Würzburg (POW) Sie lebten vor über 1500 Jahren. Sie führten ein Leben, das vom heutigen nicht weiter entfernt sein könnte. Sie hatten Schüler, die sie an ihrer Erfahrung teilhaben ließen. Mehr als 100 solcher Schüler versammelten sich bei einer Tagung der Katholischen Akademie Domschule im Sankt Burkardushaus, um sich von Benediktinerpater Dr. Fidelis Ruppert aus Münsterschwarzach die Weisheit der Wüstenväter und -mütter erschließen zu lassen. „Was ist es, das eine so große Schar noch heute den Sprüchen der Einsiedler lauschen lässt?“, lautete die Frage.
„Immer mehr Menschen interessieren sich für Traditionen, die die Jahrhunderte überlebt und vielen Generationen Hilfe für ihr Leben geboten haben. Solch alte Traditionen haben bewiesen, dass sie etwas taugen und keine Eintagsfliegen sind.“ Pater Fidelis, langjähriger Abt von Münsterschwarzach, hat sich selbst lange und intensiv mit dem frühen Mönchtum befasst. Entstanden aus einer allgemeinen geistigen Bewegung als Reaktion auf die Kultur der Spätantike, sei der Weg in die Einöde für viele ein Versuch, ein alternatives geistiges und geistliches Leben zu führen, berichtete der Benediktiner. Die Sprüche und Sentenzen, die in der Sammlung der sogenannten „Apophthegmata patrum“ überliefert sind, zeugten von einem intensiven Lehrer-Schüler-Verhältnis: Der Altvater ließ den Neuling an seiner reichen Erfahrung teilhaben, damit dieser selbst geistlich fortschreiten konnte.
„Vita activa“ und „vita gnostica“ nannten die Wüstenväter die beiden großen Lebensaufgaben, denen sie sich widmeten. Das praktische, konkrete Leben ist die Arbeit an sich selbst, die zu immer tieferer Selbsterkenntnis führen soll. Das kontemplative Leben umfasst das Gebet, das „Gespräch der Seele mit Gott“, wie es der Altvater Evagrius beschrieben hat. Wichtig bei der täglichen Auseinandersetzung mit sich selbst ist nach den Worten Rupperts der richtige Umgang mit den Gedanken, die immer wieder einströmen. „Probieren Sie das mal an sich aus. Sitzen Sie still und lassen Sie die Gedanken einfach kommen. Dann sortieren Sie, was für Sie gut ist und was Sie nicht an sich heran lassen wollen.“ „Türhüter spielen“ nennt der Benediktinerpater diese Methode der Unterscheidung. Dabei gehe es auch um den Umgang miteinander. Der Mitmensch solle ein ständiger Spiegel sein, an dem man sich immer wieder korrigieren soll.
Fünf Minuten lang ist der Saal vollkommen still. Doch scheint der Lärm der Gedanken, die überall durch den Raum schwirren, viel größer zu sein als bei der anschließenden Besprechung. „Mir ist eingefallen, wie ich mit meiner Nachbarin umgegangen bin“, sagte eine Teilnehmerin. „Es war so konkret und lebensnah. Ich habe richtig viel mitgenommen“, meinte eine andere.
„Ein Väterspruch kann in einer konkreten Situation bei einem Menschen ein Aha-Erlebnis auslösen. Dann fällt da ein Groschen und das Problem bewegt sich“, erklärte Pater Fidelis. Nicht nur die Novizen der Wüstenväter wurden durch die Worte ihrer Lehrer geprägt, auch mancher Tagungsteilnehmer fand für sich ein Wort zum Leben.
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