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Puppenküche, Panzer und Papierkrippe

Ausstellung im Malerwinkelhaus in Marktbreit dokumentiert Kulturgeschichte des Weihnachtsgeschenks – Zahlreiche Raritäten aus verschiedenen Epochen

Marktbreit (POW) Die Krankenschwester „Miss Curity“ ist heute wieder besonders adrett gekleidet. Jeder Knopf an ihrem blütenweißen Kittel sitzt an der richtigen Stelle. Blonde Engelslocken blitzen unter der Schwesternhaube auf ihrem Kopf hervor. Die strahlend blauen Augen verleihen ihr ein zeitlos jugendliches Aussehen. Dabei hat die Amerikanerin schon viele Jahre auf dem Buckel. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist sie nach Deutschland gekommen – als Spielzeugpuppe in einem Weihnachtspaket aus den USA. Jetzt steht die Figur der Krankenschwester im Museum Malerwinkelhaus in Marktbreit. Gemeinsam mit anderen seltenen und nostalgischen Exponaten ist sie im Rahmen der Sonderausstellung „Bring euch viele Gaben... – Zur Kulturgeschichte des Weihnachtsgeschenkes“ vom 21. November bis zum 17. Januar zu besichtigen.

Die ehrenamtlichen Museumsbeauftragten Angelika Breunig und Gudrun Wirths haben die Ausstellung über die Feier des Weihnachtsfestes und der Bescherung an Heilig Abend in verschiedenen Zeitepochen konzipiert. Mithilfe von 20 Zeitzeugen der Jahrgänge 1912 bis 1946 sowie vielen privaten Leihgaben spannen sie einen „Geschenk-Bogen“, der vom frühen 19. Jahrhundert über die Zeit der beiden Weltkriege bis zum Wirtschaftswunder der 1950er Jahre reicht. In den liebevoll gestalteten, verwinkelten Räumen des Museums lassen sich einige Raritäten auffinden.

Im Dachgeschoss des Hauses erwartet die Besucher ein Wohnzimmer aus der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts. Aus einem alten Kindergrammophon ertönt weihnachtliche Musik. Auf dem Tisch steht ein seltenes Exemplar einer Papierkrippe. Als fragile Zierde unter deutschen Weihnachtsbäumen hatte sie nicht lange Bestand: „Die meisten Papierkrippen wurden von Kerzenflammen angeschmort“, sagt Wirths lächelnd. Einen robusteren Eindruck machen da schon die Panzer und Kriegsschiffe, mit denen die Jungen im Wilhelminischen Zeitalter zu Weihnachten beglückt wurden. Das geschah im Vorfeld des Ersten Weltkriegs nicht ohne zweifelhafte pädagogische Hintergedanken. Schließlich galt es das Interesse der Jugend für das Soldatentum zu wecken. Die Mädchen wurden dagegen mit der Puppenküche auf die ihnen zugedachte Funktion als Hausmutter vorbereitet, erklärt Ausstellungsleiterin Breunig.

Während der beiden Weltkriege und in der Zeit danach konnte das Weihnachtsfest oft nur unter erschwerten Bedingungen und in materieller Not gefeiert werden. Die Geschenke entsprachen den praktischen Erfordernissen der Zeit. Oft gab es Nüsse oder Äpfel für die Kinder und selbstgemachte Präsente wie Schals, Mützen sowie Pullover aus Restwolle. Spielzeug und Puppenstube wurden aus Holz geschnitzt und geschreinert. Die Frauen schickten ihren Männern Zigaretten, Essen, Plätzchen, Socken und Handschuhe per Weihnachtspäckchen an die Front.

Ausführlich dokumentiert die Ausstellung, wie sich das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre in den Weihnachtsgeschenken widerspiegelte. Die Miniatur-Figuren in der Puppenküche sind auf einmal von modernen Haushaltsgeräten umgeben. Die Mädchen spielten mit den ersten Barbie-Puppen, die Jungen träumten von der elektrischen Eisenbahn, die im Malerwinkelhaus nun wieder ihre Runden unterm Christbaum dreht. In einer Glasvitrine, einige Schritte weiter, sind eine Nerzstola und eine Kette aus knallroter Koralle zu bewundern, mit denen die Männer ihre Frauen an Heilig Abend überraschten. Das Kölnisch Wasser darf da selbstverständlich nicht fehlen.

Ein weiteres Highlight dieser Zeit ist ein Plattenspieler, den der Betrachter von heute mit einem modernen Waffeltoaster verwechseln mag. Von der zeitgenössischen Werbung als „formschöner Phono-Automat“ gepriesen, funktionierte er wie ein aktueller CD-Spieler. Die Schallplatten, häufig mit Musik von Peter Kraus oder Peter Alexander, mussten horizontal in eine Öffnung an der Front des Geräts geschoben werden. Besonders Radio- und Fernsehgeräte sowie Elektroartikel standen auf dem Wunschzettel vieler Erwachsener ganz oben. Die Ratenzahlung – eingeführt von Versandhäusern wie Neckermann und Quelle – machte auch größere Investitionen möglich.

Breunig und Wirths haben seit dem Frühjahr an ihrer 40. gemeinsamen Ausstellung gearbeitet. Beide betonen, dass sie damit keineswegs die Geschenke in den Mittelpunkt von Weihnachten rücken wollen. Im Begleitheft zur Ausstellung verweisen sie auf einen Artikel des Ratgebers für Haus und Familie, der schon 1956 vor zu viel Kommerz beim Weihnachtsfest warnte: „Wir haben heute alle eine Neigung dazu, den Herrn Neureich zu spielen, und vergessen dabei ganz, dass es im Leben nie auf Äußerlichkeiten, sondern in entscheidenden Stunden immer auf die Stärke und die Kräfte des Herzens ankommt. Der Sinn des Weihnachtsfestes wird völlig verfälscht, wenn wir das Kind in der Krippe mit einem Berg prächtiger Geschenke zudecken und seinen Glanz damit zum Verlöschen bringen.“

Hinweis: Die Ausstellung zur Kulturgeschichte des Weihnachtsgeschenks im Malerwinkelhaus, Bachgasse 2, in Marktbreit ist geöffnet von Samstag, 21. November bis Sonntag, 17. Januar, dienstags bis freitags von 10 bis 12 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 14 bis 17 Uhr, sonst nach Vereinbarung. Am 24., 25. und 31. Dezember ist geschlossen. Weitere Informationen beim Museum: Telefon 09332/40546, Fax 09332/591597, E-Mail museum@marktbreit.de, Internet www.marktbreit.de.

(4809/1385; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet