergebnissen des Gutachtens auseinanderzusetzen. Insbesondere erwartet der Generalvikar vom Gutachten konkrete Handlungsempfehlungen. Sobald weitere Schritte feststehen, werde er erneut möglichst viele Engagierte im Bistum informieren, kündigt Vorndran an.
Kerstin Schüller ist Interventionsbeauftragte
Die Bereiche Intervention und Prävention sind laut Generalvikar „zentrale Fachbereiche mit klaren Zuständigkeiten und direkter Unterstützung der Bistumsleitung“. Interventionsbeauftragte ist Kerstin Schüller, Präventionsbeauftragter Michael Biermeier. Zur Stabsstelle gehören Laura Beckers als Fachreferentin sexualisierte Gewalt und Verwaltungsangestellte Nicole Zehnter. Bei Verdachtsfällen ist Schüller besonders wichtig, Betroffene und Meldende ins Verfahren einzubeziehen. „Wir geben ihnen alle Informationen, die sie brauchen“, betont Schüller. Betroffene sollten nach der Traumatisierung durch die Taten nicht erneut ein Gefühl der Ohnmacht durchleiden müssen.
Neben dem Kontakt zu Betroffenen – bei Kindern zu den Sorgeberechtigten – werde immer auch Kontakt zur zuständigen Staatsanwaltschaft aufgenommen. „Nur so können wir garantieren, dass keine Vertuschung mehr möglich ist.“ Die Staatsanwaltschaften als externe Stellen hätten nicht nur weitergehende rechtliche Möglichkeiten, sondern könnten die Fälle auch strafrechtlich bewerten. „Wir selbst geben grundsätzliche keine strafrechtliche Einschätzung ab“, betont Schüller.
207 Schulungen im Jahr 2024
Auch für den Umgang mit Beschuldigten gebe es klare Vorgaben, die mit Staatsanwaltschaft und Bistumsleitung abgestimmt seien. Wichtig sei dabei vor Ort immer eine transparente und offene Kommunikation, soweit es der Schutz der Privatsphäre zulasse. Dazu gehöre auch, dass die Person bestmöglich rehabilitiert wird, wenn ein Verdacht unbegründet war.
Damit es zu möglichst wenigen Fällen sexualisierter Gewalt kommt, baut die Diözese Würzburg die Präventionsarbeit seit Jahren immer weiter auf: 53 Präventionsberater und -beraterinnen gibt es laut Michael Biermeier aktuell schon im Bistum. Für die diesjährige Ausbildung habe er 13 weitere Anmeldungen. Im vergangenen Jahr wurden bei 207 Schulungen insgesamt 3095 Ehren- und Hauptamtliche für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisiert.
Ständige Verbesserungen
Wichtig ist Biermeier auch, dass die Präventionsarbeit stetig verbessert wird. Inhaltlich rücke zum Beispiel das Thema sexualisierte Gewalt in digitalen Medien immer mehr in den Fokus. Methodisch sei ein Ziel, die Beispiele aus den Kursen und die Hilfestellungen noch besser auf die jeweiligen Zielgruppen anzupassen.
Biermeier freut sich, dass sich die hohe Qualität der Präventionsarbeit im Bistum Würzburg bereits über die katholischen Gemeinden hinaus herumspricht: Er habe zum Beispiel Anfragen von Orden, von Feuerwehren, Vereinen und Kommunen, die Schulungskonzepte dorthin zu übertragen. Die Tour durch die Dekanate sei hilfreich gewesen: „In persönlichen Gesprächen kann man noch direkter um Verständnis für unser Vorgehen werben.“l
Achten Sie auf sich!
Wenn Sie selbst oder Menschen in Ihrem Umfeld sexualisierte Gewalt erlebt haben und Sie die Berichterstattung darüber belastet, holen Sie sich bitte Hilfe.Für Betroffene von sexualisierter Gewalt hat das Bistum Würzburg folgende Informations- und Anlaufstellen eingerichtet:
Externe Ansprechperson ist Prof. Alexander Schraml, Telefon 0151 21265746. Die Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Telefon 0931 386-69000, bietet eine Erstinformation. Interventionsbeauftragte im Bistum Würzburg ist Kerstin Schüller, Telefon 0931 386-10004, Mail intervention@bistum-wuerzburg.de.
Zu den staatlichen Beratungsstellen zählt die Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt, Telefon 089 88988922. Rund um die Uhr erreichbar sind der psychosoziale Krisendienst in Bayern unter 0800 6553000 und die Notruf-Zentrale der Polizei unter 110.
Mehr zum Thema finden Sie auf der Seite www.bistum-wuerzburg.de/bistum/praevention-und-intervention