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Der Gschichtli-Erzähler

Wilhelm Wolpert aus Haßfurt ist der fränkischen Seele auf der Spur

Harmlose Kurzgeschichten? Nicht mit Wilhelm Wolpert. Der stand früh in der Bütt, war mit dem „Hasenterzett“ bei der „Fastnacht in Franken“. Noch heute verbreitet der 87-Jährige gute Laune.

Wilhelm Wolpert hat viel zu erzählen an diesem Februar­abend im Würzburger Stadtteil Heuchelhof. Hier trägt er einige seiner „Gschichtli und Gdichtli“ in fränkischer Mundart vor, zwei Stunden lang. In den Pausen spricht er weiter: mit dem Pfarrer, der über die gekonnten und präzisen Sticheleien nachdenkt; mit den Organisatoren, die sich für den unkomplizierten Umgang bedanken; mit den Gästen, die den stimmungsvollen Abend genießen und deshalb eines seiner Bücher kaufen.

Jede Begegnung bietet Inspiration

Auf die Welt kam Wolpert 1937 in Bamberg. Die Eltern siedelten bald mit ihrem Textilgeschäft nach Haßfurt über. Hier lernte auch Wilhelm den Kaufmannsberuf und war später Handelsvertreter für Textilfirmen. Ein feines Gespür für die Komik im Benehmen der Zeitgenossen bot die Inspiration, die langen Fahrten im Außendienst die innere Ruhe für die Anekdoten, Reime und Kurzgeschichten, die er heute noch mit Leidenschaft vorträgt. 19 Bücher und drei Hörbücher mit Kurzgeschichten und Gedichten kamen im Laufe der Jahre zusammen, dazu vier CDs, zehn Theaterstücke und Unmengen nicht publizierten Materials. Für das treffende Charakterisieren der fränkischen Seele hat Wolpert im Jahr 2007 den Frankenwürfel der Bezirksregierung erhalten.

Wolperts Geschichten regen zum Nachdenken an: über Schein und Sein, unsere kleinen Schwindeleien, unsere Widersprüchlichkeit und Doppelmoral. Dabei stichelt der Autor lieber mit dem feinen Florett, als dass er mit dem Säbel zuschlägt. Denn zugleich scheint immer viel Sympathie für seine Figuren durch. Diese tiefe Menschlichkeit zeigt sich auch in Wolperts sozialem Engagement. So gründete er Ende der 1990er-Jahre den Verein „Haßfurt hilft“, der noch heute soziale Einrichtungen im Osten Europas unterstützt. Alle Projekte, die im Laufe der Jahre unterstützt wurden, hat Wolpert vor Ort besucht und ausgewählt – sei es in Litauen, Albanien oder der Ukraine.

Augenzwinkernder Blick auf die Kirche

Thema in Wolperts Werk ist natürlich auch der christliche Glaube, mit all seinen Versprechen, Ritualen und womöglich auch der Scheinheiligkeit. „Liebes Christkindla“, „Herrgott, dir wenn’s nachging“ und „Schwarza Fränkischa Schäfli“ lauten drei Titel seiner Bücher, in denen zum Beispiel dies Gdichtli steht: „In der Sonntagskirch entdeckt der Fritz, dass drobm aufm Emporensitz, der Müllers Johann eigschlaffm iss. Der Fritz stumpert sein Nachbern an und flüstert na neis Ohr: ,Da drübm iss eener eigschlaffm, s’iss fei wirklich wahr.’ ,Na und’, secht der Nachbar, und tut sich äweng reckng. ,Des­wecher brauchng sa mich doch net extra aufzuweckng.’“

In seinem fränkischen Gebetbuch „Lieber Gott, ich schlag vor, mir sachng Du zuänanner“ findet sich folgendes schnelles Stoßgebet für den Mittagstisch: „Danke, lieber Gott – auf mein Teller liecht ä Wurscht, in mein Glas iss was fürn Durscht. Vo dir kummt alles, ich will’s net vergess. Tut mer leid, mei Zeuch werd kalt. Danke, aber ich muss jetzt wirklich ess.“ (Beide Auszüge wurden minimal gekürzt.) Auch für die Fränggische Bibl, die im vergangenen Jahr erschienen ist, hat er mit der Übersetzung der Philipper-Briefe ins Unterfränkische seinen Beitrag geleistet.

Was bleibt? Die kleinen Absurditäten

Begonnen hat Wilhelm Wolperts enge, und offensichtlich nie ganz reibungslose, Beziehung zur katholischen Kirche in Familie und Kirchenchor. In seiner Kindheit und Jugend hat er zudem seinen Drang nach Bewegung als Leichtathlet im Turnverein Haßfurt ausgelebt. Aktive in Pfarrei und Vereinen trafen und treffen sich in Haßfurt regelmäßig beim Fasching der „Elf weisen Hasen“. Und hier stieg Wilhelm Wolpert, gerade volljährig, in die Bütt. Gemeinsam mit Karl Kempf und Josef Horn bildete er seit dem Ende der 1960er-Jahre das Hasenterzett – das 1987 bei der ersten Ausgabe der Fastnacht in Franken mitwirkte. „Damals noch in Lichtenfels“, wie sich Wolpert erinnert. „Doch der Produktionsleiter war mit den Anfahrtswegen unzufrieden. Da meinte einer: ,Ich kenne eine Halle, da können wir von allen Seiten hin!’ Und seitdem ist’s Veitshöchheim.“

Unzählige bekannte Menschen hat Wolpert bei der Fastnacht in Franken getroffen. An die denkt er heute aber weniger als an die kleinen Absurditäten am Rande: Als er zum Beispiel in der ersten Reihe eine Person entdeckte, die ihm bekannt vorkam, die er aber unter all den Prominenten nicht einordnen konnte. „Der hatte seinen Spaß und hat ein Bier nach dem nächsten getrunken. Bei der After-Show-Party kam einer aus der Produktion zu mir und meinte: ,Euer Fahrer ist so betrunken, der kann euch nicht mehr nach Hause bringen!’ Da hatte sich tatsächlich ein Haßfurter als unser Chauffeur ausgegeben und bei der Fastnacht in Franken in die erste Reihe geschmuggelt!“, spricht’s Wolpert aus, und lacht sich noch heute scheckig.

Bis 1998 war das Hasenterzett in der Faschingssendung des Bayerischen Rundfunks zu sehen. „In dem Jahr hieß es nach der Generalprobe: Ihr müsst das Programm kürzen, weil die Leute zu lange in unsere kostbare Sendezeit lachen. Das war der Impuls zu sagen: Jetzt reicht’s für uns. Viel wichtiger war sowieso, dass die Leute daheim in Haßfurt mit uns gelacht haben.“

Weiter mit seinen Gschichtli unterwegs

Die Verwurzelung in der Heimat und der Kontakt zu den Mitmenschen beflügeln Wolpert noch heute. Dennoch spürt er das Alter. Mehrmals wöchentlich steht er nicht mehr auf einer Bühne, „aber alle paar Wochen noch“, wie eben im Gemeindesaal von St. Sebastian am Würzburger Heuchelhof. Manchmal springt Tochter Juliane für ihn ein. Ob sie einmal sein literarisches Erbe weiterführt? „Zumindest ist sie immer gut angekommen mit meinen Geschichten“, meint Wolpert und lächelt verschmitzt. „Heute ist sie aber nur zum Abholen da!“

Sebastian Haas