Würzburg (POW) Für die 630 Frauen, Männer und Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg ist es die schwierigste Zeit des Jahres: Wenn andere zuhause bei ihren Familien unter dem Christbaum feiern, sitzen sie an Heiligabend und an den Weihnachtsfeiertagen oft allein hinter verschlossenen Türen in ihren Zellen. Ein kleiner Lichtblick ist die ökumenische Christvesper. In diesem Jahr ist Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Samstagnachmittag, 22. Dezember, hinter die sechs Meter hohen Mauern der JVA gekommen, um mit den Gefangenen die Geburt Jesu zu feiern.
„Viele Gefangene spüren in diesen Tagen besonders, wie andere Menschen durch ihre Schuld leiden. Die Trennung von der Familie schmerzt sehr. Vor allem Frauen, die kleine Kinder zuhause haben, leiden in der Haft“, beschreibt der katholische Gefängnisseelsorger Pfarrer Edwin Erhard die Stimmung an Weihnachten hinter Gittern. Zu Beginn des Weihnachtsgottesdienstes kurz vor Heiligabend ermutigt der Seelsorger die Inhaftierten, die Botschaft der Geburt Jesu zu leben: Gott die Ehre zu geben und zum friedlichen Miteinander der Menschen beizutragen. „Uns allen gilt die frohe Botschaft des Weihnachtsfests: Christus ist uns geboren. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, nicht um die Menschen zu richten, sondern um sie zu retten“, ruft Pfarrer Erhard den Gefangenen zu.
Als einen, der Trost und Mut in dieser schweren Lebensphase gibt, stellt der Gefängnisseelsorger Bischof Hofmann vor. „Einigen von Euch geht es besonders dreckig. Sie haben damit zu kämpfen, dass sie hier im Gefängnis sind“, spricht der Bischof in seiner Predigt die Frauen und Männer direkt an. Doch das Kind von Betlehem sei auch in der einsamsten Zelle bei den Menschen. „Ohne Angst und Scheu dürfen wir zur Krippe kommen. Die Botschaft der Geburt Christi gilt auch heute: Ich bin nicht ausgestoßen und im Abseits“, legt er den Gefangenen ans Herz. Gott sei in dem Kind von Betlehem Mensch geworden, um den Menschen aus allen Schwierigkeiten herauszuholen und ihm nahe zu sein. Gott komme zu dem, der ihn besonders brauche. „Wichtig ist, dass wir Gott in uns Mensch werden lassen. Geben Sie anderen Menschen ein gutes Wort und stehen Sie ihnen bei“, appelliert der Bischof.
Die Fürbitten bringen zur Sprache, was die Menschen hinter Gittern bewegt: Sie beten für Menschen, die auf Erden die Hölle erleben, die von ihrer Familie getrennt sind, die missbraucht wurden, und für alle Enttäuschten und Verzweifelten. Einen Engel im Gegenüber erkennen – das ist eine zentrale Bitte der Feier. Musikalisch engagieren sich zahlreiche Frauen und Männer für den weihnachtlichen Gottesdienst: der Chor vom Blauen Kreuz, der Frauen- und der Männerchor der JVA Würzburg und der CVJM-Posaunenchor Würzburg. Der evangelische Gefängnisseelsorger Hermann Eßel und sein katholischer Kollege Josef Gerspitzer tragen das Weihnachtsevangelium vor. Prominente Gäste der Feier sind JVA-Chef Robert Hutter und Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm.
„O du fröhliche“, erklingt zu Beginn der Feier, dazwischen „Tochter Zion“ und am Ende des Gottesdienstes „Stille Nacht“: Manche Träne rollt über die Gesichter der Häftlinge. Doch die emotional aufgeladene Stimmung schlägt schnell wieder um: Das „Stille Nacht“ ist noch nicht verhallt, da heißt es für die Gefangenen: Antreten zum Gang in die Zelle. Dort wartet eine einsame, schwierige Weihnacht hinter Gittern. Ein Trost mag vielleicht das Geschenkpäckchen von den Angehörigen oder von der katholischen und evangelischen Gefängnisseelsorge sein – und die Botschaft der Christvesper: „Das Kind von Betlehem ist auch in der einsamsten Zelle.“
bs (POW)
(0108/0014; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet