Himmelstadt (POW) Es sind die letzten feierlichen Minuten in Sankt Immina, die das Ende des Gotteshauses besonders vor Augen führen: In einer Prozession verlassen die Heiligenfiguren die Kirche, getragen von Vertretern der Gemeinde – Sankt Urban und Sankt Sebastian, dahinter die Gottesmutter Maria. Ministrantinnen und Ministranten folgen mit gelöschten Altarkerzen, andere gehen mit Vortragekreuz, Fahnen und Wallfahrtstafel voraus. Die Vereine schließen sich an, ebenso Vertreter der politischen und kirchlichen Gemeinde, Hettstadts Pfarrer Dr. Paul Julian mit einer Orgelpfeife – Symbol dafür, dass das Himmelstadter Instrument künftig in Hettstadt erklingen wird –, Pfarrer Rudolf Kunkel mit den Altarreliquien und schließlich Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand mit dem Allerheiligsten, dem eucharistischen Brot. Sankt Immina am Ufer des Mains in Himmelstadt ist kein Gotteshaus mehr, der Altar ist nackt, der Tabernakel steht offen und leer. Das 1965 geweihte Gotteshaus ist profaniert, ist jetzt nur noch ein Betonbau, der in Kürze abgerissen wird und einem neuen Pfarrzentrum weicht. Die direkt benachbarte kleinere Sankt Jakobus-Kirche von 1614 reicht wieder aus für die Gottesdienste der Gemeinde.
Die Stimmung ist gedrückt an diesem Freitagabend, 26. Februar, in Himmelstadt im Landkreis Main-Spessart. Über 300 Gläubige füllen den weiten Raum der Gedächtniskirche Sankt Immina. Es ist der letzte Gottesdienst, die letzte heilige Messe, die in dieser Kirche gefeiert wird. Mehrmals spricht Dekan Rudolf Kunkel, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft der Frankenapostel, zu der Himmelstadt gehört, von der „tiefen Trauer“, die ihn und viele Gläubige der knapp 1400 Katholiken zählenden Gemeinde erfüllt. „Es ist kein Glück, wenn man bei einer Profanierung an wichtiger Stelle mitwirken und zur Entscheidung mit beitragen muss“, wird Bürgermeister Harald Führer zum Abschluss dieser Profanierungsfeier in der Jakobus-Kirche sagen. „Es tut mir für Pfarrer Kunkel sehr weh und sehr leid, dass er in der Profanierungsurkunde steht“, sagt der Bürgermeister. Absolute Stille. Ein äußerst emotionaler Moment an diesem Abend.
Doch zurück in die Immina-Kirche: Auch Generalvikar Hillenbrand muss zu Beginn des letzten Gottesdienstes gestehen, dass er nicht frohen Herzens nach Himmelstadt gekommen sei. Er wisse darum, was die Menschen an diesem Abend bewege. Doch er macht Mut: „Kirche ist immer in Bewegung. Jesus Christus ist bei uns.“ Vernunftargumente hätten zum Beschluss geführt, diesen Kirchenbau abzureißen: der bauliche Zustand, die horrenden Sanierungs- und Unterhaltungskosten, die zurückgegangene Zahl der Gottesdienstbesucher und weitere Gesichtspunkte. Auf der anderen Seite stünden die Gefühle nicht weniger Menschen, die mit diesem Gotteshaus prägende Glaubenserinnerungen verbinden, weil sie hier getauft und gefirmt wurden, den Ehebund geschlossen haben und in den liturgischen Feiern für ihr Leben gestärkt worden sind. Viele hätten durch Spenden und ihren Arbeitseinsatz zum Bau der Kirche in den 1960er Jahren beigetragen. „Ist das jetzt alles Geschichte, ausgelöscht durch den Abriss?“, fragt der Generalvikar und gibt gleich die Antwort: „Das entscheidende Signal, das von unserem letzten Gottesdienst in dieser Kirche ausgeht, heißt nicht Abbruch und Rückzug, sondern Aufbruch und Neubeginn!“
Die Gläubigen erinnert er daran, dass dieses Gotteshaus in dem Jahr geweiht wurde, als das Zweite Vatikanische Konzil zum Abschluss kam. Von dieser Kirchenversammlung greift der Generalvikar drei Impulse auf, die nach seinen Worten eine Richtungsanzeige sein können, wie das kirchliche Leben weitergeht und hier vor Ort gestalten werden kann. Die Konzilsworte von der Freude und Hoffnung, von der Trauer und Angst der Menschen sollten die Himmelstadter als Motto in die „alte“ Kirche mitnehmen. Sie solle neu der sichtbare Mittelpunkt des Gemeindelebens sein, „damit auch sie zum Zeichen dafür wird, dass Christen hier vor Ort einander in der Kraft Gottes Geborgenheit und Annahme vermitteln können“.
Weiter zitiert Hillenbrand den Weihebischof von Sankt Immina, Dr. Josef Stangl: „Wenn die Messe in der Kirche vorbei ist, beginnt die Messe des Alltags, in der die Gabe der Liturgie zur Aufgabe im Leben wird.“ Die Himmelstadter sollten diesen Satz als bleibendes Vermächtnis mit in die Gottesdienstfeiern in ihrer Jakobus-Kirche nehmen, damit die liturgischen Feiern dort nicht zur Versammlung einer geschlossenen Gesellschaft würden, sondern sich der Dienst Gottes an den Menschen im Dienst aneinander fortsetze. Schließlich legt er der Gemeinde nahe, Gemeinschaft brauche das Überwinden von Grenzen. Gerade eine Kirche, die den Pilgerapostel Jakobus als Patron habe, könne ein Dauerverweis auf das Unterwegssein als Glaubensgemeinschaft sein.
Das in dem Gotteshaus Erlebte sprechen Gemeindemitglieder bei den Fürbitten aus. „Meine Eltern brachten mich als Kind hierher und ich wurde in der Taufe Mitglied der Kirche“ und „Als Kommunionkinder durften wir hier das erste Mal zum Tisch des Herrn gehen“, sagen Ministrantinnen. „Vor diesem Altar haben wir uns gegenseitig die Liebe und Treue versprochen, weil wir merkten: Gott hat uns zusammengeführt“, betet ein Ehepaar. An die Menschen, die sich für den Bau des Gotteshauses einsetzten, wird ebenso erinnert wie an die verstorbenen Priester, Schwestern, Küsterinnen und Organisten dieser Kirche. Festlich gestaltet vom Kirchenchor, dem Musikverein und der Jakobi-Band, neigt sich die letzte festliche Eucharistiefeier in der Immina-Kirche gegen 19.15 Uhr dem Ende zu.
Generalvikar Hillenbrand verliest das Profanierungsdekret des Bischofs von Würzburg, Dr. Friedhelm Hofmann, und überreicht es Pfarrer Kunkel: „Mit Wirkung vom 26. Februar 2010 verfüge ich hiermit auf Antrag von Pfarrer Rudolf Kunkel und nach Anhörung der Verantwortlichen die Profanierung der Pfarrkirche Sankt Immina in Himmelstadt, Dekanat Karlstadt, gemäß Canon 1212 des Kirchenrechts.“ Das Gotteshaus ist ab sofort kein liturgischer Raum mehr. Der Altar wird abgeräumt. Die Heiligenfiguren finden neue Heimat in der benachbarten Sankt Jakobus-Kirche. Die Orgel kommt nach Hettstadt, Kirchenbänke warten auf die Reise nach Ungarn. Aus dem profanierten Altarstein entstehen Einrichtungsstücke für die Kapelle des neuen Pfarrzentrums. „Als Kirche sind wir Gottes Volk unterwegs auf dem Pilgerweg zur ewigen Vollendung. Wenn wir jetzt diese Kirche verlassen, wird deutlich, dass wir hier keine bleibende Stätte haben. Wir ziehen aber weiter zur Kirche Sankt Jakobus in Himmelstadt, die weiterhin für diese Gemeinde als Zentrum des gottesdienstlichen Lebens dienen wird. Auf diesem Weg begleitet uns Christus selbst“, gibt der Generalvikar mit auf den Weg.
Die Gläubigenschar zieht aus dem profanierten Gotteshaus. Bischofssekretär Domvikar Simon Mayer verschließt das Hauptportal der Kirche. Die Prozession schreitet zur Jakobus-Kirche. Dort spendet der Generalvikar den eucharistischen Segen. Bürgermeister Führer ringt in seiner Schlussansprache um passende Worte. „Mancher mag sich im Profanierungsgottesdienst die Frage gestellt haben: Wäre ich öfters zum Gottesdienst in Sankt Immina gekommen, dann säßen wir heute zu diesem Anlass nicht hier.“ Von der zurückgehenden Zahl der Kirchgänger und Pfarrmitglieder ist er schnell bei der Schule der Gemeinde. Die Zahl der Schüler nimmt deutlich ab. Droht der Schule am Ort ein ähnliches Schicksal wie der Immina-Kirche? Doch der Kommunalpolitiker setzt auf das neue Pfarrzentrum, mit dem neues Leben in die Gemeinde kommen soll. „Bitte, liebe Himmelstadter, brechen Sie mit auf!“ Der Schlussappell des Bürgermeisters unterstreicht die vorausgehenden Worte von Generalvikar Hillenbrand, der am Ende seiner Predigt sagte: „Himmelstadt – nomen est omen, der Name enthält eine Botschaft: Wenn eine Gemeinde, die so heißt, auch unter veränderten baulichen Bedingungen eine Stätte ist, an der etwas vom Himmel erfahrbar wird, ist mir um die Zukunft nicht bange.“
Hinweis: Das Bayerische Fernsehen berichtet am Montag, 1. März, um 18 Uhr in der Abendschau über die Profanierung.
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