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Ein starkes Glaubenszeugnis

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Pontifikalamt am Kiliani-Tag der Orden und Weltmission, 7. Juli 2010, im Kiliansdom in Würzburg

Liebe Ordensangehörige, liebe Missionarinnen und Missionare,

heute ist die Weltkirche unter uns versammelt: Ordensleute, die hier in unserem Bistum, aber auch weltweit in der Mission missionarisch tätig sind. Viele sind aus Tansania zu uns gekommen, aber auch aus Mosambik und Südafrika, aus Bolivien und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Sie alle, liebe Ordensschwestern und -brüder, haben es im Grunde unseren ‚Frankenaposteln’ Sankt Kilian, Sankt Kolonat und Sankt Totnan gleich getan. Sie haben den Anruf Gottes gehört, Ihre Familie und zum Teil Ihre Heimat verlassen, Ihre Lebensplanung ganz in die Hände Gottes gelegt und in der Akzeptanz der evangelischen Räte – Armut, Keuschheit und Gehorsam – ein starkes Bekenntnis an den lebendigen Gott abgelegt, der unser Leben lenkt und trägt. In dieser Festwoche schauen wir voll Dankbarkeit auf die Glaubensboten unserer fränkischen Heimat zurück, die im 7. Jahrhundert hier den Glauben verankert haben, wir nehmen aber auch bewusst Sie alle in den Blick, die Sie heute dieses starke Glaubenszeugnis geben.

Sie könnten sicherlich viele Eindrücke und Erfahrungen aus Ihrem zum Teil langen Leben in den je unterschiedlichen Aufgaben und Ländern geben. Ich denke, diese wären so vielfältig und bunt wie ein Flickenteppich aus den unterschiedlichsten Einzelelementen. Heute aber wollen wir froh und getrost den in den Blick nehmen, der uns aus unseren Familien und unserer Heimat herausgerufen hat, um ihm in einer Ganzhingabe nachzufolgen.

Die Kirche in Deutschland – und nicht nur diese – steckt in einer Krise. Aber Krise bedeutet ja eine Wendezeit, eine offene Situation, die sich zum Bösen wie zum Guten offen hält.

Nach dem Allensbacher Institut bezeichnen sich in unserer deutschen Bevölkerung insgesamt 43 Prozent als religiös. Die stärkste religiöse Gruppe sind die über 60-Jährigen. Als konfessionslos bezeichnen sich 13 Prozent. Während in Westdeutschland noch 74 Prozent einer Kirche angehören, sind es in Ostdeutschland nur 32 Prozent. Über 50 Jahre nationalsozialistische und später kommunistische Herrschaft haben dort ihre verheerenden Spuren hinterlassen.

Die Bertelsmann-Stiftung hat 2008 dennoch von 70 Prozent unserer Bevölkerung gesprochen, die sich als religiös oder gar als hochreligiös bezeichnen. Der Hunger nach Gott ist da. Die Frage an uns lautet: Wie werden wir dieser Sehnsucht gerecht? Wie können wir nach dem erschreckenden Glaubwürdigkeitsverlust, der uns durch das Aufdecken von sexuellem Missbrauch getroffen hat, wieder glaubwürdig werden? Sicherlich gehört jetzt eine innere Reinigung der Kirche, ein transparentes, an den evangelischen Räten orientiertes, geistliches Leben dazu. Wir müssen wieder geistlichere Menschen werden, die die Botschaft Jesu ohne Abstriche leben.

Am Ende des ersten Jahrhunderts hat – wohl – der Evangelist Johannes in der Verbannung auf der Mittelmeerinsel Patmos eine Vision erlebt, die er uns aufgeschrieben und so hinterlassen hat. Damals wurden die Christen verfolgt – wohl noch stärker als zurzeit. Dennoch sind die Christen auch heute die weltweit am meisten verfolgte religiöse Gruppe!

Hinzu kam damals die Verunsicherung wegen der erwarteten, aber ausgebliebenen Wiederkunft Christi. Heute scheint vielen unserer Mitmenschen Gott so fern zu sein, dass sie ihn nicht mehr in ihre Lebensplanung einbeziehen und erst recht gar nicht erwarten. De facto leben viele so, als ob es ihn gar nicht gäbe. Aber dennoch sehnen sie sich danach, in Frieden, Gerechtigkeit und bleibendem Glück leben zu dürfen.

Der Seher Johannes greift die äußere und innere Notsituation seiner Mitchristen auf und macht ihnen in dem gewaltigen Buch der – wie es heißt – Geheimen Offenbarung deutlich, dass Gott Herr der Geschichte bleibt und sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lässt. Die bewegenden Visionen des Sehers auf Patmos, die die Geschichte als Heilsgeschichte deuten, geben jenen Anlass zu Angst und Schrecken, die sich den Heilsplänen Gottes widersetzen, und Hoffnung und Zuversicht denjenigen, die sich in ihrem Glauben angefochten und bedrängt sehen. So ist dieses einzige prophetische Buch des Neuen Testamentes letztlich ein Trostbuch. In gewaltigen Symbolen und Bildern entfaltet der Apokalyptiker ein dramatisches Geschehen, das in seiner überbordenden Kraft und Vielschichtigkeit nicht nur die Phantasie des Lesers anregt, sondern den inneren Blick in eine Wirklichkeit lenkt, die uns im Alltagstrubel allzu leicht verloren geht. Deshalb habe ich uns für dieses Jahr und erst recht für diese Kilianifestwoche den sehnsuchtsvollen Ruf am Ende der Offenbarung des Johannes als Leitthema gewählt: Komm, Herr Jesus – Maranatha!

Unser Würzburger Sankt-Kilians-Dom ist ein lebendiges Zeugnis menschlicher Suche nach Gott und irdischen Angefochtenwerdens durch die Geschichte hindurch. Nach der großen Zerstörung Würzburgs am Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die für diesen Dom Verantwortlichen entschlossen, die Spuren der Zerstörung sichtbar zu belassen und diese Kathedrale zu einer Wegkirche durch die Zeit zu gestalten.

Wenn Sie durch den Haupteingang hineingekommen sind, dann haben Sie das Schöpfungsportal durchschritten. Der Künstler (Fritz König) hat hier in der Sprache seiner Zeit den biblischen Schöpfungsbericht als Vergewisserung unserer Herkunft in Zeichen und Symbolen entfaltet.

Beim Betreten des Domes fällt sogleich die Menorah, der siebenarmige Leuchter, auf, der an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem im ersten Jahrhundert erinnert. Zugleich aber verweist er auch auf die Zerstörung dieses Domes am 16. März 1945.

Beim Durchschreiten des Langhauses kommen wir an den unterschiedlichen Grabmälern und Epitaphen der vielen Würzburger Bischöfe vorbei, die den Glauben in unserer Diözese durch die Jahrhunderte hindurch verantwortet und lebendig gehalten haben. Alle barocke Pracht wurde aus dem Langhaus entfernt. Die klare Bogenfolge der Romanik bestimmt nun den Rhythmus des Nach-vorne-schreitens.

Die zumeist abstrakte Deckengestaltung (von Fritz Nagel) greift die Vision des Ezechiels aus dem 6. Jahrhundert vor Christus auf und lässt über unseren Köpfen ein abstraktes visionäres Geschehen entstehen, das Johannes gekannt hat und zum Teil als Folie für seine Sprachfindung genutzt hat.

In der Vierung verbindet sich die via sacra des Langhauses mit dem barocken Querhaus, das noch etwas vom Glanz des Himmels ausstrahlt, wie er in der Barockzeit gesehen wurde. Im Zentrum der architektonischen Kreuzung steht der in den 1960er Jahren geschaffene Altar (Albert Schilling), auf dem in der Heiligen Messe das Kreuzesopfer Jesu Christi unblutig als Angeld für den Himmel vergegenwärtigt wird. Das imposante Vierungskreuz verbindet Himmel und Erde.

Beim Durchschreiten des Chorraumes kommen wir an den Glaubenszeugen unserer Zeit – zum Beispiel an Liborius Wagner, Antonie Werr, Georg Häfner, Marcel Callo und Maria Julitta Ritz – vorbei. Mittig in der Chorachse unterhalb des apokalyptischen Lammes, das alleine fähig ist die sieben Siegel des Lebensbuches zu öffnen, stehen unsere Frankenheiligen Sankt Kilian, Kolonat und Totnan als Glaubenszeugen ihrer Zeit. Zuoberst kommt uns Christus in jugendlicher Gestalt vor einer goldenen Doppelscheibe entgegen. Auf quadratischem Grund ist er von den 24 Ältesten der Apokalypse und den lobpreisenden Engeln und unzähligen Heiligen umgeben. Es ist wie der ins Figurale gefasste Sehnsuchtsruf der Kirche durch alle Jahrhunderte: Komm, Herr Jesus – Maranatha!

So dürfen auch wir, liebe Schwestern und Brüder, angesichts der Wirren und Unruhen unserer Tage vertrauensvoll in diesen Ruf einstimmen, weil Gott uns nahe ist und uns einst in seiner himmlischen Herrlichkeit vollenden will. Amen.