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Predigt von Regionalbischof Christian Schmidt

Auslegung zu Mt 28, 16-20 beim Gottesdienst anlässlich der 3. ökumenischen Wallfahrt auf den Kreuzberg am Samstag, 19. September 2009

Letzte Woche bin ich in der Regel des heiligen Benedikt auf einen wunderbaren Satz gestoßen. Er heißt: „Wer im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit.“ „Processu fidei“ steht im lateinischen Text, also „im Prozess des Glaubens“. Der Glaube ist ein Fortschreiten, ein Prozess. Wir bleiben auch im Glauben nicht stehen. Martin Luther hat es so gesagt:

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden;

nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden;

überhaupt nicht ein Sein, sondern ein Werden;

nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.

Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber.

Es ist noch nicht getan und geschehen, es ist aber im Schwang.

Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.

So einen Weg haben wir heute gemacht. Für Sie war er länger als für Bischof Friedhelm und mich. Und trotzdem – für mich war es die erste richtige große Wallfahrt meines Lebens. Und ich empfinde das als ein sehr schönes Erlebnis. Man schaut auf den Weg, man schaut auf das Ziel, der Blick wird weit. Man spürt seinen Körper, merkt seinen Atem. Man schaut weg von sich, von seinen Sorgen, man schaut auf das Kreuz.

Das Kreuz ist für mich wie ein Spiegel. Ich merke: Dass du da hängst, Jesus, das hat auch etwas mit mir zu tun; mit meinem Misstrauen, mit meinem Egoismus, dass ich halt manchmal auch gerne selber ein kleiner Herrgott sein möchte – das alles sind Hammerschläge, die dich ans Kreuz bringen.

Und das Kreuz ist für mich wie ein Fenster, und ich sehe: So groß ist die Liebe Gottes zu mir und zu der ganzen Welt, dass sie bis zum Letzten, bis zum Tod geht. Da wird es mir warm ums Herz, und das Herz wird weit.

Und was ich noch sehr schön finde: Man bleibt beim Wallfahren nicht für sich, man kommt zu sich und aus sich heraus: Man betet, kommt ins Gespräch mit Gott. Und ist nicht allein unterwegs, sondern eingebettet in eine große Gemeinschaft.

Martin Luther hatte ja etwas gegen das Wallfahren. Er konnte diese Ablehnung, z.B. in den Schmalkaldischen Artikeln, so deftig ausdrücken, dass ich es hier gar nicht zitieren kann. Das hängt damit zusammen, dass zu seiner Zeit wohl doch viele geglaubt haben, sie könnten sich damit ein Stück vom Himmel verdienen. Aber wenn er das heute erlebt hätte, hätte er es bestimmt auch als ein großartiges Symbol empfunden, das den Glauben stärken kann, das uns helfen kann, auf dem Weg zu bleiben und ein weites Herz zu bekommen.

Ja, ich denke, richtiges Wallfahren kann ein Sinnbild sein für unseren persönlichen Glauben, für den Glauben unserer Kirchen, und für unser ökumenisches Unterwegssein.

Wenn ich mein Leben anschaue, dann merke ich: Mein Glaube ist ein Weg, ein Prozess, und ich denke, Ihnen geht es ähnlich. Immer mehr wächst man hinein, immer mehr erkennt man: Es geht nicht in erster Linie um theologische Formeln – so notwendig diese auch sind. Es geht nicht um eine Lebensversicherung, nicht um Geschäfte, die wir mit Gott machen möchten nach dem Motto: „Ich bin brav und anständig, dann musst du mich aber auch belohnen, und wenn’s mir schlecht geht, dann glaub ich nicht mehr an dich.“ Nein, wir schreiten weiter. Wachsen immer mehr in das Vertrauen hinein, verlassen uns – auf IHN. Blicken auf IHN, und überwinden unsere Sorgen und unsere Angst und merken: „Wer im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit.“

Das Gegenteil von Weite ist Enge. Und das Gegenteil von Glauben und Vertrauen ist Angst. Die Angst schnürt uns die Kehle zu, macht alles eng, dass wir fast nicht mehr schnaufen können. So wie den Jüngern nach der Kreuzigung des Herrn, wo sie sich ganz alleingelassen fühlen und in einem Zimmer verschanzen. Ja, wenn wir einsam, allein und verlassen sind, kriegen wir Angst. Aber da steht auf einmal der Auferstandene in ihrer Mitte: Die Gemeinschaft mit Gott ist stärker als der Tod, die Liebe ist stärker als der Tod, und der auferstandene Herr haucht ihnen seinen Lebensatem zu. Und als er nach seinen Erscheinungen Abschied nimmt, da sagt er: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Da können sie wieder atmen, da wird ihr Herz ganz weit. Sie wissen: Wir sind nicht allein und verlassen, nie mehr. Und sie folgen seinem Auftrag und gehen hinaus in die weite Welt und lehren alle Völker mit Wort und Tat. Elf von ihnen sterben den Märtyrertod, aber sie wissen: „Wer glaubt, ist nie allein“; der, der uns so liebt, wie kein Mensch uns lieben kann, er ist immer bei uns und für uns da. Und darum tut sich auch nach der Enge des Todes eine ganz große Weite auf: „Wer im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit.“

Ich glaube, dieser Satz ist auch für uns als Kirchen und für unser Miteinander in der Ökumene sehr wichtig.

Auch als Kirchen bleiben wir im Glauben nicht stehen, sondern schreiten voran. Und unser Herr will uns die Angst nehmen und unser Herz weit machen.

Wer Angst hat, tut sich schwer, auch einmal Fehler zuzugeben, muss sich immer verteidigen. Im Glauben können wir sagen: Wenn wir euch wehgetan und verletzt haben – es tut uns von Herzen leid, wie das z.B. vor elf Jahren unsere Bayerische Landeskirche gegenüber den Juden getan hat, oder Papst Johannes Paul II. im Milleniumsjahr.

In der Angst sehen wir nur uns, drehen wir uns nur um uns selbst – geht unsere Identität, unser Profil nicht verloren? Im Glauben können wir von uns absehen und bekommen den anderen in den Blick. Merken es: Dass er anders ist, andere Akzente setzt, das ist nicht eine Bedrohung, sondern das kann eine große Bereicherung unseres Glaubens sein. Was verdanken wir als evangelische Christen für unseren Glauben nicht alles auch der katholischen Kirche! Und ich denke, dass ich das auch umgekehrt sagen darf: Wir sind dankbar und glücklich, dass so viel von dem, was Martin Luther besonders wichtig war – die Hochschätzung der Heiligen Schrift für alle, die Volkssprache im Gottesdienst, der Laienkelch, das gemeinsame Priestertum aller Glaubenden, dass das seit dem 2. Vaticanum in der katholischen Kirche ganz selbstverständlich ist.

Versetzen wir uns einmal nur fünfzig Jahre zurück: Können Sie sich vorstellen, dass wir da so miteinander auf den Kreuzberg gewallt wären? Gott-sei-Dank, dass das heute geht! Dank Ihnen, lieber Bischof Friedhelm. Danke denen, die es seinerzeit angeregt haben, da war unser Landessynodaler Fritz Schroth dabei. Danke allen, die diese Wallfahrt so liebevoll vorbereitet haben, und Danke Ihnen allen, dass Sie gekommen seid. Dass wir heute miteinander den Weg zum Kreuz gegangen sind, das ist für mich ein ganz starkes Zeichen dafür. „Wer im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit.“

Ich denke, wenn die Ökumene Frucht eines Glaubensweges ist, dann wird es gut mit ihr weitergehen. Unsere Landessynode im Frühjahr 2010 in Weiden wird das Thema „Ökumene“ haben. Und hoffen und beten wir, dass auch der Ökumenische Kirchentag in München uns geistlich weiter zueinander wachsen lässt, damit wir miteinander „durch das Leiden und Kreuz Jesu zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen.“

Im Glauben wird das Herz weit und voller Liebe, und auf diese Weite und Liebe wartet die Welt, in die uns unser Herr gesandt hat.

Die Liebe öffnet uns die Augen. Da erkennen wir, wenn sich in einem jungen Menschen eine Verzweiflung zusammenbrauen will, die ihn zum Amokläufer werden lassen könnte, und er weiß: ich kann über meinen Frust reden. Dass es nicht so weit kommt wie in Winnenden oder wie vorgestern in Ansbach – nehmen wir die Opfer, aber auch den Täter mit in unser Gebet hinein und legen beide Gott ans Herz.

Da sehen wir in den hungernden und geschundenen Menschen in Afrika unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, und fangen an, zu teilen.

Und merken, wie schön es ist, anderen zu helfen, und wie das Sinn in unser kleines und enges Leben bringt.

Wir merken: Wir haben eine Aufgabe für die ganze Welt, und weltweit gehören wir zusammen und arbeiten wir zusammen am Bau des Reiches Gottes, das unser Herr einmal selbst vollenden wird.

ER ist an der Macht, IHM ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Die Liebe behält das letzte Wort, das sich Hineingeben und Sich-Hingeben. „Wer im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und wir laufen im unsagbaren, süßen Glück den Weg seiner Gebote.“

Amen.