Würzburg (POW) „Immer wieder wurde und wird versucht, die Wahrheit zu instrumentalisieren und sie für Ideologien und Systeme einzuspannen.“ Das hat der evangelische Regionalbischof Christian Schmidt am Dienstagabend, 14. Juli, in der Seminarkirche Sankt Michael in Würzburg betont. Im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft katholisch-theologischer Bibliotheken und des Verbandes kirchlich-wissenschaftlicher Bibliotheken feierte Schmidt gemeinsam mit Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand dort eine ökumenische Vesper.
Der Regionalbischof erinnerte in seiner Predigt an die dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte, als im ganzen Land Bücher verbrannt wurden. „Insgesamt nahm die Bevölkerung die Bücherverbrennungen eher gleichgültig hin – und was taten die Diener des Wortes und die Hüter der Bücher?“ Sie seien zum Teil selbst auf Seiten der Nationalsozialisten gestanden, wie der Kirchenhistoriker Hans Preuß von der Universität Erlangen. Der Theologe sei Mitglied des Kampfausschusses zur Durchführung der „Aktion wider den undeutschen Geist“ gewesen, der die Bevölkerung dazu aufgerufen habe, „zersetzende Bücher jüdischen marxistischen Geistes und Ursprungs bei der Studentenschaft“ abzugeben. Preuß selbst habe das Akademische Lesezimmer durchforstet und mit seinen Studenten und Kollegen über die Hälfte der Bücher aussortiert. Dagegen habe der Bibliotheksdirektor Eugen Stollreither aufbegehrt und sei „wegen seiner Widerständigkeit denunziert“ worden. „Mir imponiert der Erlanger Bibliotheksdirektor“, unterstrich Schmidt, „Er hat geistlicher gehandelt als der geistliche Professor“. Er sei – zumindest indirekt – einer Instrumentalisierung der Theologie und der Kirche für die Ideologie des Nationalsozialismus entgegengetreten.
Beispiele für solche Vereinnahmungen seien problemlos auch in der heutigen Zeit zu finden. Interessant sei es, herauszufinden, wie die Theologie im Laufe der Geschichte in Gefahr gewesen sei, missbraucht zu werden, und wie die Kirche selbst in Gefahr gewesen sei, ein totalitäres System zu werden. „Wie ging man in der Kirche mit Büchern um? Wer durfte welche lesen und wer nicht? Welche hat man aufbewahrt und welche hat man verbrannt?“
Ein großes Plus der Kirche sei jedoch, dass sie ihr Korrektiv immer mit sich trage: das Buch der Bücher. Jesus habe gesagt, dass es nicht unsere Aufgabe ist, das Unkraut vom Weizen zu trennen. Das dürften wir getrost Gottes Sorge sein lassen. Oft habe sich später so manches „Unkraut“ als Heilpflanze entpuppt. „Das Evangelium macht frei“, betonte der Regionalbischof, „frei vom Gesetz, frei von der Angst, frei, die Geister aufeinanderplatzen zu lassen", wie Martin Luther gesagt habe. „Die göttliche Wahrheit ist nicht totzukriegen“. Das Zweite Vatikanische Konzil formuliere, dass sich die Kirche für Menschenrechte, für Pressefreiheit sowie Freiheit von Literatur und Kunst einsetze. „Und kirchliche Bibliotheken können Horte des Geistes, der Wahrheit und der Freiheit sein.“ Über den Pforten der ältesten deutschen Universität stehe heute auf Vorschlag von Karl Jaspers „Dem lebendigen Geist“. „Ich glaube, dass der Heilige Geist und der lebendige Geist nicht sehr weit entfernt voneinander sind und dass der Heilige Geist überall da am Werk ist, wo ein lebendiger Geist weht“, schloss Schmidt.
„Die ökumenische Andacht ist ein erster Höhepunkt unserer Tagung“, hob der Leiter der Schriftgutverwaltung der Diözese Würzburg, Professor Dr. Johannes Merz hervor. Die Arbeitsgemeinschaft der Katholisch-Theologischen Bibliotheken und der evangelische Verband der kirchlich-wissenschaftlichen Bibliotheken seien die organisatorische Klammer des wissenschaftlichen Bibliothekswesens der beiden Konfessionen in Deutschland. Alle drei Jahre tagten sie gemeinsam in ökumenischer Verbundenheit und widmeten sich den gemeinsamen bibliotheksfachlichen Anliegen. Der Andacht schloßen sich eine Führung und ein Empfang in der neuen Diözesanbibliothek an.
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