Würzburg (POW) Deutschlands Männer werden moderner: Immer mehr Männer wollen sich nicht nur im Job verwirklichen, sondern auch im Haushalt und bei der Kindererziehung mithelfen. Das hat die repräsentative Studie „Männer in Bewegung“ herausgefunden. Demnach hat der traditionelle Männertyp seine negative Einstellung zur Berufstätigkeit von Frauen in den vergangenen Jahren erheblich revidiert. Dr. Andreas Ruffing, Leiter der kirchlichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen, wies bei der Präsentation der Ergebnisse im Exerzitienhaus Himmelspforten in Würzburg zudem darauf hin, dass die Lebensbereiche Religion und Kirche für Männer sehr an Bedeutung gewonnen haben.
1470 Männer und 970 Frauen haben der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner und der Düsseldorfer Soziologe Rainer Volz im Auftrag der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands (GKMD) für die Studie befragt. Themen waren Familie, Beruf, Gefühle, Gewalt, Religion und Kirche. Gefördert wurde die Studie aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums. Als Grundlage diente den Forschern die Vorgängerstudie „Männer im Aufbruch“ aus dem Jahr 1998.
Im Vergleich zu dieser Erststudie gäbe es heute mehr moderne Männer in Deutschland, betonte Ruffing, der an der Entwicklung beider Umfragen beteiligt war. So hat die Wertschätzung der Frauenemanzipation bei Männern um sieben Prozentpunkte zugenommen und die Zustimmung zur gemeinsamen Haushaltsführung um fünf Prozentpunkte. Die Frauen selbst rücken leicht von der Aussage ab, dass die Kindererziehung von Natur aus ihre Aufgabe ist (minus acht Prozentpunkte). In wissenschaftlicher Hinsicht seien diese scheinbar geringen Verschiebungen durchaus bedeutsam, erklärte Ruffing. Zugleich hob er hervor, dass die Studie lediglich Veränderungen von Einstellungen in den Köpfen der Menschen dokumentiere, die in der Praxis noch nicht festzustellen seien. Aber: „Eine Gesinnungsreform geht einer Strukturreform stets voraus“, sagte Ruffing.
Bei Männern setzt sich immer mehr die Ansicht durch, dass berufstätige Frauen auch gute Mütter sein können. Zudem empfinden sie es weniger als Zumutung, für die Betreuung eines Kindes ihre Erwerbsarbeit zu unterbrechen. Selbst traditionelle Männertypen akzeptieren die Berufstätigkeit von Frauen verstärkt als Weg in ihre Unabhängigkeit. 58 Prozent der Männer sagen, dass sich die Erwerbstätigkeit der Frau positiv auf die Ehe auswirkt. 1998 waren es nur 34 Prozent. Angesichts dieser Ergebnisse sprechen die Forscher in der Studie nicht mehr von einem traditionellen Männertyp, sondern nur noch von einem teiltraditionellen. Dennoch hinken die Männer bei der Modernisierung ihres Rollenverständnisses den Frauen hinterher. Es gibt fast doppelt so viele teiltraditionelle Männer (27 Prozent aller Männer) wie teiltraditionelle Frauen (14 Prozent aller Frauen).
Überraschend sind die Aussagen zur Ehe: 35 Prozent der Männer mit einem teiltraditionellen Rollenverständnis halten sie für eine überholte Einrichtung. Moderne Männer mit einem partnerschaftlichen Ehebild sehen die Ehe dagegen als Institution mit Zukunft. Insgesamt 52 Prozent aller befragten Frauen und Männer halten eine Ehe mit Kindern für die ideale Lebensform. Die Studie zeige zudem, dass Partnerschaft heute „überromantisiert“ werde, betonte Ruffing. 92 Prozent der Männer glauben, dass es ihre Traumfrau gibt. 1998 waren es „nur“ 61 Prozent. Im Vordergrund einer Beziehung stehen für die Befragten personale Qualitäten wie Liebe, Vertrauen, Treue und Ehrlichkeit. Weniger wichtig sind ihnen Stabilitätskriterien wie gemeinsame Werte, Kompromissbereitschaft oder Verlässlichkeit.
Die hohe Wertschätzung der Familie ist im Vergleich zur Vorgängerstudie stabil geblieben. 84 Prozent der befragten Frauen und Männer halten sie für ziemlich wichtig oder sehr wichtig. Für die Männer sind außerdem die Lebensbereiche Freunde und Freizeit hochrangig. Zugleich sind vor allem moderne Männer verstärkt nach Anerkennung im Berufsleben aus. Die Aussage „Der Sinn des Lebens besteht darin, eine angesehene Position zu gewinnen“ bekommt bei ihnen 2008 deutlich mehr Zustimmung als noch vor zehn Jahren (plus 23 Prozent). Moderne Männer gerieten deshalb ebenso wie die Mütter sehr schnell in ein „Vereinbarkeitsdilemma“ von Familie und Beruf, stellte Ruffing fest. Dieses Problem fordere auch die kirchliche Männerarbeit in besonderer Weise heraus.
Denn gerade die Lebensbereiche Religion (plus zwölf Prozent) und Kirche (plus acht Prozent) haben für die Männer sehr an Bedeutung gewonnen. Hinsichtlich der persönlichen Religiosität haben sich Frauen und Männer in den vergangenen Jahren angenähert. 43 Prozent der Frauen bezeichnen sich als religiös, bei den Männern sind es 39 Prozent. Bei jüngeren Männern nimmt die Religiosität ab, bei den unter 20-Jährigen allerdings wieder verstärkt zu. Am deutlichsten wirkt sich Religiosität auf persönliche Einstellungen wie das Vertrauen ins Leben oder die Zukunft aus. Am geringsten sind die Auswirkungen auf politische Überzeugungen.
Jesus Christus ist für 30 Prozent der Männer ein Vorbild. 1998 teilten nur 18 Prozent der Befragten diese Ansicht. Die Zustimmung zur These „Kirche ist mir Heimat“ ist von elf auf 20 Prozent gewachsen. Immer weniger Männer wünschen sich von den Kirchen eine Stabilisierung der traditionellen Männerrolle. Dagegen erwarten viele einen Beitrag zur Neugestaltung der Männerrolle. Domvikar Dr. Burkhard Rosenzweig, Männerseelsorger der Diözese Würzburg, regte angesichts dieser Ergebnisse ein Umdenken in der kirchlichen Männerarbeit an.
Erschrocken reagierte das Publikum in Himmelspforten auf die hohe Akzeptanz von Gewalt bei Männern, die Ruffing ansprach. 58 Prozent der teiltraditionellen und 28 Prozent aller befragten Männer stimmten Aussagen zu wie: „Manchmal muss man Kinder schlagen, damit sie zur Vernunft kommen“ oder „Wenn eine Frau vergewaltigt wird, hat sie wahrscheinlich den Mann provoziert“. Ungläubiges Staunen gab es auch darüber, dass 14 Prozent der Frauen diese oder ähnliche Thesen bekräftigten.
(1610/0541; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet