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Die konkrete Sorge um den Menschen – Kernauftrag der Kirche

Beim feierlichen Abendlob in der Stadtpfarrkirche von Bad Königshofen am 25. Jahrestag der Weihe von Diakon Rudi Reuter betonte Domkapitular die Bedeutung des caritativen Wirkens als Grundauftrag der Kirche. „Kirche hat eine Sendung in die Welt, in die Gesellschaft, unter die Menschen“, sagte der Caritasvorsitzende in unserer Diözese und zeigte sich überzeugt: „Die Frage nach Kirche und ihrer Bedeutung für die Welt erübrigt sich, wenn sie sich der Menschen in ihrer jeweiligen Situation annimmt.“

Die Predigt im Wortlaut:

Es war für uns ein besonderes Ereignis, wenn wir als Kinder mit unseren Eltern oder den Familien in der Nachbarschaft bei Deinen Großeltern in der Gastwirtschaft eingekehrt sind. Ich sehe heute noch Opa Georg hinter der Theke stehen und Oma Franziska, wenn sie aus der Küche kam und sich zu den Gästen an den Tisch gesetzt hat. Und als eines Tages Dein Großvater schwer erkrankte und ihm ein Bein amputiert werden musste, dann saß er auch am Tisch und war mit den Leuten im Gespräch.

Das Haus Deiner Vorfahren war der soziale Treffpunkt im Ort. Es gab damals zwar noch einen eigenen Bürgermeister, aber es gab keine Kirche, nur eine Grotte, vor der sich die Menschen zu Andachten trafen. Ansonsten war es die Wirtschaft, in der die Leute zusammenkamen und nicht nur die Neuigkeiten, sondern auch ihre Sorgen und Probleme teilten oder sich Rat holten. Dort wurde zusammen getrauert, aber auch gefeiert.

Dieses uralte Kommunikationsmodell ist weitgehend aus der Landschaft verschwunden, und gerade jetzt entdecken wir, wie wichtig es ist, dass Menschen zusammenkommen können.

Genau darin liegt heute ein wichtiger Auftrag an uns als Kirche: Menschen zusammenzubringen, den Blick und mehr noch das Herz füreinander zu weiten und Verbindungen zu schaffen und so das Netz des Interesses aneinander, der Sympathie, der Hilfsbereitschaft, der Solidarität zu verdichten. Durch dieses Tun geben wir Zeugnis für die Frohe Botschaft Jesu und die darin bezeugte Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit Gottes.

Professor Zerfaß hat uns an der Universität auf die drei Stufen des pastoralen Handelns hingewiesen: Das Interesse an den Menschen, ihrem Leben, was sie bewegt und der absichtsloser Umgang mit ihnen, um ihnen zu helfen. Das ist gerade heute erwähnenswert, wo selbst der soziale Dienst auf den Markt gebracht wurde und zum Geschäftsfeld verkommen ist, und vielfach zuerst geklärt sein muss, was gezahlt wird, bevor eine Leistung erfolgt. Das erleben wir z.B. bei der ambulanten Krankenpflege, wo in dicht besiedelten Orten viele kommerzielle Pflegedienste sich tummeln, während im ländlichen Raum meist nur die Caritas der Kirche unterwegs ist, und kein kommerzieller Anbieter, weil es zu wenig oder nichts zu verdienen gibt.
Die erste Stufe im Modell von Professor Zerfaß ist also der absichtslose Umgang mit den Menschen.

Die zweite Stufe ist dann erreicht, wenn die Menschen plötzlich neugierig werden und wissen wollen: „Warum nimmst du dich meiner an?“ „Warum sorgst du dich um mich?“ So gefragt, können wir dann von unserem Welt- und Menschenbild, von unserer Überzeugung sprechen, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist und wir Verantwortung füreinander haben.

Nachdenkliche Menschen werden dann folgern: „Wenn dein Gott so ist, wie du ihn mir vorlebst, dann will ich mit dir glauben, dann können wir zusammen diesen unseren Glauben feiern.“ Das ist die dritte Stufe.
Die Menschen der ersten Jahrhunderte sind zunächst nicht deshalb auf die Frohe Botschaft aufmerksam geworden, weil die Christen so schöne Gottesdienste gefeiert haben, sondern weil sie sich um das Leben angenommen und gesorgt haben, und weil deutlich wurde: Das geht vom Gottesdienst aus.

Papst Benedikt hat in „Deus caritas est“, „Gott ist die Liebe“, seiner ersten Enzyklika nach seiner Wahl, die Kirche genau daran erinnert. Er schreibt:
„Das Wesen der Kirche drückt sich in einem dreifachen Auftrag aus: Verkündigung von Gottes Wort, Feier der Sakramente und Dienst der Liebe.“ Dazu betont er: „Es sind Aufgaben, die sich gegenseitig bedingen und sich nicht voneinander trennen lassen. Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zu ihrem Wesen, ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst.“

Wenn wir uns nur noch in die binnenkirchlichen Räume zurückziehen und nur noch fromm sind, also beten und kirchliche Kuschelgruppen gestalten, dann sind wir eine Sekte. Kirche dagegen hat eine Sendung in die Welt, in die Gesellschaft, unter die Menschen.

Damit bin ich wieder bei der Gastwirtschaft deiner Großeltern. Wir müssen Räume eröffnen, wo Menschen an- und zusammenkommen können. Wir müssen werdende Eltern, Kinder, Jugendliche, Familien, Menschen mit Behinderungen, Gebrechliche, Schwache, Hilfs- und Pflegebedürftige im Blick haben. Der bekannte Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz äußerte sich so: „Caritas hilft Menschen nicht, weil diese Christen sind, sondern weil sie selbst christlich ist.“ Unser Auftrag sind die Menschen, nicht nur die, denen wir uns verbunden fühlen.

Diese Art der Sendung macht Jesus unmissverständlich deutlich: Nach dem Mahl, so haben wir gehört, stand er auf und wusch den Jüngern die Füße. „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir.“ D.h., erst durch den Dienst aneinander wird die Communio, die Gemeinschaft konkret. Und Jesus betont: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.”

Diesen Auftrag betonen die deutschen Bischöfe in ihrer Schrift „Berufen zur Caritas“. Darin schreiben sie: „Inmitten aller Veränderungsprozesse in unserem Land und in unserer Kirche bilden die vielen Initiativen und Dienste des Liebeshandelns der Kirche ein ‚Netzwerk der helfenden Hände‘ und genauer: ein ‚Netz der Caritas‘ in der deutschen Gesellschaft und über sie hinaus. Dieses Netz fängt viele in Not geratene Menschen auf und hält sie.“

Damit stellen wir die an Gewinn und Profit orientierte Welt auf den Kopf. Aber nur so machen wir deutlich, was unser Auftrag ist, mit dem wir der Welt einen entscheidend wichtigen Dienst leisten.

Lieber Rudi, Deine Begeisterung für die Frohe Botschaft Jesu wurde auch dadurch deutlich, dass Du einen Teil Deines Studiums im Heiligen Land verbracht und Dich dadurch noch intensiver mit SEINEM Wirken auseinandergesetzt hast. Dass Du Dich später auch noch als Diakon in den Dienst hast nehmen lassen, zeigt, dass Dir nicht nur der pastorale Dienst, insbesondere in der Verkündigung, wichtig war, sondern dass Du auch daran mitwirken willst, die Sorge um den Menschen als Kernauftrag der Kirche zu betonen.

In einer syrischen Kirchenordnung aus dem 5. Jahrhundert, die mich seit dem Studium sehr berührt, heißt es: „Wenn der Diakon in einer Stadt tätig ist, die am Meere liegt, soll er sorgsam das Ufer absuchen, ob nicht die Leiche eines Schiffbrüchigen angeschwemmt worden ist. Er soll sie bekleiden und bestatten.“ Das heißt, er nimmt sich selbst der Menschen an, die ihm völlig fremd sind, und schenkt ihnen Wertschätzung und Würde.
Weiter heißt es in diesem Text: „Er ist Ratgeber des ganzen Klerus und so etwas wie das Sinnbild der ganzen Kirche. Er pflegt die Kranken, kümmert sich um die Fremden, ist der Helfer der Witwen. Väterlich nimmt er sich der Waisen an, und geht in den Häusern der Armen aus und ein, um festzustellen, ob es jemand gibt, der in Angst, Krankheit und Not geraten ist. Er geht zu den Katechumenen in ihre Wohnungen, um den Zögernden Mut zu machen und die Unwissenden zu unterrichten. Er bekleidet und ‚schmückt‘ die Verstorbenen, er begräbt die Fremden, er nimmt sich derer an, die ihre Heimat verlassen haben oder aus ihr vertrieben wurden. Er macht der Gemeinde die Namen derer bekannt, die der Hilfe bedürfen.“

Deshalb müssen wir als Kirche heute sehr darauf achten, dass wir uns nicht nur mit uns selbst, unseren Strukturen beschäftigen, und unseren eigentlichen Auftrag verpassen. Die Frage nach Kirche und ihrer Bedeutung für die Welt erübrigt sich, wenn sie sich der Menschen in ihrer jeweiligen Situation annimmt. Noch aber herrscht in unseren Tagen der Eindruck von verwalteter Behörde vor.

An vielen Orten ist erlebbar: Wo Kirche ihren eigentlichen Auftrag umsetzt in der engen Verbindung von ehrenamtlichen und beruflichen Diensten, wo sie gute Angebote für Kinder und junge Familien verantwortet, wo sie Einrichtungen für Menschen mit höherem Förderbedarf oder für Menschen mit Behinderungen unterhält, wo sie Menschen mit Gebrechen und im Alter begleitet und dafür Angebote macht, denen nicht unterstellt werden kann, hier geht es nur darum, Geld zu verdienen, dort wo sie Sterbende und anschließend Trauende begleitet, da wenden sich die Menschen nicht von der Gemeinschaft der Kirche ab.

Papst Franziskus schreibt in „Lumen fidei“, „Licht des Glaubens“: „Die Hände des Glaubens erheben sich zum Himmel, aber gleichzeitig bauen sie in der Nächstenliebe eine Stadt auf, die auf Beziehungen gründet, deren Fundament die Liebe Gottes ist.“

Ich habe eingangs von der Gastwirtschaft Deiner Großeltern erzählt. Mit Deinem Dienst als Diakon vereinst Du beides, was Deine Oma Franziska und Opa Georg praktizierten, nämlich das offene Ohr und das Zubereiten dessen, was den Menschen nottut oder eben auch guttut.
Aber nicht dass Du denkst, ich wollte Dich ermutigen, aus Deinem Haus eine Gastwirtschaft zu machen mit einer großen Theke. Was Du weiterhin pflegen sollst, ist ein offenes Ohr, ein weites Herz und immer wieder auch Platz an deinem Tisch. So gibt es im Letzten doch sehr viele Gemeinsamkeit zwischen Gasthaus und Pfarrhaus.