Prölsdorf (POW) Mit einer harmlosen Beobachtung hatte es im Sommer 2008 angefangen. Beim Spielen mit Bügelperlen stellten Kinder im Kindergarten Sankt Sebastian fest, dass eine Schale auf den Perlen wie auf Rollen über den Tisch glitt. Die Kinder wurden neugierig und bohrten nach. Es war der Anfang des Projekts „Halten, gleiten, rollen – wir erforschen den Reibungswiderstand“, das jetzt beim bayernweiten Wettbewerb „Es funktioniert? – Kinder in der Welt der Technik“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. 700 Euro Preisgeld bekam der kleine integrative Kindergarten aus der Steigerwaldgemeinde Rauhenebrach im Landkreis Haßberge. Die Prölsdorfer Kinder konnten sich gegen 50 Einrichtungen aus ganz Bayern durchsetzen. Zusammen mit Einrichtungsleiterin Ilona Schuster fuhren sieben Vorschulkinder und ihre Eltern am 24. Juli zur feierlichen Preisverleihung nach Stockdorf nahe München. Den Wettbewerb hatte zum vierten Mal das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft ausgeschrieben.
„Mit der eigentlichen Projektphase haben wir im Januar 2009 begonnen“, erklärt Schuster. Alle 24 Kinder hätten daran mitgearbeitet, die sieben Vorschulkinder bildeten die Kerngruppe. Die Kinder wollten erkunden, warum sich Gegenstände auf verschiedenen Untergründen unterschiedlich gut bewegen lassen. Der Experimentierfreude waren keine Grenzen gesetzt: Schlitten auf Eis, nasse, trockene, raue oder glatte Flächen wurden gesucht und zum Versuchslabor umfunktioniert. Möbel, Küchengerätschaften, Spielzeuge – überall entsteht Reibung, wenn man etwas in die Hand nimmt oder mit anderen Materialien kombiniert: beim Fußballspiel, beim Laufen und selbst beim Puddingrühren, stellten die Kinder erstaunt fest.
Die Eltern wurden mit eingespannt, bastelfreudige Väter sowieso. Besuche in einer Brauerei, wo die Kinder fachmännisch Rollbahnen zum Transport von Bierkästen und Fässern begutachteten, und dem Verkehrsmuseum in Nürnberg, wo sie sich vor allem die Eisenbahnräder und Bremstechniken mit Sand zeigen ließen, regten sie an zum Bau einer „Reibungswiderstandsprobiermaschine“. Auf einer Wippe montieren sie dafür glatte und raue Holzrutschen und dokumentierten genau, wie schnell Metallringe, die sie darauf legten, den Weg nach unten fanden. Dass Öl als Schmierstoff die Arbeitsfähigkeit von Motoren und Kugellagern ermöglicht, indem es die Reibung reduziert, merkten die Jungingenieure beim Besuch einer Autowerkstatt. Ein Besuch reichte, um ihnen klar zu machen, dass sie ein eigenes Kugellager bräuchten. „Das Material dazu besorgten sie sich aus einer alten Materialkiste selbst“, zeigt sich Schuster immer noch erstaunt. Das Kugellager funktioniert nicht nur, sondern es wurde umgehend in ein Geburtstagskuchenrolltablett eingebaut. Ein Vater half mit – doch nur beim Holzzuschnitt. Planung, Konstruktion, Montage und Farbgestaltung ließen sich die Kinder doch nicht von einem Amateur aus der Hand nehmen. Nur den Kuchen, waren sie sich einig, sollten die Mütter besorgen.
Und die Kinder strebten nach Höherem. Ein Digitalmikroskop, das der Kindergarten als Prämie für das Sammeln von Druckerpatronen bekommen hatte, ermöglichte den Blick in die Tiefe der Materien. So konnten die Kinder erkennen, warum einige Materialien besser rutschten als andere. Was noch fehlte, war ein Kraftmesser. Auch den bauten sie selbst. Eine Vorstellung ihrer Experimente in der Eltmanner Georg-Göpfert-Grundschule verblüffte die dortigen Siebtklässer. „So etwas hat es bei uns im Kindergarten nicht geben“, lauteten die erstaunten Schülerkommentare.
Schuster hat in ihren 23 Jahren als Erzieherin schon viele Kindergenerationen betreut. Diese Gruppe und ihr Projekt aber stächen deutlich hervor. Jeden Schritt des mehrmonatigen Experiments hat sie akribisch in einem dicken Projektordner dokumentiert. „Die Kinder wurden im Laufe der wenigen Monate immer selbstsicherer und haben sich unheimlich entwickelt. Sie trauten sich schließlich auch, fremden Leuten ihre Experimente zu erklären oder bei den Besuchen in Werkstätten die Gesprächsführung zu übernehmen“, sagt sie.
Der erste Preis ist für die Kinder aus Prölsdorf nicht nur eine Belohnung, sondern eine Steigerung. Denn am Wettbewerb „Vom Korn zum Brot“ des Bildungswerkes der Bayerischen Wirtschaft hatten sie im Vorjahr schon einmal teilgenommen. Damals wurden sie „nur“ Vierter; den ersten Preis gewann da Sankt Peter und Paul in Hammelburg, ein anderer unterfränkischer Caritas-Kindergarten.
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