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Kleine Schritte einfordern

Tagung der Katholischen Akademie Domschule nimmt Lage der Christen in der Türkei in den Blick – Gewisse Verbesserungen unter Erdoğan zu verzeichnen

Würzburg (POW) Trotz mancher Fortschritte: Die Lage der Christen in der Türkei ist in vielen Bereichen noch unbefriedigend. So lautet eine Erkenntnis der Tagung, die Katholische Akademie Domschule, Arbeitsgemeinschaft Christlich-Islamische Begegnung (ACIB) Würzburg und Internationales Islamisches Forum (IIF) Würzburg am Samstag, 19. April, im Sankt Burkardus-Haus durchgeführt haben. Rund 60 Personen nahmen an der Veranstaltung teil.

Der Blick in die Geschichte zeigt: „Es gab ursprünglich keinen christlich-islamischen Konflikt", betonte Dr. Günter Seufert. Er arbeitet in Istanbul als Türkei-Korrespondent für zahlreiche deutsche Zeitungen. Im Osmanischen Reich habe es auf dem Gebiet des Balkans Christen gegeben, denen es immer besser gegangen sei als den Nichtchristen unter christlichen Herrschern. Die religiöse Aufladung von Konflikten als Kampf vom Muslimen gegen Nicht-Muslime gebe es erst seit der Auferstehung des politischen Islams mit der Revolution im Iran 1979. Die türkische AKP, Partei des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, sei zwar ursprünglich islamistischer Ausrichtung. „Dennoch war sie es, die im Blick auf die Minderheiten einen neuen Ton angeschlagen hat und versucht, sie ernst zu nehmen", betonte Seufert.

Die laizistische Tradition der Türkei sei der Modernisierung geschuldet, die noch im Osmanischen Reich begonnen wurde, um die Vormacht des Westens zu überwinden. Bereits 1843 wurde der Abfall vom Islam nicht mehr mit der Todesstrafe geahndet, seit 1839 die Steuer ohne Ansehen der Religionszugehörigkeit eingezogen. „Begründet wurden diese Änderungen aber jeweils vom Islam her“, betonte Seufert. So sei beispielsweise die faktische Entmachtung des Sultans durch die Einführung des Parlaments mit dem islamischen Prinzip der Beratung legitimiert worden.

Als 1923 mit dem Vertrag von Lausanne die heutige Türkei gegründet wurde, sei dies bewusst als Gegenbewegung zum Osmanischen Reich, aber auch aus der Dynamik des Wettstreits gegen das christliche Europa verstanden worden. „Man sah Religion als Hindernis des Fortschritts. Auch deswegen wurde 1933 der Religionsunterricht abgeschafft. Verschiedene unabhängige Gremien in staatlicher Hand regeln seither in der Türkei Kult, die Organisation von Krankenhäusern und ähnliches.“ Die 150 christlichen Gemeinden in der Türkei würden nicht zuletzt aus der geschichtlichen engen Verknüpfung der Türkei mit dem Islam sunnitischer Prägung als Vorposten des Auslands wahrgenommen, sagte Seufert.

Eindrucksvoll schilderte Kirchenrat Gerhard Dunker (Bielefeld) Erfahrungen, die er in neun Jahren als Pfarrer der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Istanbul machte. „Dass in der Türkei Religionsfreiheit herrscht, stimmt und stimmt nicht.“ Erdoğan habe sich dafür eingesetzt, dass in den Pässen nicht mehr eine Ziffernfolge steht, die Christen als solche kennzeichnet. Dennoch gebe es keine Kirchen, Kirchengemeinden oder Klöster als selbständige Körperschaften und somit als Rechtspersonen.

„Als 1999 das schwere Erdbeben in der Türkei war, gab es kein Konto, auf das die Evangelische Kirche von Deutschland Spendengelder hätte überweisen können.“ Nur auf dem Umweg über sein Privatkonto sei der Transfer überhaupt möglich gewesen. Eine Konvertitengemeinde habe sich als Gotteshaus eine Privatwohnung eingerichtet. Als der Privatmann, auf den die Wohnung lief, starb, wollten die Kinder als Erben von der Verbindung mit der Gemeinde nichts mehr wissen und kassierten die Räume. Der katholische Lazaristenorden in Istanbul habe sein Kloster samt Schule und Krankenhaus auf einem Gelände, das einer österreichischen Adelsfamilie gehöre, und müsse bei jedem Generationenwechsel um den Fortbestand bangen. „Auch wenn wir Christen ein wanderndes Gottesvolk sind: Ab und an muss man auch mal innehalten.“ Als problematisch bezeichnete Dunker, dass seit 1972 jegliche christliche Theologenausbildung in der Türkei untersagt ist. Dabei sei es EU-weit Standard, dass die verschiedenen Religionen ihren geistlichen Nachwuchs ausbilden dürften.

An der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Seufert und Dunker auch Sema Kuzucu, Integrationsberaterin bei der Würzburger Kontakt- und Informationszentrale für Muslime, und Pfarrer Dr. Theo Wettach, evangelischer Vorsitzender der ACIB Würzburg, teil. In seiner Moderation wies Akademiedirektor Dr. Jürgen Thomassen darauf hin, dass die Regierung Erdoğan wegen der schwierigen innenpolitischen Lage keine großen Schritte auf die Christen hin unternehmen könne, ohne Gefahr zu laufen, ihr Amt zu verlieren. Kleine Schritte aber seinen möglich und müssten auch eingefordert werden.

Mehrheitlich sprachen die Referenten sich dafür aus, dass die theologischen Ausbildungsstätten wieder eröffnet werden müssten, insbesondere die Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchen auf der Insel Chalki (Heybeli). Außerdem müsse Priesteramtskandidaten und zukünftigen Religionslehrern eine Einreise zum Besuch dieser Einrichtungen erlaubt werden. Anderenfalls würden die alten einheimischen orientalischen und orthodoxen Kirchen bald völlig aussterben. Nicht ganz so dringlich, aber ebenfalls zu klären seien die offenen Immobilienfragen sowie die Anerkennung des Ökumenischen Patriarchen – nicht nur als Oberhaupt der etwa 1500 verbliebenen griechisch-orthodoxen Christen in Istanbul und Umland, sondern als Oberhaupt der Orthodoxie generell.

(1708/0547; E-Mail voraus)

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