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Ein glaubhafter Zeuge des Glaubens

Predigt von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand im Requiem für Dekan Norbert Schmitt am 27. Okotober 2008 in Amorbach

Verehrte Angehörige, liebe Schwestern und Brüder!

Vermutlich ist es den meisten von Ihnen so ergangen wie mir: Nach dem ersten Erschrecken über die Nachricht vom plötzlichen Tod eines Menschen kommen einem die unterschied­lichsten Begegnungen in den Sinn. Durch den Einschnitt, den das Sterben bedeutet, haben diese Erlebnisse jedoch nicht nur Erinnerungswert, sondern auch Symbolcharakter, weil sie in ge­wisser Weise wie ein Vermächtnis wirken. So habe ich mich am letzten Samstag unwill­kürlich an die letzte Begegnung mit Norbert Schmitt vor einigen Wochen in Würzburg erin­nert.

Wir äußerten damals beide den Wunsch, bald wieder einmal zu einem ausführlichen Gedan­kenaustausch zusammen zukommen. Er verabschiedete sich dann mit dem Satz: „Ich muss jetzt los, ich bin auf dem Sprung“. Niemand konnte wissen, dass dieses momentane Wort beim Auseinandergehen Vorzeichen eines endgültigen Abschieds sein würde. „Ich bin auf dem Sprung“ - jetzt wissen wir, dass sich hinter dieser alltäglichen Wendung unbewusst der Aufbruch in eine völlig andere Wirklichkeit angedeutet hat, als wir sie gemeinhin verstehen, eine Wirklichkeit, von der wir nur im Glauben hoffen können, dass sie von Gottes ewiger Liebe geprägt und ge­tragen ist.

Mir sind aus den langen Jahren unseres Bekanntseins und der Weggemeinschaft im priesterli­chen Dienst dann noch weitere Erinnerungen an Norbert gekommen. Es sind auch wieder Einzelerlebnisse, in denen ich aber jetzt nach seinem Tod, Hinweise sehen kann, wie sein Le­ben zu deuten ist und was sie für unseren Glauben bedeuten können.

1.Als erste Erinnerung fiel mir eine Predigt aus seiner Kaplanszeit in meiner Heimatstadt Ochsenfurt in den siebziger Jahren (1973 - 1975) ein. Norbert hat damals die Frage ge­stellt: „Was ist ein gelungenes Leben?“ Ist es dann so zu bezeichnen, wenn jemand Erfolg hat und seine Lebenspläne verwirklichen kann, wenn er finanziell abgesichert und menschlich anerkannt ist? All das kann wichtig sein, aber für den Glauben ist ent­scheidend, dass Gott am Ende Ja zu uns sagt - erst dann ist ein Leben gelungen. „Dass Gott am Ende Ja zu uns sagt“ - ich denke, diesen Satz aus seiner Predigt von damals dürfen wir nun als Gebet der Hoffnung für einen verstorbenen Priester sprechen, der uns viel bedeutet hat. Ich bete darum, dass Norbert die Wahrheit dessen erfährt, was er in seiner Verkündigung bezeugt hat. Er hat seinerzeit aber auch weiter ausgeführt, dass dieses „Ja“ Gottes zu uns schon ins Leben hineinreicht und uns Kraft gibt, auch Wech­selfälle, Belastungen und schwierige Zeiten zu bestehen. In der Lesung aus dem 2. Ko­rintherbrief bringt Paulus diese Erfahrung ins Wort (2 Kor 8,10): Die Wahrheit des Glaubens zeigt sich als Bewährung im Leben, in guten wie in schweren Zeiten. Weil Norbert für viele Menschen ein solcher Bewährungshelfer war, der das „Ja“ Gottes in ihr Leben hinein übersetzt hat, dürfen wir darauf vertrauen, dass sein Leben gelungen ist und das, was nach außen hin durch den plötzlichen Tod als unvollendeter Abbruch er­scheint, in Wirklichkeit der Durchbruch zu einer neuen Daseinsform in der unzerstörba­ren Gemeinschaft mit Gott ist.

