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Kinder haben Recht auf Religion

Pastoraltheologe Martin Lechner spricht bei Tagung der Erziehungshilfe und Jugendsozialarbeit über religiöse Erziehung – Jugendliche glauben nicht nach festem Schema – Religion ist mehr als Kirche

Würzburg (POW) Religion sei kein Erziehungsziel, sondern ein Erziehungsmittel. Das hat Dr. Martin Lechner, Professor für Jugendpastoral an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuern, bei der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe und Jugendsozialarbeit in der Diözese Würzburg (AGkE) im Exerzitienhaus Himmelspforten erklärt. Die Vertreter der fast 50 Sozialeinrichtungen unter dem Dach des Diözesancaritasverbands diskutierten mit Lechner, wie Jugendliche Religion sehen und wie Religion in die Erziehung eingebunden werden kann.

Gute Erziehung erzieht nicht zum Glauben, sondern aus dem Glauben heraus, sagte Lechner. Glaube gleich welcher Art sei bei allen Menschen ein wichtiger Baustein ihres Selbstverständnisses. Jeder glaube an etwas. Jede Religion verheiße ein ewiges Leben. Begriffe wie Hoffnung und Zukunft seien daher untrennbar mit Religion verbunden. Im gleichen Maße, wie die Kirchen immer leerer würden und die Bindung der Bevölkerung an die Kirche schwinde, wachse das Interesse an Religion. In Medien und Werbung, auf Theaterbühnen und in Filmen würden immer häufiger religiöse Inhalte thematisiert oder religiöse Motive umgesetzt. Und gleichzeitig bilde sich ein immer stärkerer Atheismus, stellte Lechner fest. Durch die wachsende Individualisierung der Gesellschaft entscheide heute jeder selbst, ob er sich einer Kirche zugehörig fühle. Die Kirche hat darauf nur noch wenig Einfluss.

Religiöse Erziehung ist für Lechner ein wichtiger Baustein in der Gesellschaft. Kinder hätten ein Recht auf Religion und Begleitung bei Fragen religiöser Natur. Hierzu gehören zum Beispiel Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Recht und Unrecht, nach Ethik und Moral. Zudem funktioniere eine multikulturelle Gesellschaft, wie sie sich in Europa immer mehr durchsetze, nur bei Toleranz und Verständnis für andere Kulturen und Religionen. Ohne Kenntnisse von Religion blieben einem viele Aspekte europäischer Kultur und Geschichte unzugänglich. Religion sei auch nötig, um Solidarität, ein soziales Gewissen und eine Lebensfähigkeit zu entwickeln. „Leider ist Jugendpastoral in Deutschland ein völlig vernachlässigtes Feld in der Theologie. 90 Prozent der Diplom-Theologen werden für den Schuldienst ausgebildet, die anderen zehn Prozent für Erwachsenenkatechese.“ Jugendpastoral, wie sie gerade Einrichtungen der Jugend- und Erziehungshilfe benötigten, finde hingegen nicht statt, bedauerte Lechner.

Um Jugendliche für Religion gewinnen zu können, müsse man mit ihnen erst erarbeiten, was sie unter Religion verstünden. Lechners Assistentin Angelika Gabriel stellte hierzu eine neue Studie vor. In 14 Jugendhilfeeinrichtungen in ganz Deutschland hatte sie Jugendliche aufgefordert, Religion zu definieren und religiöse Motive zu fotografieren. Hierbei wurden nicht klassische Motive wie Kreuze oder Kirchen gesucht, sondern Gegenstände oder Personen, die den Jugendlichen heilig sind, die sie verehren, die ihnen Schutz und Sicherheit geben. Die Bilder zeigten unter anderen: ein Telefon – um Kontakt zur Mutter zu halten; eine Kugel in der Hand – als Welt, die man trägt; ein Computer – „der immer für mich da ist“; Treppen – als Hürden im Leben; ein Zimmer – als Zufluchtsstätte; Freunde – als Bezugspersonen; eine Mülltüte – für den ganzen Mist im Leben; eine Halskette der Oma – als liebevolles Geschenk; ein Bild der Eltern – als Bindung an die Familie; ein Glücksbringer, Rettungsringe, Naturbilder als Ruhepol und auch einige wenige Kreuze oder Heiligenfiguren. „Jugendliche sehen Religion völlig anders, als in der Schule gelehrt wird. Mit herkömmlichen Religionsbegriffen können sie nichts anfangen und als religiös würden sie sich auch nicht bezeichnen“, erklärte Gabriel. Den Wunsch nach Glaube, Liebe, Hoffnung, nach Zukunft und Geborgenheit – typische christliche Begriffe – sei bei ihnen aber genauso präsent. „Religion ist für sie mehr als die Institution Kirche. Da müssen wir sie abholen, wenn wir sie gewinnen wollen.“

(4607/1543; E-Mail voraus)

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