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„Laien befähigen, damit kirchliches Leben vor Ort nicht verkümmert“

Interview mit Dekan Gerhard Wissmüller zur Situation im Dekanat Rhön-Grabfeld angesichts der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften

Sulzfeld/Bad Königshofen/Mellrichstadt (POW) Rund 22.500 Katholiken leben in den 31 Pfarreien, fünf Kuratien und acht Filialen des Dekanats Rhön-Grabfeld im Norden des Bistums Würzburg. Bis 2010 sollen die Gemeinden sieben Pfarreiengemeinschaften bilden. „Es ist sinnvoll, in kleinen Schritten und behutsam in eine konstruktive Zusammenarbeit zu treten und alle Beteiligten mitzunehmen, damit auf Dauer die Pfarreiengemeinschaften auch fruchtbare Zellen innerhalb der Diözese Würzburg werden und bleiben“, sagt Dekan Gerhard Wissmüller (Sulzfeld) in folgendem Interview zur Entwicklung neuer Seelsorgestrukturen im Dekanat Rhön-Grabfeld.

POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Rhön-Grabfeld umschreiben?

Dekan Gerhard Wissmüller: Im Dekanat Rhön-Grabfeld sollen bis 2010 sieben Pfarreiengemeinschaften errichtet werden. Die Gemeinden Saal an der Saale, Wülfershausen und Eichenhausen bilden bereits eine Pfarreiengemeinschaft, ebenso die Gemeinden Trappstadt, Alsleben, Sternberg und Zimmerau. Letztere Pfarreiengemeinschaft soll aber mit der geplanten Pfarreiengemeinschaft Untereßfeld, Obereßfeld, Gabolshausen und Aub zu einer Pfarreiengemeinschaft zusammengeschlossen werden. Des Weiteren gibt es die Pfarreiengemeinschaft Stockheim und Ostheim und die Pfarreiengemeinschaft Obere Rhön. Diese besteht aus den Pfarreien Brüchs, Fladungen, Hausen, Nordheim, Oberfladungen, Rüdenschwinden, den Filialen Roth und Heufurt und den beiden Kuratien Leubach und Neustädles. Neben den bisher genannten Pfarreiengemeinschaften werden noch die Pfarreien Mellrichstadt, Eußenhausen, Hendungen, Oberstreu, Mittelstreu und Frickenhausen eine Pfarreiengemeinschaft bilden, sowie die Pfarreien Bad Königshofen, Eyershausen, Herbstadt, Breitensee, Althausen und Merkershausen zusammen mit den Filialen Ipthausen und Ottelmannshausen. Und schließlich werden die Pfarreien Großbardorf, Großeibstadt, Kleinbardorf und Sulzfeld, zusammen mit der Kuratie Kleineibstadt und der Filiale Leinach, ebenfalls eine Pfarreiengemeinschaft. Natürlich muss man bedenken, dass gerade bei den Pfarreien, die noch im Entwicklungsprozess stehen, viele Sorgen, Probleme und auch Ängste im Raum stehen, die beachtet und ernst genommen werden müssen. So ist es sinnvoll, in kleinen Schritten und behutsam in eine konstruktive Zusammenarbeit zu treten und alle Beteiligten mitzunehmen, damit auf Dauer diese Pfarreiengemeinschaften auch fruchtbare Zellen innerhalb der Diözese Würzburg werden und bleiben.

POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?

Wissmüller: Ein wesentliches Problem stellt die Lage des Dekanats Rhön-Grabfeld dar. Durch seine langgezogene Form – manche sprechen auch vom „Bananen-Dekanat“ – sind große Entfernungen die Regel. Das Dekanat Rhön-Grabfeld grenzt im Nordwesten an die Diözese Fulda, von Westen nach Süden an fünf verschiedene Dekanate der Diözese Würzburg und an der über 50 Kilometer langen Ostseite an die Diözese Erfurt, die früher Gebiet der DDR war. In diesem sehr ländlich geprägten Dekanat bilden die nördlichste Stadt Bayerns, nämlich Fladungen, das evangelisch geprägte Ostheim, sowie Mellrichstadt und Bad Königshofen kleine Zentren, wo sich ein Großteil des öffentlichen Lebens abspielt. Kinder und Jugendliche fahren aus den umliegenden Ortschaften dorthin in die Schulen, Erwachsene haben dort ihre Arbeitsplätze, und die Infrastruktur ist dort insgesamt viel stärker ausgeprägt. Das bedeutet aber, gerade im Hinblick auf die Errichtung von Pfarreiengemeinschaften, dass größere Ortsteile die kleineren einfach „schlucken“. Das heißt, die Menschen in den Dörfern haben Angst, dass ihre Kirchen vor Ort nur noch selten für liturgische Feiern genutzt werden und sonntägliche Gottesdienste oder die Oster- und Weihnachtsliturgie nur noch in den größeren Kirchen in den ebenfalls größeren Gemeinden stattfinden. Hier gilt es, die Menschen sensibel dafür zu machen, was die katholische Kirche an liturgischen Möglichkeiten bietet. Natürlich sollte die Feier der Eucharistie zentraler Bestand religiösen Lebens sein, aber auch andere liturgische Formen, die die Menschen zusammenbringen, um den Glauben an Jesus Christus zu feiern und die Liebe Gottes zu bezeugen, müssen wieder mehr forciert werden, damit kirchliches Leben vor Ort nicht verkümmert. Hierzu gilt es, verstärkt Laien zu befähigen, sich in den Dienst der Kirche aktiv und engagiert einzubringen. In einigen Pfarreien des Dekanats wird dies immer wieder praktiziert und umgesetzt. Auch im Haus Sankt Michael in Bad Königshofen finden Veranstaltungen statt, die dieses Anliegen zum Ziel haben.

POW: Das Dekanat ist durch seine Randlage an der ehemaligen Zonengrenze und an der heutigen Grenze zu Thüringen geprägt. Welche Auswirkungen hat dies auf die Seelsorge?

Wissmüller: Ich denke, dass es noch zu wenig wahrgenommen wird, dass wir bereits seit fast 20 Jahren ohne Grenzzaun leben. Damit meine ich, dass unsere Gottesdienste und liturgischen Feiern noch zu sehr auf unser eigenes Klientel zugeschnitten sind. In der Kommunion- und Firmkatechese oder bei Taufgesprächen kommt es immer wieder vor, dass Elternteile oder mögliche Paten konfessionslos sind. Das stellt dann meist ein Problem dar, weil die Kirche keine entsprechenden Antworten darauf hat und sich auf kirchenrechtliche Bestimmungen beruft oder hinter römischen Verordnungen verschanzt. Dies gilt allerdings nicht nur im Hinblick auf Menschen ohne kirchliche Sozialisation, sondern ist ein umfassenderes Problem, was viele innerkirchliche Bereiche betrifft. Was ich damit sagen will ist, dass es uns schwer fällt, und damit nehme ich mich gar nicht aus, auf Menschen gerade aus den östlichen Bundesländern in irgendeiner Form zuzugehen, damit sie, ganz allgemein, einen Zugang zu Kirche eröffnet bekommen. Dazu gehört auch, dass die Kirche eine Sprache findet, die diese Menschen verstehen, die so gut wie nie mit Kirche in Berührung kamen.

POW: Welche Kontakte gibt es zwischen Würzburger Pfarreien und Gemeinden in Thüringen?

Wissmüller: In den vergangenen Jahren wurden zum Beispiel vom Diözesanbüro in Bad Neustadt immer wieder Fahrten nach Thüringen organisiert, an der Mitglieder beider Dekanatskonferenzen teilnahmen. 2007 feierte die Diözese Erfurt 800 Jahre Elisabeth von Thüringen. Hierzu gab uns der Dekan von Eisenach einen Einblick in seine sogenannte Pfarreiengemeinschaft, wo manche Orte 70 Kilometer voneinander entfernt liegen. Auch fanden schon Kontakte zum Beispiel zwischen den Pfarrern von Bad Königshofen und Suhl statt: mal hat der Pfarrer von Suhl in Bad Königshofen im Sonntagsgottesdienst gepredigt und mal umgekehrt. Der Pfarrgemeinderat von Großeibstadt trifft sich mit dem Pfarrgemeinderat von Wolfmannshausen (Thüringen) einmal im Jahr zu Austausch und Begegnung. Zwei Frauen in Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat stammen von dort, und es gibt noch weitere Ehen zwischen Bewohnern dieser beiden Gemeinden. Ansonsten ist mir wenig bekannt, was Kontakte zwischen Würzburger Pfarreien und Gemeinden in Thüringen angeht, allerdings kann ich mir vorstellen, dass auch noch einige andere Pfarreien im Dekanat Rhön-Grabfeld Kontakte mit Gemeinden in der Diözese Erfurt pflegen.

POW: Wie sollte sich eine Seelsorge in einer ländlichen Region wie das Dekanat Rhön-Grabfeld in den kommenden Jahren entwickeln?

Wissmüller: Das ist eine gute Frage. Die Frage schlechthin! Einzelseelsorge im herkömmlichen Sinn wird wohl nicht mehr möglich sein. Zu diesem Problem wird es zusätzlich noch weniger Gottesdienste geben, weniger Begegnungen mit den Menschen. Allerdings darf sich Seelsorge nie und nimmer nur auf Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen reduzieren, sonst fühlen sich die Menschen allein gelassen. Das schöne Bild vom Hirten – der gute Hirte kennt die Seinen – stimmt dann nicht mehr.

POW: Im Dekanat gibt es einige lokale Wallfahrtsorte. Welche Bedeutung haben sie als geistliche Zentren?

Wissmüller: Die lokalen Wallfahrtsorte im Dekanat sind zum einen die Findelbergkapelle in Saal und die Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Ipthausen, einem Stadtteil von Bad Königshofen. Ich glaube, es ist zu viel, wenn man sagen würde, es wären geistliche Zentren, denn es gibt keine Ordensgemeinschaften an diesen Wallfahrtsorten, die so einen Ort in der Regel geistlich und geistig prägen. Allerdings sind diese beiden Kirchen Anziehungspunkte für viele Menschen, die sich hier zum Gebet einfinden, die die Ruhe und Atmosphäre der Gotteshäuser und ihrer Umgebung suchen und die um die besondere Fürsprache Mariens für persönliche Anliegen bitten.

POW: Wie beurteilen Sie eine mögliche Fusion der Dekanate Rhön-Grabfeld und Bad Neustadt?

Wissmüller: Aus meiner Sicht, und da stehe ich nicht alleine, wäre eine Fusion der Dekanate Bad Neustadt und Rhön-Grabfeld eine sinnvolle Sache. Das (Groß-)Dekanat wäre identisch mit dem Landkreis Rhön-Grabfeld, dessen Zentrum in vielen Lebensbereichen Bad Neustadt ist. Das Diözesanbüro, welches für beide Dekanate zuständig ist, hat seinen Sitz ebenso dort wie die Familienseelsorge und die RegionalsteIle für kirchliche Jugendarbeit. Auch gemeinsame Dekanatsratssitzungen fanden im Pfarrzentrum von Bad Neustadt statt. Darüber hinaus muss man die Entwicklung der kirchlichen Mitarbeiter im Zuge der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften sehen. Während die Dekanatsversammlung (Dies) in Rhön-Grabfeld zurzeit noch etwa 30 aktive pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, werden es in wenigen Jahren nur noch gut die Hälfte sein. Der Dies in Bad Neustadt ist zwar von der Anzahl der Personen etwas stärker, aber ihn wird das gleiche Schicksal ereilen. Eine Steuerungsgruppe unter Leitung von Domvikar Christoph Warmuth hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einmal die Punkte zu erörtern, die für oder gegen eine Fusion der beiden Dekanate sprechen. Schon in einer der ersten Treffen, an denen auch die beiden Dekane, die Dekanatsratsvorsitzenden und weitere Priester und hauptamtliche Laien teilnahmen, stellte sich heraus, dass es keinen Punkt gibt, der gegen eine Zusammenlegung spricht. Allerdings müssten viele Dinge sorgfältig bedacht und geklärt werden, damit am Ende keine größeren Nachteile für das zukünftige Dekanat entstehen. So wäre die Frage nach einem Dekan und zwei bis drei Stellvertretern zu prüfen, oder ob der finanzielle Rahmen der Diözese so bleibt, wie wenn es zwei kleinere Dekanate wären, und vieles mehr. Auf der Pastoraltagung im April 2008 auf dem Volkersberg, an der beide Dekanate teilnahmen, kam die Dekanatsfusion nochmals zur Sprache. Ich möchte nicht sagen, dass die Zusammenlegung aufgrund von Aussagen einiger weniger Mitglieder eines Dekanats gescheitert ist, aber sie ist doch in weite Ferne gerückt. Als Ergebnis dieser Zusammenkunft haben wir aber zwischen den beiden Dekanaten eine engere Zusammenarbeit vereinbart und wollen jährlich zweimal zu einem Groß-Dies zusammenkommen. Das erste Treffen fand im Juli auf der Thüringer Hütte statt, wo wir gemeinsam den Franziskusweg gegangen sind.

POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Rhön-Grabfeld sagen können?

Wissmüller: Ich bin kein Freund von Pfarreiengemeinschaften, sehe allerdings auch ein, dass wir im Moment keine anderen Konzepte haben, um in der Seelsorge und Pastoral den Menschen auch zukünftig Heimat zu bieten. Nur so ist es uns vielleicht möglich, den Menschen in unseren Pfarrgemeinden Räume zu schaffen, in denen sie die Möglichkeit haben, Begegnung mit Jesus Christus zu erleben und durch die Sakramente die Liebe Gottes zu erspüren.

(3908/1129)