Würzburg (POW) Die Zeit heilt nicht alle Wunden – Traumatisierung lässt sich nur über den Weg heilsamen Erinnerns verarbeiten. Das haben Lutz-Ulrich Besser, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und der Traumaexperte Alexander Korittko bei einem Vortrags zum Thema „Wege aus Gewalt – Trauma – Dissoziation“ am Mittwoch, 8. November, im Matthias-Ehrenfried-Haus vor rund 100 Teilnehmern betont. Die Veranstaltung des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) machte den Anwesenden deutlich, wie sich Traumatisierung zeigt und wie die damit einhergehende Hilflosigkeit und Ohnmacht das Leben der Betroffenen bestimmt.
„Ob Missbrauch, Kriegserlebnisse oder der Tsunami in Südostasien – nach einem traumatischen Erlebnis ist nichts mehr wie vorher“, sagte Besser. Seine Präsentation erläuterte den Zuhörern, wie sich Traumatisierung in der Persönlichkeit Betroffener zeigt: „Im Gehirn eines Traumatisierten sind alle Schutzfunktionen ausgeblendet: das Bindungssystem ist gestört; weder Flucht noch Kampf sind dem Betroffenen möglich. Er erstarrt förmlich und unterwirft sich der ihm wiederfahrenden Gewalt. Diese Unterwerfung nennt die Psychologie ‚Totstellreflex’.“ Anhand des Beispieles von den brennenden Zwillingstürmen des World-Trade-Centers von New York sagte Besser: „Der Terror in den Köpfen bleibt. Traumatisierte Menschen leiden an einer Veränderung ihrer Gehirnfunktionen. Das lässt sich nicht einfach ignorieren.“ Er rief das anwesende Fachpersonal dazu auf, bewusster mit Betroffenen umzugehen, auf ihre Ängste einzugehen und darauf zu hören, was diese Menschen umtreibt.
Alexander Korittko sprach über die Auswirkungen von Traumata in Familie und Gesellschaft. Wenn solche Störungen nicht besprochen und behandelt werden, dann sei es nicht verwunderlich, wenn Opfer später selbst zu Tätern würden. „Ein für uns und die Gesellschaft normales Denken und Handeln ist für solche Menschen einfach nicht möglich.“ Beide Referenten verwiesen darauf, dass der Traumatisierung in der Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. „Wir müssen aufpassen, dass die tägliche Gewalt nicht ignoriert und irgendwann für uns normal wird, die wir in den Medien, in Schule und anderen alltäglichen Orten erleben. Die Gesellschaft muss hinschauen. Sie darf nicht wegschauen“, sagte Besser.
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