Würzburg (POW) Mit einem Pontifikalamt im Würzburger Kiliansdom und einer Tagung der Katholischen Akademie Domschule und des Diözesangeschichtsvereins hat die Diözese Würzburg am Samstag und Sonntag, 22. und 23. September, des vor 100 Jahren geborenen und vor 50 Jahren zum Bischof von Würzburg geweihten Dr. Josef Stangl gedacht. Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele würdigte seinen 1979 gestorbenen Amtsvorgänger als einen Hirten, der durch sein Tun lehrte. Zeitzeugen schilderten Bischof Stangl in einer Gesprächsrunde im Sankt Burkardushaus als einen vertrauensvollen Seelsorger, der stets die Begegnung von Mensch zu Mensch gesucht habe.
Bischof Scheele und Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zelebrierten den Gedenkgottesdienst für ihren Amtsvorgänger Josef Stangl zusammen mit Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Mitgliedern des Domkapitels. „Wie Bischof Josef selber ganz aus Christus leben wollte, so wollte er andere zu ihm hinführen, damit sie alle das Glück der Christusgemeinschaft erfahren sollten“, sagte Bischof Scheele in seiner Predigt. Stangl selbst habe sich in der Nachfolge Christi vor allem als Diener aller verstanden und sei wie dieser bereit gewesen, sein Kreuz auf sich zu nehmen. Konsequent habe er seinen Wahlspruch „Dem Herrn ein bereites Volk“ umgesetzt: „Bischof Josef hat sich besonders dafür eingesetzt, dass die Laien ihre Rolle erkennen und wahrnehmen.“ Seiner Verantwortung bewusst, habe er sich intensiv an Konzil und Würzburger Synode beteiligt und sich für die Umsetzung der Beschlüsse eingesetzt. Auch der Ökumene sowie dem Blick auf das Judentum habe sich Stangl gestellt. Als Vermächtnis habe er kurz vor seinem Sterben zum Gebet und zum Bewahren der Würde aufgerufen, betonte Bischof Scheele.
Bei der Tagung „Die Ära Josef Stangls – Kontinuität und Erneuerung“ am Samstagnachmittag im Sankt Burkardushaus sprachen die Zeitzeugen Edeltrud Hohmann und Heinz Michler sowie die Domkapitulare Prälat Karl Rost und Monsignore Günter Putz über persönliche Begegnungen mit Bischof Stangl. Hohmann erinnerte besonders an die enge Zusammenarbeit mit Bischof Stangl in der Jugendarbeit. „Er war offen für alle Jugendlichen und bei den Gesprächen stets ein Seelsorger. Bischof Josef hat sich jedes einzelnen angenommen.“ Für die Jugend sei Bischof Stangl ein Zuhörender und Brückenbauer gewesen. Seine große Mitsorge habe darüber hinaus dem Kontakt mit den abgetrennten südthüringischen Dekanaten gegolten.
Stadtschulrat a. D. Michler rückte den frommen Priester Stangl ins Bild, den er schon als Ministrant täglich erlebt habe. Als Dozent für Religionspädagogik in der Würzburger Lehrerbildungsanstalt sei Stangls natürliche Autorität aufgrund seiner Kompetenz von den Studenten geschätzt worden. Viele persönliche Begegnungen und Fachgespräche mit Stangl habe Michler in all den Jahren als Mitglied in verschiedenen Laienräten und Elternvertreter erlebt. „Als Bischof fühlte sich Stangl nicht herausgehoben, sondern unter einer besonderen seelsorgerischen Verpflichtung. Er hat die Menschen dort abgeholt, wo sie waren.“
Domkapitular Putz, der Bischof Stangl in den letzten Lebensmonaten als Sekretär zur Seite stand, erwähnte das große Vertrauen, das Bischof Stangl jungen Menschen entgegengebracht habe. Stangl habe stets die eigene Person zurückgenommen, um aufnehmen zu können, was andere mitzuteilen haben. „Er hat die Fähigkeiten der Menschen ernstgenommen und integriert. Ein kollegialer Führungsstil war unter Bischof Stangl in der Bistumsleitung gang und gäbe.“ Noch im Sommer 1978, als Putz Bischofssekretär wurde, sei Stangl voller Hoffnung gewesen, bis zum 75. Geburtstag als Bischof wirken zu können, berichtete der Domkapitular. Prälat Karl Rost sprach das großartige Charisma Stangls an: die Begegnung von Mensch zu Mensch. „Bischof Stangl war sehr vertrauensvoll, aber auch sehr verletzlich.“ Rost habe die große Selbstdisziplin des Bischof bewundert. Persönlich habe ihm Stangl sehr bei der Entscheidung zum Priesterberuf geholfen. „Ich habe mich mit ihm prächtig verstanden.“
