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„DenkMal! Bedenkt die gegenwärtige Zeit. Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am 1. Mai 2009 im Altenberger Dom bei der Jugendmesse mit Segnung und Austeilung des Altenberger Lichtes

Liebe Freunde des Altenberger Lichtes, liebe Schwestern und Brüder!

Dieser Zisterzienserdom und die Altenberger Madonna gehören untrennbar zusammen. Sie sind gleichsam das ‚Herz des Bundes’ der katholischen Jugend in Deutschland. Heute, zu Beginn des Marienmonats Mai, dürfen wir wieder das Altenberger Licht aus diesem Dom mitnehmen und weiter tragen. Diese Aktion entstand nach den Gräueln der Nationalsozialisten und den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Man war wach geworden. Die katholische Jugend, die schon in der Zeit des Nationalsozialismus mutig den Glauben bekannt hatte, wollte engagiert an einer gerechteren Welt mitarbeiten.

1950 wurde zum ersten Mal das Altenberger Licht als Zeichen für Versöhnung und Frieden für Europa in die Welt hinausgetragen: dann in das Kölner Stadion anlässlich der Seligsprechung von Edith Stein, zum Katholikentag in Berlin und Dresden, nach Tschenstochau und Auschwitz, in die Flüchtlingslager in Albanien zu den deutschen Soldaten im Friedenseinsatz für das Kosovo, zum Weltjugendtag nach Paris, Rom und Köln, zum nationalen Jugendtag nach Litauen und in das Heilige Land.

Nur zweimal machte dieses Licht die umgekehrte Reise nach Altenberg: 1993 im Rahmen eines ‚Hoffnungsfestes’ von Litauen in den Altenberger Dom und 2006 vom Petrusgrab in Rom, wo es während der Karwoche entzündet wurde.

„DenkMal! Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“ – so lautet das diesjährige Motto.

Wir alle haben wohl schon einmal verschlafen. Wie erschreckt, wacht man – noch soeben benommen – auf. Ich habe mich gefreut, als mein früherer ‚Chef’ in Köln, Dompfarrer Kleff einmal verschlafen hatte, als wir früh um 6.30 Uhr im Beichtstuhl sitzen sollten. Er konnte es nicht fassen. Das war ihm in 50 Jahren noch nicht passiert. Ich freute mich aber darüber, weil er damit zeigte, dass er auch nur ‚ein Mensch’ war.

Wir kennen aber wohl auch alle die Situation, wenn man im Schlaf innerhalb eines Traumes aufzuwachen glaubt und sich in Albträumen alle möglichen Horrorszenen des Versäumten einstellen.

Aber alles zu verschlafen, die Welt, die Zeit, den Frühling, die Freunde, die Chancen – ist das nicht mehr als schade? Was versäumen wir nicht alles, was unterlassen wir nicht alles?

Wer schon einmal in den Bergen morgens in aller Herrgottsfrühe aufgestanden ist, um einen ungewöhnlich beeindruckenden Sonnenaufgang zu erleben, der weiß, dass sich die Mühe lohnt! Was aber im Erleben der Natur, im Sport und Fitness schon eine Bedeutung hat, wie viel mehr erst gilt dies für das gesamte Leben!

Der heilige Paulus, der uns in der heutigen Lesung aus dem Römerbrief zuruft: „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“ gibt uns auch eine handfeste Begründung: „Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.“ (Röm 13,11)

Papst Benedikt XVI. hat heuer ein Paulusjahr ausgerufen, weil der Apostel Paulus vor 2000 Jahren geboren wurde und er eine der faszinierendsten Gestalten der Kirche ist. Durch die Christusbegegnung vor Damaskus wurde aus dem Christenverfolger ein glühender Christusnachfolger. Er wurde nicht müde die Frohe Botschaft von der Auferstehung Christi in die ganze damalige bekannte Welt hinauszutragen. Was hat er dafür nicht alles einstecken müssen: Schläge und Folter, Verfolgung und Gefängnis, Spott, Intrigen und Hass. Aber er erlebte auch großen missionarischen Erfolg und Bewunderung – bis heute. Dieser Völkerapostel wusste, dass die Kirche in ihrem Innersten missionarisch ist und sein muss, weil die Frohe Botschaft keinem Menschen vorenthalten werden darf. Jeder hat ein Recht, von der Liebe Gottes und seinen Wegen zu uns zu erfahren.

Die Zisterziensermönche, die vor genau 750 Jahren (1259) den Grundstein zu diesem herrlichen Gotteshaus legten, bauten hier – 25 Kilometer östlich von Köln – im Tal der Dhünn ein Meisterwerk gotischer Architektur. Himmelanstrebend die Pfeiler, deren Kapitelle die Vielfalt des Blattwerks der sie umgebenden Natur aufnahmen; zum Himmel geöffnet die großen Fenster. Der überaus strenge, reformierte Orden verlangte den Mönchen alles ab. Sie durften nicht, wie bei Bischofskirchen, Türme bauen. Sie durften nicht Farbe in den Fenstern verwenden. Sie taten es – wenn auch bis auf das Westfenster – sehr bescheiden. Je länger an diesem ‚Bergischen Dom’ gebaut wurde, desto freizügiger gingen sie mit dieser Regel um. So schenkten sie uns mit dem größten farbigen Fenster der Gotik einen Abglanz des Himmlischen Jerusalem. Zugleich verweist dieses Fenster auf die Wiederkunft Christi und unser Ziel. Mag das stille Tal noch so abgelegen sein, wer den Himmel erspüren will, steht auf, macht sich auf den Weg, überwindet Müdigkeit und Trägheit, nimmt das Ziel seines Lebens in den Blick.

Diese Mönche, die kaum Schlaf kannten, standen sehr früh auf, um hier einen Lichtspalt weit den Himmel zu öffnen. So waren sie bei aller Weltabgeschiedenheit äußerst missionarisch.

Das diesjährige Motto des Altenberger Lichtes greift im Blick auf die katholische Jugend das Denkmal des Altenberger Domes auf und lädt dazu ein. „einmal (nach) zudenken“ (Denk mal!).

Und wir heute? Ist uns vieles nicht zu unbekannt und zu unsicher, um für den Glauben früh aufzustehen? Ist uns manches nicht Wert genug, dafür einen großen missionarischen Einsatz zu bringen?

Ich möchte nur zwei Begegnungen anführen, die ich hier als Weihbischof in der Nähe von Neuss hatte, und die zeigen, was der Glaube ausmacht:

Da war ein zwölfjähriges Mädchen etwa 200 Meter vom Elternhaus vergewaltigt und getötet worden. Die Eltern waren verzweifelt. Die Mutter versteinert. Tröstende Worte drangen nicht in ihr Herz. Beide Elternteile wollten offensichtlich nichts von der Kirche, von der Frohen Botschaft, von einem Leben nach dem Tode, hören. Die Ehe ging auseinander. Der Schmerz war grenzenlos.

Die andere Begegnung fand nur wenige Kilometer entfernt statt. Zwei Kinder einer Familie waren mit der Gemeindereferentin im Zuge der Erstkommunionvorbereitung über Sonntag in ein Jugendhaus gefahren. Dieses brannte am Abend ab. Weil das ältere Mädchen, eine Ministrantin, den jüngeren Bruder im brennenden Haus vermutete, lief sie zurück, um ihn herauszuholen – und verbrannte selbst. Ich glaubte, eine fassungslose Mutter vorzufinden. Aber stattdessen sagte mir diese gläubige Frau: „Es ist schrecklich und völlig unverständlich, was da geschehen ist. Aber ich bin überzeugt: Meine Tochter lebt.“

Die Mutter hatte sogar die Kraft in der Beerdigungsmesse das Lieblingsgebet ihrer Tochter vorzubeten.

Es ist Zeit, vom Schlafe aufzustehen!

Täglich erfahren wir oft erschreckende Nachrichten: Weltwirtschaftskrise und Piraterie, Rassismus und Diskriminierung, hemmungslose Ausbeutung der Menschen und der Natur, Kriminalität und Korruption, Kindesmissbrauch und Vergewaltigung, grenzüberschreitende Genforschung und Genmanipulation, zunehmend offener Kampf gegen die Religion, Benachteiligung und Verfolgung vieler Christen weltweit.

Die heute heftig geführte Wertediskussion kann uns nicht kalt lassen. Wer kennt noch die Kardinaltugenden: Klugheit, Tapferkeit, Maßhalten und Gerechtigkeit? Wer setzt sich dafür ein, dass die Zehn Gebote und die Evangelien Licht in das Dunkel menschlicher Verstrickungen und Sinnsuche bringt?

Wir können uns nicht einfach zurückziehen und die Aufgaben der Zeit verschlafen. Es steht zuviel auf dem Spiel:

Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug, der Schutz der Familie, ein solides Bildungsfundament, Verantwortung für den Klimawandel, die Frohe Botschaft vom Ewigen Leben.

Der Appell des Altenberger Lichtes lautet: „Steht auf vom Schlaf! Packt mit an! Lebt das Christentum konkret. Baut Brücken zu Gott und zum Nächsten!“

Es gilt, hier und heute den Glauben zu leben, das, was ich von Jesus Christus verstanden habe „und sei es auch noch so wenig“, sagte Frère Roger von Taizé, umzusetzen.

Die Altenberger Gottesmutter im himmlischen Strahlenkranz hat es – oft unter Schmerzen auf Erden – getan. Das Altenberger Licht spornt uns dazu an.

Amen.