Würzburg (POW) Mit angstverzerrtem Gesicht liegen der Tiara tragende Papst und der Kaiser mit seiner mächtigen Krone auf dem Boden. Über ihnen stehen, jeweils mit Schwert in der Hand, Engel und holen zum Schlag aus: Es sind Details wie dieses, die zeigen, dass Albrecht Dürer seinen Holzschnittzyklus zur Apokalypse in einer Zeit des Umbruchs schuf, wenige Jahre nach seiner Italienreise 1494/95. „Apokalypse ist die Chiffre schlechthin für Schrecken“, betonte Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, Bau- und Kunstreferent der Diözese Würzburg, am Donnerstag, 30. September, bei einer Presseführung durch die Sonderausstellung „Apocalipsis. Grafische Apokalypsen“, die das Würzburger Museum am Dom im Rahmen des Projekts „Endspiel. Würzburger Apokalypse 2010“ von 1. Oktober bis 21. November in einer Sonderausstellung zeigt.
Das Thema Apokalpyse habe immer dann in der Kunst breiten Raum eingenommen, wenn Menschen die Erfahrung von Brüchigkeit und Hohlheit absolut gesetzter Systeme gemacht hätten. „Das ist zu Zeiten der Entstehung der Bamberger Apokalypse um das Jahr 1000, die im Sankt Burkardus-Haus ausgestellt ist, genauso der Fall gewesen wie bei Dürer oder den Künstlern des 20. Jahrhunderts“, betonte der Kunstreferent. Dürers Originalblätter aus den Sammlungen des Zisterzienserstiftes Stams in Österreich offenbaren dem Betrachter, dass Dürer durchaus eine sozial- und kirchenkritische Botschaft transportierte. „Seine Apokalypse zeigt deutlich: Es gärt und rumort“, erläuterte Lenssen.
Den stilbildenden Dürer‘schen Blättern, bei denen erstmals Renaissance-Elemente wie Landschaften einfließen, sind Grafiken von Künstlern des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt, die deren Auseinandersetzung mit den Kriegen und Katastrophen ihrer Zeit reflektieren. Michael Koller, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kunstreferats, musste kurzfristig als Kurator der Ausstellung einspringen und hat die zeitgenössischen Grafiken in der großen Halle im Untergeschoß des Museums so postiert, dass sie jeweils ein nahezu intimes Umfeld haben und gut zur Geltung kommen.
Gezeigt werden unter anderem sechs Lithographien des Impressionisten Lovis Corinth aus dem Kriegsjahr 1916, zwei Holzschnitte von Ernst Barlach von 1919 und sechs Lithographien von Max Beckmann (1943). Der Zyklus des Belgiers Frans Masereel geht auf Zeichnungen aus den Jahren 1940 bis 1944 zurück und wurde 1953 als Lithographien gedruckt.
Im Gegensatz zu den biblisch inspirierten Werken zur Offenbarung des Johannes zeigen Masereels Grafiken den vom Künstler erlebten Schrecken. Wie ein einziger, schreiender Friedensappell wirken die insgesamt 25 Zeichnungen: Die Flugzeuge, die sich mit ihren überdimensionalen Propellern förmlich durch eine gesichtslose Masse von Flüchtenden fräsen, tragen menschliche Gesichtszüge. Bei einem anderen Bild ist der Globus von Menschen bedeckt, die wie Gekreuzigte die Arme von sich strecken, ein in kräftigem Schwarz gezeichnetes Kreuz unterstreicht die Todesstimmung auf dem Planeten.
Daneben sind Blätter von Karl Rössing und vom Würzburger Künstler Curd Lessig zu sehen. Eine Neuentdeckung sind die zweifarbigen Holzschnitte von Heinrich Gerhard Bücker aus dem Jahre 1969, die durch ihre Reduktion besonders intensiv auf den Betrachter wirken. „Die Ausstellung reflektiert auf hohem Niveau die Auseinandersetzung von Albrecht Dürer sowie Künstlern der Moderne mit dem Thema des Textes der Geheimen Offenbarung des Johannes und gehört sicherlich zu den Höhepunkten des Veranstaltungsjahres“, betonte Lenssen.
(4010/1213; E-Mail voraus)
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