Würzburg (POW) 34 Jahren stand er an der Spitze der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Würzburg, des Verbands vertriebener katholischer Sudetendeutscher. „Nach so vielen Jahren ist es Zeit für einen Wechsel“, sagt er und fügt gleich den zweiten Grund an: „Als Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde bin ich seit 2004 sehr stark in Anspruch genommen und viel in den deutschen Diözesen unterwegs.“ Am Samstag, 1. März, tritt der 65-jährige Adolf Ullmann als Diözesanvorsitzender der Ackermann-Gemeinde bei der Tagung des Verbands in Würzburg ab. Das Urgestein der Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen bleibt aber nach eigenen Angaben als Bundesvorsitzender weiter ganz nahe am Geschehen dran.
Ullmann übernahm das Amt des Diözesanvorsitzenden im Februar 1974 von Alfred Salomon. Geboren in Neudek im Erzgebirge, erlebte Ullmann als Kleinkind den Verlust der Heimat. „Wir sind im Winter 1945/1946 von selber gegangen, bevor sie uns ins Lager gesteckt hätten“, erzählt er. Im Februar 1946 landete seine Familie im Klarissinnenkloster Riedenburg im Altmühltal. Die ersten sieben Jahre wohnte die Familie im Kloster, dann bis 1969 im Ort. Ullmann nutzte in diesen Jahren den guten Draht zu seiner Tante in Haßfurt, die ihm Quartier für die Schulzeit am Haßfurter Gymnasium bot. Nach dem Studium der Pädagogik in Würzburg unterrichtete Ullmann an verschiedenen Schulen Unterfrankens, ehe er von 1970 bis 2007 an der Zellinger Hauptschule wirkte und zusammen mit Frau und Kindern eine feste Bleibe in Höchberg fand.
Der erzwungene Weggang aus der Heimat war für Ullmann Grund genug, sich in der Ackermann-Gemeinde zu engagieren. Den Jugendverband Junge Aktion führte er bereits in den 1960er Jahren, zur Ackermann-Gemeinde brachte ihn seine Tante. Zunächst galt es Ehrenamtliche zu mobilisieren und Kontakte in die Tschechoslowakei zu organisieren. Zentrales Thema für Ullmann durch all die Jahre war der Einsatz für den europäischen Gedanken mit Blick nach Osten – und das Ganze auf dem Boden des christlichen Glaubens und der Kirche. Vor dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa 1989/90 waren für Ullmann der Einsatz für die Kirche in der Verfolgung und die grenzüberschreitenden Kontakte das Prägende. Heute kann und darf er damals Verbotenes und geheim Gehaltenes mit einem Schmunzeln erzählen: der Schmuggel von religiöser Literatur, Messgewändern, Hörgeräten, Kopierern und vielem mehr in die damalige Tschechoslowakei.
Nach der Wende galt es, den Wandel in der Versöhnungsarbeit zu gestalten und Kontakte, Begegnungen und Partnerschaften aufzubauen und zu fördern. „Es geht um eine neue Nachbarschaft zu Tschechien. Wir müssen dem Dauerkonflikt zwischen den beiden Völkern irgendwann entrinnen, ohne aber die Geschichte der letzten 150 Jahre einfach vom Tisch zu wischen. Sie wirft auch Schatten in die Zukunft.“ Europa müsse sich heute den Fragen der ethnischen Konflikte stellen. Die Ackermann-Gemeinde sei hier gefordert, das Interesse zu wecken und zu informieren. Der Einsatz für Migranten und die Hilfe für Menschen in Osteuropa durch die Aktion „Renovabis“ seien neue Arbeitsfelder für den Verband.
Dass der Wandel der Ackermann-Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten bewältigt wurde und neue Probleme wie die Aussiedlerfrage aufgegriffen wurden, sieht Ullmann beim Blick auf seine lange Amtszeit als besonderes Plus. Kulturelle Traditionen wurden aufrechterhalten und mit neuen Veranstaltungen wie der Nepomukfeier, der Wallfahrt nach Retzbach oder den Kilianitag der Aussiedler und Vertriebenen besetzt. Dankbar blickt Ullmann auf die Landkreispartnerschaft zwischen Würzburg und Sumperk/Mährisch-Schönberg, auf deutsch-tschechische Pfarrei- und Schulbegegnungen, auf Jugendaustausch und viele persönliche Kontakte. Die Mithilfe beim Aufbau des Gästehauses im Dobra Voda (Gutwasser) im Böhmenwald und eine neue Perspektive für die westböhmische Wallfahrtskirche Maria Stock gehören ebenfalls dazu. Eine Verbesserung des Verhältnisses zur bayerischen Landespolitik durfte Ullmann erst in jüngster Zeit erfahren. Während die Ackermann-Gemeinde in der Stoiber-Ära keine Beachtung fand, traf sich Ullmann als Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde bereits mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein vor dessen Fahrt nach Prag zum Gespräch. Beckstein beauftragte seinen Europaminister Markus Söder auch gleich als Referenten für die „Brünner Symposien“.
Seinem Nachfolger legt Ullmann als Kerngeschäft die weitere Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen sowie Slowaken ans Herz. „Historisches Wissen müssen wir mit christlichem Geist vermitteln und gegen vorhandene deutsch-tschechische Nationalismen vorgehen und sie in geordnete Bahnen führen.“ Wichtig sei es, der tschechischen Kirche zu helfen, christliche Wertevorstellungen in eine postkommunistische Gesellschaft hineinzutragen. Nach kurzer Pause ergänzt Ullmann: „Das ist bei uns mittlerweile aber genauso nötig.“
(0908/0294; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet