Liebe Schwestern und Brüder hier im Dom und überall, wo sie uns hören und sehen können,
Als kleiner Bub hatte ich einmal während einer Volksmission die Frage des Paters gehört: „Wer von Euch möchte ein Heiliger werden?“ – Schweigen im Walde. Keiner antwortete. Ein Heiliger? Was ist das? Heilige sieht man auf Bildern, hoch über den Köpfen der Gläubigen auf Postamenten, dem wirklichen Leben – sprich: dem Alltag – entrückt. Heilige sind im Himmel. Aber wie sieht der Himmel aus?
Gottes Himmel ist so groß und umfassend, so ganz anders als wir uns das vorstellen können, so dass wir dazu Hilfe brauchen, um wenigstens ein wenig von seinem Glanz und seiner Größe zu erfassen.
Der Apostel Johannes gibt uns eine Hilfestellung. Er hat einen Blick in den Himmel wagen dürfen. Er weilte am Ende des ersten Jahrhunderts auf der Insel Patmos im Mittelmeer. Er war wegen seines christlichen Glaubens verbannt worden und beschreibt nun in dem einzigen prophetischen Buch des Neuen Testamentes, wie er – gleichsam an der Hand eines Engels – einen Blick in die großen Zusammenhänge der Weltschöpfung, der Entstehung des Bösen, der Erlösung und der Vollendung im Himmel werfen darf.
In faszinierenden Bildern, Symbolen und Metaphern versucht nun dieser Seher die gewaltigen Erlebnisse in Gedanken und Vorstellungen zu formen und in eine Sprache umzusetzen, die eigentlich dafür gar nicht ausreicht.
So beschreibt er zum Beispiel die Heiligen als Knechte Gottes. Ihnen soll ein Zeichen auf die Stirn gedrückt werden, das sie von allen anderen unterscheidet.
Heilige sind Freunde Gottes mit einem Zeichen auf der Stirn. Ich muss an dieser Stelle immer an das Kreuzzeichen denken, das uns unsere Mutter auf die Stirn gezeichnet hat, wenn wir am Morgen das Haus verlassen haben oder bevor wir abends eingeschlafen sind.
Ein Kreuzzeichen sollte uns bewusst machen: Du bist etwas Besonderes. Du darfst das Zeichen Jesu Christi tragen. Er hat für dich einen Weg in den Himmel gebahnt!
Und es ist genügend Platz im Himmel für eine unzählbar große Schar von Heiligen … und auch noch für Sie und für mich …!
Neben dem Zeichen auf der Stirn, schreibt Johannes, kann man die Heiligen noch an ihren weißen Gewändern erkennen.
Wenn Kinder oder Erwachsene getauft werden, bekommen sie ein weißes Taufgewand angezogen. Dieses Sakrament drückt mit dem Symbol des Weißen Kleides aus, dass der Getaufte eine neue himmlische Schöpfung ist und durch die Taufe heil und heilig wird.
Wer getauft wird ist berufen, heilig zu werden. Er gehört grundsätzlich schon in die Schar der Heiligen und darf sich in seinem Leben als Heiliger bewähren.
In seiner Vision erfährt Johannes von einem der Ältesten im Himmel über die, die weiße Gewänder tragen:„ Es sind die, die aus der Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht .“ (Offb 7,14). Heilige sind in der Offenbarung des Johannes Frauen und Männer, die aus mancherlei Beschwerden zur Ewigen Heimat pilgern.
Das bedeutet für mich: Als Menschen sind wir ein Leben lang auf dem Weg. Es ist manchmal ein recht mühsamer Pilgerweg. Wir sind keineswegs perfekt und erfahren oft genug unsere Begrenzungen, Schwächen und Sünden. Aber auch die Heiligen waren keine vollkommenen Menschen. Auch sie hatten Fehler und haben Schuld auf sich geladen. Auch ihre Gewänder mussten im Blut des Lammes weiß gewaschen werden. Alle weißen Kleider sind Pilgerkleider: das weiße Kommunionkleid, das Hochzeitsgewand, die weiße Albe des Priesters, der Ministranten, der Kommunionausteiler … Sie erinnern daran, dass Christen ihrem Erlöser entgegengehen.
Auf eine besondere Weise geschieht das, wenn Christen Gottesdienst feiern. Die Feier der Heiligen Messe ist ein Vorgeschmack auf den Himmel, wo die ganze Schar der Engel und Heiligen Gott loben und preisen.
Wenn wir heute beten und singen schwingen unsere Lieder ein in den Gesang der himmlischen Heerscharen. Gemeinsam bilden wir einen Chor ‚mit himmlischem Anspruch’.
Das Fest Allerheiligen erinnert an Menschen, die das Ziel ihres Lebens im Himmel erreicht haben. Diese Heiligen ermutigen uns, dass auch wir der Bergpredigt entsprechend leben und uns von Jesus Christus sagen lassen: Selig sind die, die vor Gott arm sind, die trauern, keine Gewalt anwenden, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die barmherzig sind und ein reines Herz haben.
Selig sind die, die Frieden stiften, um der Gerechtigkeit willen verfolgt und um seinetwillen beschimpft und verleumdet werden.
Wenn Sie, liebe Brüder und Schwestern, in Ihrem Leben manches bedrückt: Entscheidend ist doch bei all unserer Schwäche die Liebe zu Gott. Der Blick in den Himmel lässt in den Heiligen das Ziel unseres Lebens aufleuchten und gibt den Worten Jesu Christi neuen Klang: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein!“ (Mt 5,12a).
Amen.