Würzburg (POW) Jeden Sonntagabend im Advent, genau um 20.08 Uhr, kommen im Aufenthaltsraum der Würzburger Bahnhofsmission Mitarbeiter, ehrenamtliche Helfer und zahlreiche Besucher zusammen. Einer der Mitarbeiter beginnt den Abend mit einem spirituellen Impuls. „Die Impulse tragen Titel wie etwa ‚Licht im Dunkel‘ oder ‚Menschen auf dem Weg‘ und verbinden den christlichen Grundgedanken teilweise mit aktuellen gesellschaftlichen Situationen“, erzählt Michael Lindner-Jung, Leiter der Würzburger Bahnhofsmission. Es werden Adventslieder gesungen und manche bringen sogar Instrumente mit – alle werden zu einer Gemeinschaft. „Diese Abende berühren mich immer wieder. Hier sind wir alle beieinander.“ Viele der Besucher zeigten sich von einer ganz neuen persönlichen Seite, sängen leidenschaftlich mit und vergäßen für einen Moment ihre Sorgen und Nöte. Die Adventsabende unter dem Titel „Acht nach acht“ werden seit zehn Jahren von der Bahnhofsmission Würzburg angeboten.
„An den Adventsabenden sind wir Mitarbeiter und Helfer mittendrin, jeder ist Gast auf seine Weise“, erzählt Ulrike Siethoff, die seit neun Jahren in der Bahnhofsmission Würzburg arbeitet. „Bei Stollen, Plätzchen, Tee und Punsch erlebt man sich gegenseitig anders.“ Sie arbeitet vor allem deswegen in der Bahnhofsmission, um Menschen im direkten Gegenüber zu begegnen. Manchmal gelinge so etwas im Gespräch, manchmal in freundlichen Gesten oder einfach durch aufmerksames Zuhören. „Den Besuchern geht es meist nicht zuerst darum, dass jemand ihre vordergründigen Probleme löst, sondern dass ein Mensch für sie da ist“, erklärt sie. An „Acht-nach-acht-Abenden“ entstehe dafür ein besonderer Raum. „Sich gegenseitig in einem anderen Licht wahrnehmen, auch das ist Advent“, sagt Lindner-Jung.
„Bahnhof – Menschen begegnen sich“ – so lautet seit 16 Jahren der Titel des Würzburger Bahnhofskonzerts. Jedes Jahr erklären sich Musiker, Bands oder Chöre bereit, unentgeltlich aufzutreten. Heuer singt der Gospelchor „HeartLeiner“ am Freitag, 8. Dezember, ab 17.30 Uhr in der Bahnhofshalle. „Wir wollen dazu beitragen, dass an diesem wichtigen Ort unserer Stadt ganz unterschiedliche Menschen sich willkommen wissen und zusammenfinden“, sagt Lindner-Jung. Gefördert wird das Konzert von der Bahnhofsmission, der Stadt Würzburg und der Deutschen Bahn.
Die Advents- und Weihnachtszeit ist für viele Menschen eine intensive Zeit. Es ist aber auch eine Zeit, die für Wohnungslose große Gefahren birgt. Wer kein eigenes Dach über dem Kopf hat, ist auf Wärmestuben und Kurzzeitübernachtungen angewiesen. Viele haben keine warme Kleidung, geschweige denn Schlafsäcke. „Gerade Winterschlafsäcke sind sehr teuer. Deshalb ist der Bedarf groß“, erklärt Lindner-Jung. Die Bahnhofsmission sei in diesen Monaten besonders dankbar für Unterstützung. „Bei Sachspenden ist es hilfreich, wenn man vorher anfragt, was gerade gebraucht wird.“ Auch weil es an Lagerkapazität fehle. Geldspenden könnten dagegen flexibel je nach akutem Bedarf eingesetzt werden. Mit dem gespendeten Geld werden zum Beispiel Winterschlafsäcke, warme Kleidung, Hygiene- und Pflegeartikel finanziert.
Am Heiligen Abend ist die Bahnhofsmission durchgängig geöffnet. Ein besonderes Programm gebe es jedoch nicht. „Wir versuchen einfach, die Weihnachtstage etwas vom Alltag abzuheben“, erklärt Lindner-Jung. In der Adventszeit werden Geschenke gespendet, die die Besucher an den Weihnachtstagen geschenkt bekommen. Neben Stricksocken und Süßigkeiten sind oft auch Bücher unter den Spenden. „Wir haben ja auch Akademiker und andere Lesehungrige unter unseren Besuchern – das ist dann regelrecht Nahrung für sie.“ Obwohl gemeinsames Singen nicht im Weihnachtsprogramm der Würzburger Bahnhofsmission stehe, seien Besucher manchmal in der Stimmung und stimmten ein Lied an. Insgesamt besuchen am Heiligen Abend eher etwas weniger Menschen die Bahnhofsmission, weil viele bei Weihnachtsfeiern in anderen Würzburger Einrichtungen seien. „Wer dann trotzdem zu uns kommt, hat oft keine Alternative“, erklärt Lindner-Jung. Einige der Besucher der Bahnhofsmission suchen die Gemeinschaft, andere wollen lieber für sich sein oder benötigen den schützenden Raum der Bahnhofsmission. „Das jeweils zu akzeptieren verstehe ich unter Achtsamkeit, und darum geht es ja an Weihnachten.“
Lindner-Jung und Siethoff empfinden die Advents- und Weihnachtszeit keineswegs als bedrückend, sondern als ermutigend und motivierend. „Es ist immer toll zu sehen, wie Besucher es genießen, sich beteiligen zu können, sich einzubringen, wenn wir einander Geschichten erzählen, musizieren oder basteln“, sagt Lindner-Jung. In Gesprächen könne man erfahren, welche bewegende eigene Geschichte einen Menschen in seine jeweilige Situation geführt hat. Viele Mitarbeiter seien motiviert, an den Weihnachtstagen in der Bahnhofsmission zu arbeiten. „Die Erfahrung, für alleinstehende, hilfesuchende Menschen an den Weihnachtstagen Hilfe zu sein, gibt in ihren Augen dem Weihnachtsfest eine neue Bedeutung, ja bringt vielleicht seine ursprüngliche zurück.“
ch (POW)
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