2.In der Zeit, als ich für die Priesterausbildung in unserem Bistum verantwortlich war (1983 - 1996), ergaben sich immer wieder Gespräche, wenn Norbert Schmitt als Pfarrer in Neukirchen bzw. Amorbach Praktikanten aus unserem Seminar begleitet hat. Bei ei­nem dieser Besuche im Pfarrhaus kamen wir auf die Frage, wie sich die Tätigkeit des Priesters mit einem Satz kennzeichnen ließe. „Wachsein mit Jesus“ - das haben wir da­mals als Grundmerkmal unseres Dienstes festgehalten. Solches „Wachsein mit Jesus“ ist aber nicht als kleinliches Überwachen zu verstehen, als ob ein Pfarrer der Oberkon­trolleur der Gemeinden wäre. Wachsamkeit im biblischen Sinn, so wie sie im Evangeli­um unserer Eucharistiefeier ins Wort kam (Lk 12, 36-38), bedeutet vielmehr, mit wa­chen Sinnen vor Jesus her die Menschen im Blick zu haben, ihre Glaubensbega­bungen, die unterschiedlichen Charismen zu fördern und sie zum gemeinschaftlichen Zeugnis zusammenzuführen. Norbert hat das mit viel Einsatz und großer Hingabe ge­tan. Bei ihm kam noch eine Begabung hinzu, die ihn besonders auszeichnete: Sein wachsamer Blick galt wie nie nur aktuellen Vorgängen, sondern genauso geschichtlichen Entwicklungen, vor allem der Heimatgeschichte, die er als wichtige Erkenntnisquelle vielen Men­schen erschlossen hat. Ich habe ihn einmal gefragt, wie er denn damit umgehe, dass man in der Geschichtsforschung ja nicht nur positive Seiten, sondern auch viel Belastendes und Bedrückendes entdeckt, wie Intrigen, Konflikte und Kämpfe. Er gab mir damals zur Ant­wort: „Ich versuche, die Geschichte im Ganzen wie das Leben einzelner Menschen mit ihren Größen und Grenzen immer von der Heilsgeschichte Gottes her zu sehen, der unsere Welt liebt und unsere Wunden heilt.“ Dieser Satz kam mir jetzt nach seinem Tod wieder mit neuer Wucht in den Sinn - ich verbinde mit der Erinnerung daran meine Bitte an Gott, dass er die so plötzlich abgebrochene Lebensgeschichte unseres Mitbruders zu einer Heilsgeschichte wer­den lässt, die für viele Menschen fruchtbar wird.

3.An ein letztes Erlebnis mit Norbert möchte ich schließlich noch anknüpfen, das schon in meine Zeit als Generalvikar (seit 1996) fällt. Ich erinnere mich noch gut: Vor etwa zehn Jahren gab es hier in Amorbach einen Fall von Kirchenasyl, als eine mehrköpfige Fami­lie, die mit ihrer Abschiebung rechnen musste, hier im Gotteshaus Zuflucht gemacht hat. Der Vorgang schlug hohe Wellen; die Problematik lag darin, dass christliche Hilfs­bereitschaft in einer solchen Situation sehr schnell mit dem geltenden staatlichen Geset­zen kollidiert. Ich erinnere mich noch gut, dass Pfarrer Schmitt bei den vielen Gesprä­chen immer wieder sagte: „Es muss doch eine menschliche Lösung möglich sein.“ Gottsei­dank wurde sie dann auch im Zusammenwirken aller Beteiligten - den Betroffe­nen, dem Landratsamt und den kirchlichen Vertretern - gefunden. „Es muss eine menschliche Lö­sung möglich sein“ - in diesem Satz sehe ich aber über den damaligen Anlass hinaus nicht nur eine Grundeinstellung von Norbert verwirklicht, sondern ein bleibendes Ver­mächtnis von ihm an uns alle gegeben: Menschliche Lösungen im tief-sten Sinn des Wortes sind nämlich nie allein von uns her zu bewerkstelligen - als Chris­ten können wir tragfähige Lösungen nur dann finden, wenn wir aus dem Geheimnis der Erlösung leben, aus der Erfahrung nämlich, dass wir für Gott so wichtig sind, dass er in Jesus unser Le­ben teilt und aus Liebe zur Welt auch Leiden und Tod auf sich nimmt. Deshalb verbinde ich meine Erinnerung an das damalige Geschehen mit der hoffnungs­vollen Bitte an Gott, dass Norbert Schmitt, dem menschliche Lösungen so viel bedeute­ten, nun nach dem Tod die Fülle der Erlösung als bleibendes Geschenk erfährt und dass er uns allen dadurch Mut für unseren eigenen Lebensweg macht.

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Im liturgischen Formular für das Gedenken an einen verstorbenen Priester heißt es im Tages­gebet: „Er hat deinen Namen unter uns kundgetan und uns das Brot des Lebens gereicht“.

In dieser Formulierung ist der Grundauftrag des priesterlichen Wirkens als Dienst an Wort und Sakrament verdichtet. Dies ist jedoch kein Automatismus.

Gerade, weil es im Leben des Priesters um die Weitergabe dessen geht, was uns von Gott durch Jesus Christus geschenkt wurde, ist dabei das persönliche Zeugnis unerlässlich. Im Na­men von vielen danke ich Dir, lieber Norbert, dass Du ein glaubhafter Zeuge des Glaubens warst – im Dienst am Wort, weil Du Dich beim Wort hast nehmen lassen und im Dienst am Sakrament, weil Du auf Deine ganz persön­liche Art Gottes Liebe weitergegeben hast. Möge Dein Leben in dieser Liebe vollendet sein.

Amen.