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Rendite statt Revolte

Gesprächsforum über Werte von Alten und Jungen im Kilianeum-Haus der Jugend – Jugendpastoralexperte Dr. Matthias Sellmann und Erfurter Bischof Dr. Joachim Wanke diskutieren mit Senioren und Jugendlichen

Würzburg (POW) „Die Kirche hat die Arbeiter und die Intellektuellen verloren, jetzt verliert sie die Jugend!“ So brachte es Dr. Matthias Sellmann, Grundsatzreferent an der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle (KSA) in Hamm, beim Gesprächsforum „Was mir wertvoll ist“ am Samstag, 16. Februar, im Würzburger Kilianeum-Haus der Jugend auf den Punkt. Sellmann diskutierte mit dem Erfurter Bischof Dr. Joachim Wanke sowie rund 100 Senioren und 20 Jugendlichen beim Forum von Kirchlicher Jugendarbeit (kja), Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Katholischem Senioren-Forum.

„Ich denke, dass die Jugend heutzutage mehr in Angst lebt, als jemals zuvor in der Nachkriegszeit“, zitierte Sellmann zu Beginn seiner Ausführungen einen Studenten. Ausbildung führe heute nicht in eine feste Arbeitsstelle, Partnerschaft sei nicht von Dauer, Mobilitäts- und Flexibilitätsforderungen führten zu Entwurzelung und Heimatlosigkeit, auf Familien- und Kinderwunsch werde keine Rücksicht genommen, konstatierte der Experte für Jugendpastoral. In der Gegenwart gebe es keine weltanschauliche Markierung und keinen religiösen Halt mehr. Um diesen zurückzugewinnen, begehrten viele Jugendliche nicht mehr auf, sondern würden zu „Fans ihrer Eltern“: Sie schätzten ihre Herkunftsfamilie, hätten aber kein Vertrauen in eine Zukunftsfamilie aus eigener Bindungsfähigkeit. Jugendliche strebten nach bürgerlichen Zukunftszielen statt nach Gesellschaftsreformen, sie wollten „Rendite statt Revolte“. Damit einher gingen Absicherungsmaßnahmen und eine Fixierung auf den eigenen, optimierten Lebenslauf. Zugleich bestehe ein vehementes Bedürfnis nach Vernetzung. „Ruf mich an, ja?!“, ersetze das klassische „Auf Wiedersehen“. Die Jugendlichen stünden hochbetagten Menschen sehr positiv gegenüber und gönnten ihnen den verdienten Lebensabend. Moralische Probleme mit der Rolle im Krieg gäbe es nicht mehr.

Dagegen würden die „Jungen Alten“ zunehmend als Konkurrenz empfunden. „Junge Menschen haben heute Väter, die sich wieder bewerben müssen und Mütter, die neue Lebenspartner suchen – Probleme vor denen traditionell eher Jugendliche stehen“, stellte Sellmann fest. Die Elterngeneration höre teilweise die gleiche Musik wie der Nachwuchs, kopiere dessen Kleidungsstil und entwerte so seine Symbole. Religion indes müsse für Jugendliche „tanzbar“ sein – also locker und ästhetisch ansprechend. Die Kirche erreiche daher nur noch 13 Prozent der Jugendlichen.

Dem stellte der 1941 geborene Bischof Wanke seine Erfahrungen mit dem Alter gegenüber. „Werte und Normen sind mir wichtiger geworden im Laufe meines Lebens – ist das typisch für Senioren?“ Keineswegs, meinte der Bischof. Wenn Menschen um ihren gerechten Lohn betrogen würden, wenn Kinder gequält würden, wenn Egoisten Vertrauen missbrauchten, dann bestehe eine große Schnittmenge zwischen Alten und Jungen. Es gebe auch Unterschiede: „Neulich traf ich einen Jugendlichen, der hatte scheinbar überall Kabel technischer Geräte stecken.“ Wanke schätze dagegen die Fähigkeit, sich zu entkabeln und Zeit zu gewinnen für die Stille. Auch den Konsum sehe er zunehmend kritischer: „Sollst Du dich damit noch belasten?“ Wichtiger werde die Kostbarkeit, die von innen komme. Das Nachlassen der Kräfte, die Frage „Soll das alles gewesen sein?“ setzten den Fokus vermehrt auf Freunde, Begegnungen, aber auch auf das Vertraute und auf Rituale. Dem gehe eine anti-enthusiastische Haltung einher, Selbstironie und Gelassenheit. Gegenüber großen Worten und Ideologien werde man kritischer. Wichtiger würden Geborgenheit, Angenommensein und Selbstbejahung: „Mir und anderen Zeit lassen und geben.“

In der Diskussion konstatierten die Teilnehmer einhellig die Unfähigkeit Jugendlicher sich festzulegen. So manches Zeltlager müsse ausfallen, weil Interessenten erst zwei Stunden vorher zusagen wollten: Vielleicht komme ja noch etwas Besseres. Die totale Abhängigkeit vom Handy wurde ebenfalls diskutiert. „Dieses Ding beinhaltet die gesamte Lebenswelt junger Menschen: Musik, Videos, Kontakte“, meinte eine Teilnehmerin. Ein Familienvater sagte: „Man kommt gar nicht mehr heran an sie, so verkabelt sind sie!“ Man müsse aber auch auf Jugendliche einlassen, forderten manche Senioren. Als alter Mensch nicht in den Jugendgottesdienst zu gehen, sei der falsche Weg. In großer Übereinstimmung kritisierten die Älteren das Gottesbild ihrer eigenen Jugend. Viele sagten, von dem Trauma des strafenden Gottes hätten sie sich zeitlebens nicht erholt. „Das ist missbrauchte Religion, um Autorität zu gewinnen“, sagte auch Bischof Wanke. Im Verhältnis zur Jugend forderte er, polyphoner zu werden und die Vielfalt der Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts zu nutzen: „Wir müssen selber brennen, um das Feuer in den Menschen zu entfachen!“

 

Die Kollekte beim abschließenden Gottesdienst erbrachte 413,60 Euro zugunsten des diözesanen Solidaritätsfonds’ Arbeitslose. Das Geld soll besonders arbeitssuchenden Jugendlichen zugute kommen

(0808/0249; E-Mail voraus)

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