Würzburg (POW) Als falsch hat die Freiburger Altphilologin Professor Dr. Therese Fuhrer die weit verbreitete Meinung kritisiert, die Spätantike sei ein dekadentes Zeitalter gewesen. Bei der Jahresvollversammlung der Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung in Würzburg hielt die Freiburger Wissenschaftlerin im Exerzitienhaus Himmelspforten den Festvortrag zum Thema „Augustin und die Funktion ‚nutzloser’ Bildung“. Wie Fuhrer betonte, sei die Spätantike vielmehr die Zeit der fruchtbaren Transformation klassischer Bildungsinhalte und Angelpunkt in der Vermittlung dieser Inhalte an Mittelalter und Neuzeit gewesen.
Die Texte des Augustinus’ ließen nicht nur auf eine solide Bildung des Schriftstellers schließen. Sie böten auch einen Ansatz, um über die Ziele von Bildung zu diskutieren. In seinem Werk „De ordine“ habe Augustinus eine einzigartige Systematik der sieben Freien Künste geschaffen. Sie stellen nach Fuhrers Worten für den Kirchenlehrer einen „Weg der Vernunft“ dar, der zur Philosophie führt. Von Platon geprägt, sehe Augustinus in ihr das Werkzeug, das helfe, die Wahrheit zu erfassen. Wer diese Erkenntnisstufe erlange, schaffe letztlich die Begegnung mit dem dreifaltigen Gott. Durch die Disziplinen Grammatik, Rhetorik, Musik, Geometrie, Astronomie und Dialektik werde der Mensch befähigt, die höchsten Dinge zu erkennen – „und wenn nicht zur Gotteserkenntnis im christlichen Sinn, dann doch zu dem Schluss, dass Gott durch Wissenschaft nicht erfasst werden kann“, betonte Fuhrer.
Aber auch bildungskritische Töne fänden sich bei Augustinus. Ihm sei nicht alles Wissen erstrebenswert, insbesondere eine auf weltliche, akademische Fragen begrenzte Sicht der Bildung. Aus christlicher Sicht entscheidend ist in Augustins Werk „De doctrina christiana“ die Fähigkeit zum Umgang mit der Bibel. Fast wie ein moderner Exeget verweise er auf Hebräisch- und Griechischkenntnisse, den Gebrauch von Lexika zu biblischen Orten und Personen, aber auch auf Geschichte, Naturkunde, Mathematik und Dialektik. Besonders werde die Logik betont, wenngleich sie nur die Gültigkeit von Aussagen prüfen könne, nicht aber die absolute Wahrheit. Entscheidend sei in der augustinischen Denkordnung die Ausrichtung allen Strebens auf die Liebe zu Gott und dem Nächsten, hob die Referentin hervor. Deswegen müsse jeder Kanon und jedes Bildungskonzept auch Raum für Wissen außerhalb dieses Rahmens bieten.
Die Tagungsteilnehmer erfuhren außerdem, dass das von Augustinerpater Professor em. Dr. Cornelius Petrus Mayer herausgegebene Augustinuslexikon im Sommer bei der Ausstellung „Sprache – Schrift – Bild – Wege zu unserem kulturellem Gedächtnis“ im Berliner Pergamon-Museum präsentiert wurde. Das zeige, welche Bedeutung das Zentrum für Augustinusforschung weit über die bayerischen Landesgrenzen hinaus genieße. Derzeit existierten nach Angaben Mayers mehr als 200 Rezensionen zu dem Werk. Die ebenfalls in Würzburg betreute Literaturdatenbank zu Augustinus umfasse 30.000 Titel; jährlich kämen etwa 400 neue hinzu. Die Homepage www.augustinus.de verzeichne täglich 1000 Zugriffe.
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