Würzburg (POW) Kurz vor Heiligabend: Draußen wird es langsam dunkel, ein ungemütlich kalter Wind bläst um Gefängnismauern und Sicherungsanlagen. Auf ein Läuten hin öffnet sich die schwere Eingangstür der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg. Im Empfangsraum ist es warm, doch nur der gefühlten Temperatur nach. Der Raum wirkt kühl und nüchtern, Wohlbehagen nicht vorgesehen. Nach den Sicherheitskontrollen beginnt eine Reise in eine ganz eigene Welt.
Heute kommt ein ungewöhnlicher Gast in die JVA – es ist Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, der, wie schon vor Weihnachten 2004, den Kontakt zu Inhaftierten und Mitarbeitern sucht. „Ich komme, um mit der Leitung der Einrichtung und den Bediensteten zu sprechen, aber auch, um mir die Sorgen und Nöte der Seelsorger vor Ort anzuhören. Nicht zu vergessen: die Inhaftierten. Ich habe heute die Gelegenheit, einige von ihnen, die regelmäßig an einem Bibelkreis teilnehmen, näher kennen zu lernen. Mit ihnen will ich intensiv ins Gespräch kommen“, sagt Bischof Hofmann.
Das Reglement ist streng, auch für einen Bischof: Beamte begleiten die Gäste auf Schritt und Tritt. Lange Flure entlang hallen die Schritte der Besucher wider. Mehrere vergitterte Türen werden aufgesperrt und hinter den Gästen sorgsam wieder verschlossen. Dabei klirren die zahllosen Schlüssel der Beamten. Treppauf, treppab durch ein Gewirr von Gängen. Es ist Advent, und ab und an zeigt sich weihnachtliche Dekoration: Da ein Christbaum, dort ein Adventskranz, dessen Kerzen aber aus Sicherheitsgründen nicht entzündet werden dürfen. Festliche Stimmung will so recht nicht aufkommen.
„Diese Anstalt besteht seit zehn Jahren“, erklärt der Leiter der JVA, Robert Hutter. Rund 700 Strafgefangene sitzen derzeit hier ein; Frauen mit Freiheitsstrafen bis zu einem, Männer bis zu vier Jahren. „Bei uns gibt es 160 uniformierte Beamte, aber auch Juristen, Krankenpfleger, Ärzte, Sozialpädagogen und Lehrer. Und nicht zu vergessen die Seelsorger.“ Pfarrer Edwin Erhard ist seit sieben Jahren im Gefängnis tätig. Gemeinsam mit dem Diplomtheologen Josef Gerspitzer und den evangelischen Kollegen steht er den Inhaftierten zur Seite, bespricht mit ihnen Sorgen, Ängste und Nöte.
„Der Unterschied zur Gemeindeseelsorge ist gewaltig. Man wird mit Problemen konfrontiert, die man sich draußen gar nicht vorstellen kann. Ich habe noch nie so viele Tränen gesehen“, berichtet Erhard. Die Menschen in ihren engen, acht Quadratmeter kleinen Zellen hätten viel Zeit und wollten, ja müssten über das sprechen, was ihnen auf der Seele liege. „Es geht eigentlich immer um die Aufarbeitung der Straftat, aber auch um die Vergangenheit. Die Leute haben schwere seelische Schmerzen. Die Last des Gewissens, das Nachdenken und die Einsamkeit – vieles können sie bei mir loswerden.“ Diese schwere Aufgabe hat Erhard in den ersten Monaten als Gefängnisseelsorger sehr betroffen gemacht und belastet. Mittlerweile aber erfülle sie ihn sehr.
Ein uniformierter Beamter schließt geräuschvoll eine Zweierzelle auf. Darin spielen zwei Frauen Mensch-ärgere-dich-nicht. Bischof Hofmann setzt sich zu ihnen, erkundigt sich nach ihrem Leben in der Anstalt und nach ihren Gedanken zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Sie erzählen von sich, von dem, was sie hierher gebracht hat, und auch von einem Weihnachtsfest, das sie ohne ihre Lieben allein in diesem kleinen Raum verbringen werden. Tränen fließen beiden Frauen übers Gesicht.
„Meine bisherige Erfahrung zeigt mir, dass die Adventszeit eine sehr schwere Zeit für die Inhaftierten ist. Ihre eigene Situation wird ihnen drängender als sonst bewusst. Deshalb muss seelsorgerisch sehr, sehr viel aufgefangen werden“, betont Bischof Hofmann. Dem stimmt Pfarrer Erhard voll und ganz zu: „Ich bin auch an den Feiertagen im Gefängnis, denn nie ist der Gesprächsbedarf der Insassen größer als an Weihnachten.“
Gesprächsbedarf hat auch ein Inhaftierter, den Bischof Hofmann auf der Krankenstation besucht. Den Mann belastet seine Inhaftierung. Die Erkrankung kommt noch hinzu. „Ich wollte sie mal anrufen auf ihrer Hotline. Wäre das möglich?“ „Rufen sie mich an. Ich nehme mir Zeit und wir besprechen, was ihnen am Herzen liegt“, versichert der Bischof. Diese Zusage zaubert ein vorweihnachtliches Lächeln ins Gesicht des Mannes aus dem Krankentrakt.
„Weihnachten ist für die meisten der Inhaftierten ein trauriges Fest“, sagt Anstaltsleiter Hutter. Nach dem Essen am Heiligabend ist Einschluss, und die Häftlinge sind allein. Dann komme in den Zellen eher Wehmut, als weihnachtliche Freude auf. „Dennoch versuchen wir, den Insassen im Rahmen unserer Möglichkeiten ein schönes Fest zu bereiten.“ Zum Beispiel mit dem Festgottesdienst. „Gottesdienste haben in der JVA einen hohen Stellenwert. Viele, die draußen keine eifrigen Kirchgänger waren, suchen hier die Nähe zu Gott“, sagt Erhard. Zum Weihnachtsgottesdienst werden besonders viele Teilnehmer erwartet. Der Anstaltschor singe und auch sonst werde man es so feierlich wie möglich gestalten, erklärt der Leiter. „Für viele wird dies der Höhepunkt des Christfestes sein.“
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