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Läuten ohne Einsturzgefahr

In der Gochsheimer katholischen Pfarrkirche Sankt Matthias macht eine Gegenpendelanlage das Läuten der neuen Glocken möglich, ohne dass der Glockenturm schwankt – Technischer Exot unter den Glockentürmen

Gochsheim (POW) „Ende gut, alles gut!“, sagt Pfarrer Erich Greb von der Pfarrei Sankt Matthias in Gochsheim im Landkreis Schweinfurt. Mit Hilfe einer Gegenpendelanlage können die vier im September 2005 geweihten Glocken im 34 Meter hohen Kirchturm des Gochsheimer Gotteshauses nun doch noch zur Ehre Gottes erklingen – ohne dass der Kirchturm schwankt. Am Mittwoch, 17. Mai, überzeugten sich Pfarrer Greb, Glockengießermeister Rudolf Perner und Projektleiter Alois Bürgermeister von der Passauer Glockengießerei Perner sowie der Glockensachverständige der Diözese Würzburg, Siegfried Issig, von dieser im Bistum Würzburg einmaligen Konstruktion.

Für die Pfarrei Sankt Matthias war bis zum ersten Läuten der neuen Glocken im Herbst 2005 alles so wunderbar verlaufen: Bereits 1997 beschloss der Pfarrgemeinderat die Anschaffung eines schönen wohlklingenden neuen Geläuts. Die alten Eisenhartgussglocken aus der Nachkriegszeit sollten der Vergangenheit angehören. Im heißen Sommer 2003 wurden die erheblichen Schwingungen und die Eigenfrequenz des freistehenden Turms gemessen und das neue Glockenkonzept diesen Ergebnissen angepasst. „Wir wähnten uns auf der sicheren Seite“, sagt Pfarrer Greb. Das neue Geläut sollte die Schwingungen des eigenwilligen Turms ausgleichen und ihn zum Stillstand bringen. Am 12. August 2005 nahmen Pfarreimitglieder am Glockenguss in Passau teil. Wenige Wochen später weihte Weihbischof Helmut Bauer am 24. September bei einer beeindruckenden Feier in Gochsheim die neuen Glocken, die auch mit denen der benachbarten evangelischen Michaelskirche harmonieren.

Tage später zog man das rund 3000 Kilogramm schwere Geläut hoch, montierte die vier Glocken im Turm und wartete mit Spannung auf das erste Läuten. „Der Schrecken war groß“, beschreibt Pfarrer Greb die erste Reaktion, als der Turm erneut zu schwanken begann. „Es war wie auf hoher See. Projektleiter Bürgermeister schrie: Stellen Sie das Läuten sofort ein, ehe der Turm noch einstürzt.“ Der Turm habe sich maximal zwar höchstens um drei Millimeter bewegt, doch wirke dies bei einer solch großen Masse wie auf einem schwankenden Schiff auf stürmischem Ozean, ergänzt Glockenfachmann Issig.

Was war geschehen? Der Turm hatte nach den Messungen von 2003 an Stabilität verloren. Weitere Untersuchungen ergaben nun, dass das äußere Natursteinmauerwerk mit der inneren Ziegelwand nur schwach verbunden ist. Die Folge: Je nach Außentemperatur ist der Turm unterschiedlich stabil. „Wir wissen von keinem Fall, wo sich ein Turm je nach Jahreszeit dermaßen verändert“, sagt Firmenchef Perner. Im Sommer dehnten sich die Wände des Turms aus, so dass er stabiler sei und langsamer schwinge. Im Winter sei das Gegenteil zu beobachten.

Guter Rat war teuer und kostete schließlich weitere rund 40.000 Euro zu den bereits über 80.000 Euro für die Glockenanlage: der Einbau einer so genannten Gegenpendelanlage; laut Issig eine technische Innovation, die selten angewendet wird. Die Diözese Würzburg griff der Pfarrei finanziell unter die Arme und gab 20.000 Euro für die Sondermaßnahme; 10.000 Euro hatte das Bistum bereits zur Anschaffung der Glockenanlage beigesteuert, 12.000 Euro die politische Gemeinde Gochsheim. Die weiteren Kosten muss die Pfarrei tragen. Über 20.000 Euro fehlen Pfarrer Greb noch für das gesamte Glockenprojekt. Der Geistliche hofft auf weitere Spenden.

Im Gochsheimer Glockenturm sorgt die Gegenpendelanlage nun für ein wohlklingendes Geläute, ohne Schwankungen im Turm. „Glocken und Gegenpendel arbeiten synchron, aber gegenläufig. Nur die große Glocke kann ohne Gegengewicht geläutet werden“, erläutert Issig die hochinteressante Lösung. Wenn die drei kleineren Glocken nach hinten schwingen, bewegen sich die Gegengewichte nach vorne. Die Kräfte, die bisher den Turm zum Schwingen brachten, würden so nicht mehr auf das Gebäude übertragen, erklärt Issig. „Die Glocken schwingen im natürlichen Tempo, die gegenläufigen Pendel eliminieren die Kräfte. Der schöne Klang bleibt erhalten.“

Seit 17. Mai erklingen alle vier Glocken der katholischen Pfarrkirche in Gochsheim: die Christusglocke, die Marienglocke, die Matthiasglocke und die Michaelsglocke; letztere in Verbundenheit mit der evangelischen Michaelsgemeinde, die sich auch finanziell am Kauf beteiligte. Das Geläut mit seiner Gegenpendelanlage wird als technischer Exot in die Geschichte des Bistums Würzburg eingehen. Trotz solcher Innovation sollte aber eine weitere Besonderheit nicht unter den Tisch fallen: Die Gochsheimer Christusglocke ist die erste in Mainfranken, die den Namen von Papst Benedikt XVI. trägt. Kurz vor dem Glockenguss konnten die Gochsheimer im Frühjahr 2005 das Wahlergebnis aus Rom noch einfließen lassen.

bs (POW)

(2106/0743; E-Mail voraus)

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