Rom/Würzburg (POW) Mit hellblauen T-Shirts, roten Pilgerhüten, Deutschland- und Bayernflagge stehen sie kurz vor 9 Uhr an diesem Mittwochmorgen, 2. August, vor dem deutschen Pilgerzentrum nahe dem Petersplatz und freuen sich über ein besonderes Geschenk: Dennis Burtchen (16), Christoph Seidel (19) und Marlies Bahlke (16) aus Kahl am Main gehören zu rund 100 Ministranten aus der Diözese Würzburg, die bei der Generalaudienz ganz vorne neben der Papsttribüne sitzen dürfen. „Das ist toll, so nahe dran sein zu dürfen und Papst Benedikt XVI. einmal aus anderer Perspektive zu sehen“, sagt Christoph Seidel. „Mein Gefühle sind schwer zu beschreiben. Etwas aufgeregt bin ich schon“, ergänzt Marlies Bahlke.
Würzburgs Ministrantenreferenten Dirk Rudolph haben es über 100 Jugendliche aus dem Bistum Würzburg zu verdanken, dass sie die besonderen Plätze einnehmen können. Am Vorabend hatte er gegen 23 Uhr eine SMS erhalten: Für 18 Bistumsreferenten gebe es je 50 freie Plätze oben am Papstsitz. Rudolph ist am Morgen zeitig am Organisationszentrum und bekommt 50 der heiß begehrten Karten, weitere 50 werden noch daraufgelegt, da es scheinbar einige Bistümer nicht schaffen, die Karten so kurzfristig abzuholen. „Für die Jugendlichen ist es eine super Sache, so nahe am Papst dran sein zu können und ihn zu erleben.“
Die Auswahl aus den insgesamt 1800 Ministranten aus dem Bistum Würzburg für die besonderen Plätze wird nach dem Zufallsprinzip getroffen. Wer am Mittwochmorgen mit rotem Würzburger Pilgerhut in der Via della Conciliazione am Pilgerzentrum vorbeikommt, erhält die kurzfristige Einladung – neben den Kahler Ministranten beispielsweise auch eine 18-köpfige Gruppe aus der Pfarrei Sankt Bonifatius in Großwelzheim oder einige Ministranten aus Weyersfeld. Vor allem die Großwelzheimer mit ihrer Gruppenleiterin Anna-Katharina Hofmann (19) sind „total happy“ angesichts der morgendlichen Überraschung.
Durch das Gedränge am Petersplatz mit den mittlerweile 43.000 Jugendlichen aus 18 Ländern zwängen sich die Würzburger Ministranten an Sicherheitskontrollen und Schweizer Gardisten vorbei zum Papstpodium vor der Fassade des Petersdoms. Mädchen halten sich an den Händen, um nicht die außergewöhnliche Gruppe zu verlieren. Entspannt nehmen sie manche Wartezeit in Kauf. Die Digicams werden nochmals getestet, damit sie im entscheidenden Moment – wenn Papst Benedikt vorbeizieht – auch auslösen.
Oben am Papstsitz winkt Bischof Dr. Friedhelm Hofmann der Würzburger Gruppe zu und freut sich, dass so viele aus seinem Bistum vorne sitzen dürfen. Schnell ist es 10 Uhr und das weiße Fahrzeug mit Papst Benedikt XVI. fährt durch die jubelnde Menge am Petersplatz: „Benedetto, Benedetto“, tönt es über den Platz. Oben drängen sich die Jugendlichen ganz vor, um ihr persönliches Erinnerungsfoto von Benedikt XVI. zu schießen. Als der Papst auf seinem Sessel Platz nimmt, heißt es ruhig werden und sitzen bleiben.
Sehr herzlich spricht der aus seinem Sommersitz Castel Gandolfo angereiste Benedikt XVI. die jungen Leute an. Er freue sich, dass er nach seinem Urlaub in den Alpen nun die vielen Ministranten treffen könne. Vor über 70 Jahren habe er selbst als Ministrant begonnen, sagt der Papst. Jetzt, da ihm die Ministranten ein einzigartiges weißes Halstuch mit dem Logo der diesjährigen Wallfahrt schenken, werde er nochmals zum Ministranten erhoben, sagt er in deutscher Sprache.
Den Großteil seiner Ansprache hält er in Deutsch. Er will den Jugendlichen eine Botschaft mitgeben, die sie bei ihrem Dienst am Altar begleiten solle: „Seid immer Freunde und Apostel Jesu Christi!“, ermutigt er die Ministranten. Die persönliche Freundschaft zu Jesus könne dem Leben jedes einzelnen Sinn geben. „Hört auf die Stimme Jesu. Er lebt und spricht heute zu Euch!“ Einige mag Jesus einladen, als Priester Zeuge zu werden. Jeder solle seine Berufung erkennen und auf seine Art Jünger und Apostel Jesu werden, sagt der Papst zu den Jugendlichen. „Jesus wird jedem von Euch Freund sein.“
Besonders erinnert der Papst die Jugendlichen an den Altardienst, bei dem sie Jesus in der Eucharistiefeier besonders nahe seien. „Die Eucharistie ist das bedeutendste Zeichen der Freundschaft Jesu zu jedem von uns. Vergesst das nicht! Entdeckt jeden Tag neu, dass in der Eucharistiefeier etwas ganz Großes geschieht.“ Nicht aus Gewohnheit, sondern von innen heraus sollten deshalb die Ministranten ihren Dienst tun, mahnt der Papst. Die Liebe, die die Jugendlichen in der Feier der Liturgie empfingen, sollten sie zu allen Menschen tragen.
Während der Papst in zahlreichen weiteren Sprache kurze Gedanken und Grüße vorträgt, brennt die Sonne auf die Würzburger Jugendlichen herab. Einmal unterbricht Benedikt XVI. seine internationalen Worte und übersetzt für die rund 35.000 deutschen Jugendlichen am Petersplatz: „Wir erbitten den Frieden im Nahen Osten.“ Nach dem offiziellen Segen geht Benedikt XVI. durch die Reihen, segnet Kinder und kommt auch ganz nahe an der Würzburger Gruppe vorbei, segnet sie und reicht zahlreichen Jugendlichen die Hand. Ein letztes Bad in der Menge und der Papst verschwindet auf dem weißen Fahrzeug hinter den Mauern des Petersdoms.
„Es war eine Wahnsinns-Atmosphäre hier oben ganz nahe beim Papst“, sagt Gruppenleiterin Anna-Katharina Hofmann aus Großwelzheim. Für sie und ihre Ministranten sei es ein besonderes Gefühl gewesen, den Papst so lange in deutscher Sprache zu hören. Dieses Erlebnis werde noch lange nachklingen und erst so richtig hoch kommen, wenn die Jugendlichen zuhause zur Ruhe kämen.
bs (POW)
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