Es liegt ein eigener Zauber über der Osternacht.
Die vorgehenden Tage des Leidens und Sterbens Jesu, die mit der Feier der Einsetzung der heiligen Eucharistie am Gründonnerstagabend in der Abendmahlsmesse ihren Anfang nahmen, über die Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag bis in diese heilige Nacht hinein ausgespannt sind, finden nun in dieser Osternacht mit der Feier der Auferstehung des Herrn ihr Ziel.
Es ist ein gewaltiger Bogen gespannt, der das Erlösungsgeheimnis ausdeutet. Viele Texte, viele Zeichen und Symbole, eindrucksvolle Gesänge und Riten erschließen im Vollzug der Liturgie eine im Glauben verkündete Wirklichkeit, die heute wieder mehr Menschen bewusst wahrnehmen.
Alleine in dieser Nacht erleben wir eine so reiche, dichte Liturgie, dass wir schwerlich alles ausloten können. Es begann mit der Segnung des Feuers und der Osterkerze. Dann hörten wir verschiedene Lesungen, die Gottes Heilstaten wachriefen und von uns als Verheißung verstanden werden dürfen. Die Weihe des Taufwassers mit der sich anschließenden Taufe zweier junger Menschen, die hier in Würzburg studieren, Vanessa Denk und Thomas Kapitola, erschließen den Sinn dieser heiligen Nacht. Wir werden in der Taufe und Firmung durch Christus in das neue Leben der Auferstehung hinein genommen. In der sich anschließenden Eucharistiefeier lädt der auferstandene Herr uns als Erlöste zu seinem Gastmahl ein, das in sich auch schon auf das kommende himmlische Gastmahl verweist.
Liebe Schwestern und Brüder,
was für ein Geschenk wird uns in dieser Nacht nicht nur zugesprochen, sondern zugeeignet! Wir dürfen darauf hoffen, dass wir aus der Begrenzung unserer geschöpflich erfahrbaren Wirklichkeit hineingenommen sind in das göttliche Leben, das sich freilich nicht plakativ aufschlüsseln lässt. Die Fragen nach dem Woher und Wohin des Menschen sprengen das Eingeengt-Werden in den nur mit menschlicher Vernunft erfassten Lebensraum.
„Die Debatte über Schöpfung und Evolution, über Glaube und Wissenschaft, über Ziel oder Zufall im Werdeprozess unserer Welt hat in den vergangenen Monaten hohe Wellen geschlagen.“ (Vorwort in: Schöpfung und Evolution, eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo, 7) schreibt Christoph Kardinal Schönborn, der sich in den letzten Jahren intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.
Im Zusammenhang mit dem Darwin-Jahr wurde in vielen Berichten und Diskussionen die Evolutionstheorie in einen Gegensatz zum Schöpfungsbericht der Heiligen Schrift gebracht. Dabei ist die mehrfach in der Heiligen Schrift unterschiedlich gestaltete Schöpfungsgeschichte ein Lobpreis auf den Schöpfer – und keine naturwissenschaftliche Wiedergabe der Entwicklung des Kosmos und der Erde. Auch die in der heutigen Nacht gehörten Texte aus dem Buch Genesis dienen der Vergewisserung, dass Gott dieses Weltall und uns erschaffen hat.
Papst Benedikt XVI. hat in der Predigt anlässlich seiner Amtseinführung gesagt: „Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.“ (Ebd., 7) Das ist die Grundaussage dieser Tage und der Vergegenwärtigung des österlichen Geschehens in der Liturgie. Wir stammen aus der Liebe Gottes, werden in ihr durch unser Leben hindurch gehalten und finden einst die Vollendung in der Ewigkeit Gottes.
Dabei kann uns auch die Sprache der Evolutionslehre sogar hilfreich sein, wenn wir um das Verständlichmachen der uns in der Auferstehung Jesu Christi eröffneten Zukunft bemüht sind.
So sagte Papst Benedikt in seiner ersten Osterpredigt:
„Christi Auferstehung … ist – wenn wir einmal die Sprache der Evolutionslehre benützen dürfen – die größte ‚Mutation’, der absolut entscheidende Sprung in ganz Neues hinein, der in der langen Geschichte des Lebens und seiner Entwicklungen geschehen ist: ein Sprung in eine ganz neue Ordnung, der uns angeht und die ganze Geschichte betrifft…Es ist ein Durchbruch in der Geschichte ‚der Evolution’ und des Lebens überhaupt zu einem neuen künftigen Leben; zu einer neuen Welt, die von Christus her immerfort schon in diese unsere Welt eindringt, sie umgestaltet und an sich zieht“ (Osternachtsvigil, 15. April 2006, ebd. 98).
Deshalb schweigen wir nicht und verkünden die Auferstehung Jesu Christi immer wieder. Deshalb tragen wir auch immer wieder das Wort Gottes vor. Deshalb spenden wir die Taufe, feiern wir Eucharistie und leben wir aus den Sakramenten.
„Wenn die Auferstehung Christi sozusagen ‚die größte Mutation’, oder wie Papst Benedikt in derselben Predigt sagt, die ‚Explosion der Liebe ist, die das bislang unauflösbare Geflecht von ‚Stirb und Werde’ aufgelöst hat’“, schreibt Kardinal Schönborn (ebd. 98) „dann dürfen wir auch sagen: hier ist der Zielpunkt ‚der Evolution’. Von ihrem Ende , ihrer Vollendung her zeigt sich auch ihr Sinn. Mag sie in den einzelnen Schritten ziel- und richtungslos erscheinen, von Ostern her hat der lange Weg einen Sinn gehabt. Nicht ‚der Weg ist das Ziel’, sondern die Auferstehung ist der Sinn des Weges.“ Amen.