In der Frage, ob Getreide, auch Brotgetreide energetisch genutzt werden darf durch Verfeuern oder in Biogasanlagen, verfolgen die kirchlichen Umweltbeauftragten manche Entwicklung mit wachsender Sorge, halten dies aber dennoch unter bestimmten Bedingungen für ethisch verantwortbar.
Angesichts steigender Nachfrage nach Energie (in aufstrebenden, bevölkerungsreichen Nationen wie China und Indien) bei begrenzten Vorräten an Erdöl, Erdgas und Kohle wird Energie aus Biomasse künftig eine größere Rolle spielen müssen, vorrangig Holz und andere Energiepflanzen. Denn Brotgetreide ist (wegen des für die Ernährung bedeutsamen hohen Eiweißgehalts) nicht gerade gut geeignet für die Verbrennung – wie die Probleme mit den Emissionen (Stäube, Stickoxide) zeigen. Die Kampagne (des Bauernverbandes), Weizen solle als Regelbrennstoff einfach zugelassen und gar in großem Stil genutzt werden, halte ich daher nicht für zielführend.
Es kann und darf nämlich nicht darum gehen, unseren Energiehunger einfach durch „Energiekorn“ als zusätzlichen Brennstoff decken zu wollen, um weiter zu machen wie bisher. Unseren übermäßigen Energieverbrauch senken, Ressourcen schonen und das Klima schützen – darum muss es zu allererst gehen. Hier ist – ohne Verlust an Komfort – technisch inzwischen sehr viel möglich, ohne dass es schon hinreichend umgesetzt wäre.
Es ist schon schlimm genug – um nicht zu sagen „pervers“, dass eine Tonne Weizen weit weniger kostet als das Verbrennen einer Tonne Müll. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kann ich gut nachvollziehen, dass Bauern rechnen und durch energetische Verwertung ihres Getreides Kosten sparen und ihren Betrieb sichern wollen. Was einzelbetrieblich und kurzfristig sinnvoll erscheint, kann aber für die Gesellschaft erhebliche „Risiken und Nebenwirkungen“ haben: Auf den Preisverfall für Weizen am Markt könnte ein schwerer wiegender und länger wirkender Wertverfall im Bewusstsein der Menschen folgen, könnte die Achtsamkeit für Brot und Getreide verloren gehen. Die entsetzte Reaktion vieler Bürger auf Meldungen zur Getreideverbrennung zeigen an, dass dieses Gespür noch wach ist – gewachsen auch in leidvoller eigener Erfahrung von Not und Krieg. Darüber darf man nicht einfach hinweggehen. Ferner hat Brot eine tiefe Symbolbedeutung, verwurzelt in religiösen Traditionen: Brot teilen ist Geste der Solidarität und Gemeinschaft, Christen bitten im „Vater unser“ um das tägliche Brot, das zentrale Symbol für die Gegenwart Christi ist in der Eucharistie das Brot.
Trotz der Einschränkungen und Bedenken lässt sich die energetische Verwertung von Getreide in einzelnen dezentralen Anlagen mit gesonderter Genehmigung meines Erachtens vertreten:
Auf sonst brach liegenden Ackerflächen nachwachsende Rohstoffe zu erzeugen, ist nach dem Urteil christlicher Ethik sinnvoll: Nicht erneuerbare, kostbare Energieträger wie Erdöl werden geschont und der Ausstoß an Kohlendioxid wird verringert. Ob nun Ölsaaten für Biodiesel und kaltgepresstes Pflanzenöl, rasch wachsender sogenannter Energiewald, Elefantengras oder Getreide zur Verbrennung angebaut werden, macht prinzipiell keinen Unterschied. Aus den genannten Gründen sollten allerdings nicht Weizen oder Gerste, sondern Arten wie Tridikale – ein energiereiches Futtergetreide – dafür angebaut oder Ausputz, schädlingsbefallenes oder verschimmeltes Getreide verwendet werden.
Der Welthunger kann – von akuter Katastrophenhilfe abgesehen – nicht durch Getreidelieferungen von hier aus überwunden werden. Im Gegenteil würde dadurch einheimische Erzeugung und Vermarktung dort sogar kaputt gemacht werden. Im Kampf gegen den Welthunger braucht es verstärkte Entwicklungshilfe mit Know how und standortgemäßen Pflanzen, Verringerung der Monokulturen in Entwicklungsländern und Umwidmung dortiger Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln für die einheimische Bevölkerung.
Wir in Deutschland müssen herunterkommen vom überhöhten Fleischkonsum. Jede zweite Tonne Getreide weltweit wird an Tiere verfüttert – mit deutlichen Einbußen an Kalorien für die Ernährung. Dieser Luxus ist ethisch weit bedenklicher als ein begrenztes energetisches Verwerten.
Einfach weiter auf Erdöl zu setzen, ginge mit Sicherheit zu Lasten der Ärmsten der Armen heute, die ihn nicht mehr bezahlen können – und zu Lasten der kommenden Generationen, denen dieser Grundstoff für Anwendungen, zum Beispiel in der Pharmazie, fehlen würde.
Allerdings: Gerade um den Wert von Getreide als Lebensmittel hervorzuheben, tun kirchliche Einrichtungen gut daran, nicht mit Getreide zu heizen. Den Einsatz von Holz und anderen Formen erneuerbarer Energien unterstützen wir Umweltbeauftragten dagegen mit Nachdruck.
(3406/1157)