Eröffnet wurde die Tagung mit zwei Vorträgen. Der Kirchenhistoriker Professor Dr. Wolfgang Weiß sprach über „Josef Stangl und seine Zeit“ und der Archivdirektor der Diözese Würzburg, Professor Dr. Johannes Merz zum Thema „Hirtenamt und Gesellschaft – Josef Stangl als Bischof von Würzburg 1957-1979“. Weiß charakterisierte die Zeit vor dem Konzil im Rückblick als von einer religiös intensiven Atmosphäre geprägt, in der aber gleichzeitig eine Unruhe spürbar gewesen sei und damit auch die Bereitschaft, neue Wege zu wagen. „Unter diesen Voraussetzungen trat Josef Stangl 1957 sein Amt als Bischof von Würzburg an. Josef Stangl begann dabei seine bischöfliche Tätigkeit in den für die 1950er Jahre charakteristischen Bahnen eines Seelsorgebischofs, der nah an den Menschen ist.“
Mit Blick auf die gesamte Amtszeit des Bischofs sagte Weiß, Stangl gehöre zu den unermüdlichen Moderatoren in einer schwierigen Zeit des Umbruchs und habe sich immer als Brückenbauer und Wegbegleiter verstanden. „Es mag sogar sein, dass ihn seine stets nach allen Seiten – sozusagen nach links und nach rechts – hin vermittelnde Position, in den Fall Klingenberg hineinschlittern ließ. Andererseits wird betont, dass durch Josef Stangls verständnisvolle Art manche Erschütterungen und Krisen im Bistum Würzburg der späten 1960er und 1970er Jahre besser als in anderen Diözesen gemeistert wurden.“ Stangl habe seine Zeit stets als von Gott gegebene Aufgabe gesehen, als Zeit der Bewährung und der Gnade, betonte Weiß.
Eine Art Bilanz der Amtszeit Stangls im jetzigen Stadium der Forschung zog Archivdirektor Merz. Stangl sei kein Kirchenfürst alten Stils und kein Kirchenführer modernen Zuschnitts gewesen. Seine spezifischen Leistungen seien die Förderung der Laien sowie seine Güte und Integrationskraft gewesen. Die Kirche müsse sich zeitgemäß verhalten, war für Stangl die logische Folge aus dem Bezug der Kirche zur „modernen Welt“. „Mit seiner immer wieder angemahnten Konzentration auf die christlichen Werte, auf die befreiende, frohmachende und ermutigende Botschaft der Bibel fand er für sich den Schnittpunkt, wie er die ewigen Wahrheiten katholischer Lehre und Tradition mit den Anforderungen seiner Zeit in Einklang bringen konnte.“
Die Integrationskraft Stangls habe das Bistum Würzburg in einer Zeit des allgemeinen Umbruchs bemerkenswert stabil erscheinen lassen, sagte Merz. Es sei nicht zu Spaltungstendenzen durch die Bildung von starken Gruppen mit ausgeprägter konservativer oder progressiver Haltung gekommen. Der „Fall Klingenberg“ zeige, wie sehr Bischof Stangl in den 1970er Jahren an den Grenzen seiner persönlichen Einflussnahme angelangt war und wie sehr sein Konzept des Vertrauens und der rückhaltlosen Übertragung von Verantwortlichkeiten von jeder einzelnen Personal- und Sachentscheidung abhängig sein konnte: „Eine stärkere strukturelle Absicherung und bessere Kontrollmechanismen hätten den Tod von Anneliese Michel vielleicht verhindern können, aber ein solches Vorgehen entsprach eben nicht dem von Stangl praktizierten Amtsverständnis, das wohl erst in seinem allerletzten Lebensabschnitt in tiefes Misstrauen sich selbst und anderen gegenüber umschlug“, unterstrich Merz.
Stangls persönliche und personenbezogene Haltung sei zeitlos gültig gewesen und habe ihm zeitlebens eine breite positive Resonanz gesichert. In den 1950er und 1960er Jahren habe diese Haltung in die Herausforderungen der Zeit gepasst. Mit dem Durchbruch des Strukturalismus sei sie jedoch im Hinblick auf die Führungsaufgaben des Bischofs zu einseitig geworden. Die Haltung Stangls sei zunehmend vom Funktionieren des um den Bischof sich ausbreitenden Apparats abhängig und immer riskanter geworden. „Betrachtet man Josef Stangl als Bischof von Würzburg, so wird man ihm den Respekt für seine Einstellungen und Leistungen auch weiterhin nicht versagen können, die Art seiner Amtsführung jedoch zunehmend kritisch hinterfragen.“ Eine einhellige Urteilsbildung ist dabei nach den Worten des Archivdirektors nicht zu erwarten.
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