Lieber Weihbischof Helmut Bauer, verehrte liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt, liebe Angehörige und Freunde unseres Weihbischofs, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
der Weg nach Emmaus ist eine Paradigma, ein Gleichnis, unseres Lebensweges!
Zwei der Jünger Jesu machten sich am Osterabend von Jerusalem aus nach der Ortschaft Emmaus auf den Weg, weil das Unerhörte des Karfreitagsgeschehens sie verständnislos und traurig, die Nachricht vom leeren Grab – ratlos gemacht hatte.
Unterwegs gesellte sich der Auferstandene zu ihnen. Aber sie erkannten ihn zunächst nicht, obwohl ihnen bei seinem Mitgehen und seinen Katechesen „das Herz in der Brust brannte“ (vgl. Lk 24,32). Erst beim Lobpreis und Brotbrechen fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen und sie begriffen schlagartig, wer er war. Sofort machten sie sich wieder auf den Weg und gingen nach Jerusalem zurück. Dieses Erlebnis mit dem Auferstandenen, diese Botschaft konnten sie wahrlich nicht für sich behalten. Mochte der Rückweg – ca. 24 km eine Wegstrecke – noch so beschwerlich sein. Es war der Mühe wert, noch einmal aufzubrechen und die Zurückgebliebenen aufzuklären.
Liebe Schwestern und Brüder,
kann es uns anders gehen? Vom ersten Augenblick der Zeugung an, werden wir auf eine Lebensreise geschickt, die in der Geburt eine erste Entheimatung nach sich zieht. Wir werden gleichsam aus der Geborgenheit des Mutterschoßes in dieses Dasein hinein geworfen. Wer keine Mutterliebe und die Geborgenheit der Familie erfahren hat, fühlt sich verlassen, überfordert und getäuscht. Der Lebensweg wird in jedem Fall zu einem Weg der Suche nach Beheimatung, Liebe und Geborgenheit.
Mit dem Sterben erleben wir die zweite existentielle Entheimatung. Wir wehren uns vehement, diese Welt zu verlassen und klammern uns an unaufhaltbar Vergängliches. Dabei weist uns der Auferstandene den Weg in die ewige Heimat. Dort, im Himmlischen Jerusalem, haben wirt bleibende Heimat, Vollendung aller Lebenssehnsüchte und Hoffnungen.
Was für ein Segen, dass sich Gott zuerst auf den Weg zu uns gemacht hat, um unseren Lebensweg zu begleiten. Aber wie erfahren wir dies, wenn uns nicht Menschen als Zeugen dieses Geschehens begegnen?
Unser Weihbischof Helmut Bauer ist ein solcher Zeuge. Er vollendete am vergangenen Dienstag sein 75. Lebensjahr. Auch er wurde auf die Lebensreise mit allen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten geschickt. Er hatte das Glück in eine Familie hineingeboren zu werden, in der er mit Liebe angenommen und auf Christus hin geführt wurde. Obwohl die äußeren Umstände alles andere als rosig waren – die Nationalsozialisten hatten die Herrschaft ergriffen und ihre gottfeindlichen, zerstörerischen Parolen und Programme wirksam umgesetzt und teuflisch die Menschen verführt – legte er wenige Jahre nach der Katastrophe dieser Schreckensherrschaft mit den gewaltigen Kriegsfolgen – 1952 in Miltenberg das Abitur ab.
Er konnte im Kilianeum zu Würzburg und Miltenberg in das gemeinschaftliche und sakramentale Leben der Kirche hineinwachsen, Jesus in Wort und Sakrament begegnen. Aber er musste auch Spott und Hohn der Hitlerjungen und ihrer fanatischen Gruppenführer ertragen, die die Kilianisten als die kommenden ‚Pfaffen’ hänselten und auslachten, die nach dem Endsieg nach Sibirien geschickt würden.
Obwohl ihm die Internatssituation als Kind schwer gefallen sein dürfte, hat er diese Lebensspanne als eine Vorbereitung auf den Emmausweg erleben dürfen. Dem diente dann auch das Theologiestudium in Würzburg.
Wie oft mag ihm das Herz in der Brust gebrannt haben, wenn er den roten Faden der Liebe Gottes auf dem Weg zu uns erkannte und beglückend die Nähe Jesu erfuhr.
Die Priesterweihe am 21. Juli 1957 war die Besiegelung seiner Zeugenschaft. Wieder machte er sich auf den Weg zu den Seinen, die auf Ermutigung und sakramentale Stärkung warteten: Zunächst als Kaplan in Schweinfurt Heilig-Geist, dann als Präfekt am Kilianeum in Würzburg, als Direktor im Kilianeum in Königshofen und schließlich als Leiter des Kilianeums in Würzburg. Das Kilianeum – ob in Miltenberg, Würzburg oder Königshofen – war ihm so etwas wie das Emmauszuhause. Hier begegnete er dem Auferstandenen, hier ließ er sich zum Zeugen berufen. Von hier brach er auf, um anderen diese Frohe Botschaft zu verkünden.
Als Domkapitular und Dompfarrer und später zusätzlich als Stadtdekan, griff er die Auferstehungsbotschaft unserer Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan, beherzt auf und scheute keinen Weg zu den Menschen.
Der Martyrerpriester Liborius Wagner, der heute vor 34 Jahren selig gesprochen wurde, war und ist ihm stets Vorbild und Fürsprecher.
Als er am 14. Oktober 1988 zum Bischof geweiht wurde, wählte er sich den Leitspruch:
„ In viam pacis – Auf den Weg des Friedens“.
Auf diesem Weg war er nun schon lange unterwegs, auf diesem Weg ging er beherzt weiter. Zusätzlich übernahm er als Weihbischof in Würzburg auch noch die Aufgabe des Dompropstes.
Zu seinen vielen überdiözesanen Aufgaben innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz gehören z.B. der Vorsitz für die Ständige Kommission für das Gotteslob, der katholische Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft Ökumenisches Liedgut (AÖL), der Vorsitz in der Arbeitsgruppe Musik im Gottesdienst (AMiG) und die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK).
Außerdem wurde er in unserem Bistum Bischofsvikar für Liturgie und Referent für Kirchenmusik.
Begnadet mit musikalischem Talent und einer schon außergewöhnlichen Liebe zur Musik, verstand und nutzt er diese als eine geistige Himmelsleiter. Schon Heinrich Heine hatte einmal formuliert:
„ Musik steht als Vermittlerin zwischen Geist und Materie; sie ist beiden verwandt und doch von beiden verschieden: sie ist Geist, aber Geist, welcher eines Zeitmaßes bedarf; sie ist Materie, aber Materie, die des Raumes entbehren kann.“ (Schmidt, Lothar: Aphorismen von A-Z. VMA-Verlag, Wiesbaden 1971. 311).
Als musischer Mensch ist er nicht nur ein leidenschaftlicher Sänger und aktiver Pianist, sondern auch ein besonderer Freund der Kirchenmusik. (Heute wird deshalb am Ende dieses Pontifikalamtes auch das neue Zimbelgeläut gesegnet, das auf Weihbischofs Bauer Anregung hin das Domgeläute vollenden wird.)
Als Musikus hat er auch ein großes Herz, das er – wie aus einem permanenten Emmauserlebnis heraus – zutiefst in der Liebe Gottes verankert weiß und das er deshalb auch mit dieser großen Offenheit den Menschen entgegenbringen kann. Seine Predigten, die ihm als Dank des Bistums in einem eigens zum heutigen Anlass edierten Band in der anschließenden Begegnung im Kreuzgang übergeben werden, sind Katechesen auf dem Emmausweg.
Er schöpft seine Kraft aus der gelebten Christusbeziehung, die er im Gebet und in der stillen Anbetung ebenso vertieft wie in den Messfeiern und den zahlreichen Altar-, Orgel- und Glockenweihen. Besonders sind die zahlreichen Firmfeiern hervorzuheben. Unser Dom reichte bei weitem nicht aus, die vielen tausend Mädchen und Buben aufzunehmen, die er gefirmt hat. Wohl der ganze Würzburger Bischofshut würde damit gefüllt werden können.
Die Marienfrömmigkeit, die ihn zusätzlich prägt, lässt die fränkische Seele aufscheinen. Nach seiner Meinung gefragt, was er bei dem Lied „Segne du, Maria“ empfinde, antwortete er: „Wer ein Marienverehrer ist, der kennt dieses Lied in unserem Land von Kindesbeinen an. Es ist übrigens die Nummer eins der von den Katholiken gewünschten Lieder im neuen Gotteslob. Melodie und Text dieses Liedes atmen tiefste Volksfrömmigkeit. Mag es auch für manche Menschen zu sentimental sein: Ich bin dann im rechten Moment sehr gerne sentimental, besser gesagt: gemütsvoll. Bei vielen neuen Schritten in meinem Leben habe ich dieses Lied gerne gesungen.“ (POW, Freitag 14.03.2008)
Als Mann des Volkes ist er nicht nur Ehrenmitglied in vielen Zünften und Vereinen, sondern hat er auch viele Auszeichnungen bis hin zum Bayerischen Verdienstorden und Bundesverdienstkreuz erhalten.
Unser neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, gratulierte unserem Weihbischof zum 75. Geburtstag unter anderem mit folgenden Worten: „Sie dürfen auf ein reiches und erfülltes Leben im Dienste unseres Herrn zurückblicken – im Juli vergangenen Jahres feierten Sie Ihr Goldenes Priesterjubiläum, im kommenden Oktober jährt sich Ihre Bischofsweihe zum 20. Mal…Lieber Mitbruder Helmut, für all Ihre Leistungen, die Sie in den Jahren Ihres priesterlichen und bischöflichen Wirkens vollbracht haben, möchte ich Ihnen heute ein herzliches Vergelt’s Gott sagen.“ (Bonn, 14. März 2008)
Auch wir, liebe Schwestern und Brüder, möchten voll Freude unserem Weihbischof für all die Jahre seines aufopferungsvollen Einsatzes danken und zugleich in seine Dankbarkeit Gott gegenüber einstimmen.
Unser Heiliger Vater, Papst Benedikt XVI., hat das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Weihbischof Helmut Bauer angenommen. Er darf nun alle überdiözesanen Aufgaben abgeben. Ich aber bitte Dich, lieber Helmut, bis zur Weihe eines neuen Weihbischofs in unserem Bistum, Deine diözesanen Aufgaben weiter wahrzunehmen.
Lieber Weihbischof Helmut, hab Dank für Deine Zeugenschaft auf dem andauernden Weg nach Jerusalem, Deine treuen Dienste, Deine Loyalität und Deine Menschenfreundlichkeit. Geh weiter mit uns als Zeuge der Liebe Christi auf unserem Weg, bis wir einst das Himmlische Jerusalem und damit das Ziel unseres Lebens erreichen.
Amen.