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Predigt von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand am 9. Mai

in Hettstadt anlässlich der Verabschiedung von Landrat Waldemar Zorn

Liebe Schwestern, Liebe Brüder!

Das Mittelalter war in mancher Hinsicht doch sehr vorausschauend. Die Pfingstdarstellung aus dem 14. Jahrhundert wirkt nämlich fast wie ein Vorgriff auf heutige politische Verhältnisse. Da sitzen Schwarze, Rote und Grüne um einen runden Tisch und bilden von der Optik her gewissermaßen einen Kreisrat. Und man kann von dieser Runde gewiss nicht behaupten, sie sei – ein Vorwurf, der im politischen Tagesgeschäft mitunter erhoben wird – von allen guten Geistern verlassen, denn unübersehbar ist Gottes Geist in der klassischen Darstellung einer Taube mit von der Partie.

Doch ich habe dieses Motiv nicht nur wegen der originellen – wenn sicher auch unbeabsichtigtem – Querverbindungen zur heutigen Situation ausgewählt. Es ist noch viel aktueller im Blick auf das bevorstehende Pfingstfest. In allen christlichen Kirchen werden ja die Tage davor als eine Zeit des verstärkten Gebets um die Gaben des Geistes gestaltet. Vielleicht stecken in dieser alten Darstellung entscheidende Hinweise darauf, wie der Reichtum des Geistes im Mühen um die Gestaltung des öffentlichen Lebens heute zur Geltung kommt. Dabei ergeben sich unterschiedliche Zugangsweisen und Perspektiven:

1.Man kann dieses Bild zunächst von innen nach außen betrachten:
Die Strahlen, die von der Mitte ausgehen, bedeuten dann: Die Gaben des Geistes erreichen alle, keiner ist ausgeschlossen, jeder ist auf seine Weise „geistreich“. Dabei darf es ruhig unterschiedliche Färbungen oder, biblisch gesprochen, Charismen, geben – denn das Ganze - in Ihrem Fall: der Einsatz aller für die Gesellschaft und das öffentliche Leben – kann nur Wirklichkeit werden, wenn alle einander ergänzen und keiner für sich allein den Heiligen Geist (oder profaner gesprochen: den vollen Durchblick) beansprucht. Konkret gefragt: Sind wir noch fähig, im politischen Wettstreit gute Ideen, geistreiche Initiativen auch bei anders Gefärbten wahrzunehmen und anzuerkennen? Vielleicht kann uns dieses Bild ja zu einer heilsamen Gewissenserforschung anregen. Denn es signalisiert ja umgekehrt keine oberflächliche Harmonie: Unterschiede dürfen sein und deutlich werden, aber sie stehen im Dienst des Ganzen. Ich gehe sicher nicht fehl, wenn ich diese Deutung auch auf das Bemühen des scheidenden Landrats beziehe, die Verschiedenheit der politischen Positionen zu respektieren, sie aber in die gemeinsame Aufgabe einzubinden.

2.Man kann aber auch die Perspektive verändern und das Bild von außen nach innen betrachten:
Dann konzentriert sich der Blick auf den Mittelpunkt, nämlich auf das Christussymbol im eucharistischen Brot. Da Bilder eine große Bandbreite an Deutungen zulassen, ist es sicher erlaubt, von der theologischen gleich auf die allgemein menschliche Ebene zu gehen: Wir Christen sind ja überzeugt davon, dass durch Jesus der Wert des Menschen als Gottes Geschöpf neu definiert worden ist. Wenn nun auf unserer Darstellung die Verbindungslinien von den einzelnen Personen zur Mitte laufen und sich dort treffen, dann lässt sich das im aktuellen Bezug durchaus so deuten: Alle einzelnen Maßnahmen und unterschiedlichen Ansätze im politischen Bemühen brauchen den Menschen als Maßstab; er und nicht unser Eigen- oder Gruppeninteresse steht im Mittelpunkt. Ist es möglich, sich in allen konkreten Unterschieden im demokratischen Leben beim Wettstreit der Ideen darauf zu verständigen? Das entspricht, so denke ich, auch dem Motto „Schwerpunkt Mensch“, das Landrat Zorn in seinem Bilanzinterview kürzlich als Leitgedanken seiner Amtszeit formuliert hat. „Schwerpunkt Mensch“ - hier laufen die Verbindungslinien aller Lebensbereiche zusammen, seien sie nun sozialer, kultureller oder religiöser Ausprägung.

3.Schließlich kann man die Optik nochmals wechseln und unser Bild als Ganzes betrachten:
Da wirkt der Menschenkreis zunächst etwas befremdlich, nämlich wie eine geschlossene Gesellschaft. In der Tat bei jeder Form des Engagements – im kirchlichen genauso wie im politischen Bereich – gibt es die Gefahr, betriebsblind zu werden. Aber es ist ja schließlich ein Pfingstbild und wir wissen, wie die Geschichte weitergeht: Gottes Geist hat damals den geschlossenen Kreis der Jünger Jesu aufgesprengt und sie fähig gemacht, mit neuem Schwung auf ihre Mitmenschen zu- zugehen. Gottes Geist bringt in Bewegung, führt über Grenzen hinaus und weckt neue Leidenschaft – wenn das auch ein Kennzeichen des politischen Bemühen ist, dann kann bei aller Eintönigkeit, die es dabei mitunter auch geben kann, immer wieder „Begeisterung“ im tiefsten Wortsinn entstehen, die vor dem Versinken im Alltagstrott bewahrt. Dieses grenzüberschreitende Handeln sehe ich beispielhaft in den Partnerschaftsbemühungen des bisherigen Landrats mit Regionen in Israel und Tschechien: Auch da wurde Verschlossenheit, die aus Belastungen der Geschichte entstanden ist, durch Begegnung und Versöhnung aufgesprengt auf eine neue Zukunft hin. Auch das waren Schritte aus der Enge belastender Zwänge hinaus in eine Weite, die ungeahnte Möglichkeiten bereithält, die freilich auch konsequent genutzt werden müssen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Vielleicht spüren sie, was in einem Bild aus vergangenen Zeiten an Impulsen für die Gegenwart und die Zukunft stecken kann. Zum Schluss sei mir noch ein persönliches Wort an Waldemar Zorn erlaubt. Sie haben für diesen Gottesdienst bewusst die Verwendung der vorgesehenen Tageslesungen gewünscht. In ihnen kommen zwei Männer vor, die mitunter sehr gegensätzliche Ansichten hatten und doch mit ihren unterschiedlichen Begabungen im Dienst der einen Sendung standen: Paulus in der Lesung aus der Apostelgeschichte (Apsg 25, 13-21) und Petrus im Johannesevangelium (Joh 21, 15-19). An Petrus richtet sich das Wort Jesu: „Als du jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wird ein anderer dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“.

Ich denke, in diesem Satz steckt ein Stück Ihrer persönlichen Lebenserfahrung: Etwas von der Aufbruchstimmung, dem Schwung und Ideenreichtum, die man im Einsatz für die Öffentlichkeit braucht, aber auch etwas von der Einsicht, dass es Phasen gibt, in denen nicht wir das Marschtempo und die Richtung unseres Lebens bestimmen. Auch Ihnen sind solche Zeiten in Form von Krisen und Krankheit nicht erspart geblieben. Sie haben einmal in einem Interview geäußert, dass Sie gerade da Halt im Glauben und Führung durch Gott gespürt hätten. Ich weiß aus den Äußerungen zahlreicher Menschen, dass Sie mit dieser Haltung vielen Mut gemacht haben. So wünsche ich Ihnen, dass Sie und Ihre Familie diese Begleitung durch Gottes Geist in guten und in schweren Zeiten weiterhin spüren und dass Sie als „Landrat i. R.“ nicht nur in Ruhe sind, sondern auch in Reichweite bleiben für Menschen, die diesen Dienst der Ermutigung brauchen. Dazu wünsche ich Ihnen Gottes Segen.

Amen.