Würzburg (POW) Welcher kundige Rombesucher hat schon einmal etwas von der „Sancta Sanctorum“ oder der „Cappella Niccolina“ gehört? Die beiden Kleinodien der römischen Kunstgeschichte sind der Öffentlichkeit in der Regel unzugänglich. Umso spannender war es für die 72 Teilnehmer einer Tagung der Katholischen Akademie Domschule in Würzburg, dem Kunstgeschichtler Prof. Dr. Max-Eugen Kemper für einen Tag in die beiden Papstkapellen zu folgen.
„Es gibt auf der Erde keinen heiligeren Ort als diesen“, prangt in großen goldenen Lettern über dem Altar der „Sancta Sanctorum“. Die Heiligkeit dieses Ortes rührt von der einzigartigen frühchristlichen Salvatorikone her, die bis ins Hohe Mittelalter hinein das eigentliche Schutzbild von Rom war. Auf sie kann der Rompilger von der heiligen Stiege aus einen Blick erhaschen. Verborgen bleibt ihm jedoch der Bilderzyklus aus dem 13. Jahrhundert, der die gesamte Kapelle durchzieht. „Sehen Sie, wie schön hier die Handhaltungen herausgearbeitet sind und die Beziehung der Blicke“, kommentierte Kemper eines der zahlreichen Bilder, die er mitgebracht hatte – „eine für diese Zeit unglaubliche Lebendigkeit“. Tatsächlich brachte eine grundlegende Restaurierung im Jahr 2000 erstaunliche Erkenntnisse mit sich: Die Anfänge der italienischen Renaissance, die bis dahin an Giotto und sein Werk gebunden worden waren, verlagerten sich nun nach Rom, wo sich bereits eine ausgeprägte Schule gebildet hatte.
Mit der Cappella Niccolina tauchten die Teilnehmer ins 15. Jahrhundert ein, in die aufgewühlte Zeit des Konziliarismus. Die Kirche war gespalten, die päpstliche Oberhoheit in Frage gestellt. So folgt die Ausmalung der Kapelle durch den Malermönch Fra Angelico einem kirchenpolitischen Programm, das dem Papsttum zu neuem Ansehen verhelfen sollte. Zu sehen ist ein Mann, der im Inneren einer Basilika vor Petrus kniet und von ihm Kelch und Patene empfängt. Im Bild daneben steht er vor einer Gruppe Bedürftiger und verteilt Almosen. Ganz parallel dazu wird in einem weiteren Bildzyklus ein anderer Mann von Sixtus II. zum Diakon geweiht, bekommt von ihm die Kirchenschätze überreicht und gibt sie den Armen. Stephanus und Laurentius stehen hier als exemplarische Vertreter des geistlichen Amtes, in einer sukzessiven Linie von Petrus über den Papst. Damit wird das Amt von seinen Ursprüngen her legitimiert. Gleichzeitig ist es unmittelbar an Armenfürsorge und Wortverkündigung gebunden. In der Ausgestaltung seiner Privatkapelle besinnt sich ein Papst auf die pastorale Verantwortung des Kirchenamtes und verpflichtet sich und seine Nachfolger zur Erneuerung des geistlichen Lebens, erklärte Kemper.
Vielleicht wird der eine oder andere der Tagungsgäste doch noch irgendwann eine der Kapellen im Ganzen bewundern können. Er wird sie dann mit anderen Augen sehen, als herausragendes Beispiel der Verbindung von Kunst- und Kirchengeschichte.
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