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Religiöser Aufbruch in Ruinen

Bayerische Landesausstellung in der Würzburger Residenz beleuchtet auch Rolle der Kirche in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg

Würzburg (POW) In großen Lettern prangt der wohl bekannteste Ausspruch des jungen Würzburger Bischofs Julius Döpfner aus dem Jahr 1949 an der Wand, im Hintergrund ist das Bild einer zerstörten Häuserfassade mit abgebrochener Wohnungswand zu sehen: „Wohnungsbau ist heute in Wahrheit Dombau.“ Der Satz prägt wie der junge Bischof selbst die Zeit des Wiederaufbaus in Würzburg nach den Schrecken und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Die Bayerische Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte beleuchtet in der Würzburger Residenz bis 4. Oktober „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“. Im Umfeld von Amerikahaus, Nierentisch und Petticoat wird die Rolle der Kirche als große Autorität in moralischen Fragen deutlich und als Institution, die das Leben der Menschen prägte.

Zwischen Kicker, Milchpilz und der unvergessenen Reporterstimme vom WM-Endspiel Deutschland gegen Ungarn 1954 führt ein Großereignis den religiösen Aufbruch im Würzburg der Nachkriegszeit vor Augen: Das wandfüllende Foto zeigt die Rückkehr der Reliquien der Frankenapostel in die Bischofsstadt. 1943 wurden sie aus Sicherheitsgründen nach Gerolzhofen ausgelagert in einer Truhe, die als Leihgabe des Diözesanarchivs Würzburg ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist. Zum Kilianifest 1949 kehren die Häupter Kilians und seiner Gefährten zurück nach Würzburg. Die halbe Stadt ist auf den Beinen und versammelt sich um den Schrein der Märtyrer beim Gottesdienst mit Bischof Döpfner am Residenzplatz. Die zentrale Bedeutung der Kirche für viele Menschen in den Nachkriegsjahren wird augenfällig.

Gleichzeitig veranschaulicht die Landesausstellung an dieser Stelle auch den Einfluss der Kirche auf das Leben einzelner Menschen. Die „oberhirtliche Mahnung“ von Bischof Josef Stangl aus dem Jahr 1958 fordert den geschiedenen Valentin B. und dessen zweite Frau Elisabeth auf, „dieses sündhafte Verhältnis“ aufzugeben. Ansonsten werde das Paar von den Sakramenten ausgeschlossen. Die Festigung der Familie ist das Ziel der Kirche in der Nachkriegszeit. So steht das Motto „Baut Familie neu!“ über dem Katholikentag 1951 in Schweinfurt. Kirchliche Verbände strahlen Begeisterung, Selbstbewusstsein und Anziehungskraft für alle Generationen aus. Der Priester gilt als große Autorität in den 1950er Jahren: Birett und Gebetbuch stehen in der Ausstellung dafür.

Herausragendes Beispiel des Wiederaufbaus zerstörter Gotteshäuser in Würzburg ist der Kiliansdom. Der halb zerschlagene Kopf eines Puttos, der Beschlag eines Buchpults aus der Zeit um 1700 und ein ehemaliger Gewölbe-Schlussstein aus der Werkstatt Riemenschneiders sind als Details des zerstörten Doms in der Residenz zu sehen. Bis 1967 dauert die Erneuerung der Kathedrale. Erbittert wird über die Innengestaltung gestritten. Barocke Gestaltung oder völlige Purifizierung heißt die Frage. Rudolf Esterer will die Seitenwände mit Stuck in barocken Formen verzieren, Diözesanbaumeister Hans Schädel setzt auf schlichte Formen. Entwürfe der Innen- und Außengestaltung des Doms spiegeln in der Landesausstellung die Bandbreite der unterschiedlichen Vorstellungen wider. Am Schluss steht ein Kompromiss: Erhalt oder Erneuerung des Stucks in Querschiff, Chor und Vierung, nicht jedoch im Langhaus.

Drei Nachbargebäude des Würzburger Doms werden als Beispiele für Rekonstruktion, Moderne sowie Anpassung und Auseinandersetzung gezeigt: Der zerstörte Marmelsteiner Hof wird originalgetreu wiedererrichtet. Lediglich das Dach wird verändert. Ganz der Moderne der Nachkriegszeit verschrieben ist das Sankt Burkardushaus. Das Sparkassengebäude am Dom und spätere Kilianshaus entsteht als barock wirkendes Gebäude aus einem zerstörten Bau aus den 1920er Jahren. Weitere Beispiele für kirchlichen Wiederaufbau in Würzburg sind die Kirche Sankt Alfons und Sankt Laurentius: Lautstarke Proteste und den Titel „Sprungschanze Gottes“ gibt es für die von Hans Schädel geplante Kirche auf der Keesburg. In Heidingsfeld plant Schädel den Wiederaufbau der Sankt Laurentiuskirche in rein romanischer Form, weshalb er am Turm der zerstörten Kirche den Putz abschlagen lässt.

Wie es zu Zerstörung und Neuanfang kam, wird zu Beginn der Schau drastisch vor Augen geführt: Den Besucher erwartet ein Raum mit dem Modell der zerstörten Bischofsstadt am Main. Der Fußboden ist mit einem riesigen Foto des alten Würzburgs bedeckt. Hitlers Drohung von 1940 ist über einem Bild der Ruinen Würzburgs an der Wand zu lesen: „Wir werden ihre Städte ausradieren.“ Der Zerstörungswahn Hitlers kehrte mit bitterbösen Konsequenzen nach Deutschland zurück.

Weitere Informationen zur Landesausstellung im Internet unter www.wiederaufbau.hdbg.de.

(2009/0576; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet