Erstmals spreche ich zu diesem Tagesordnungspunkt auf einer Vollversammlung. Ich sehe, den „Bericht zur Lage“ als Auftrag an den Vorsitzenden, Sorgen, Beobachtungen, Entwicklungen, Hoffnungen, die ihn bewegen, mit ihnen zu teilen, um so das gemeinsame Unterwegssein in der Kirche und in der Gesellschaft und gerade als Christen und Katholiken in dieser Gesellschaft deutlich zu machen.
Ich möchte dabei nicht zu großen Grundsatzerklärungen abheben, sondern nur ein paar Themen herausgreifen, knapp anreißen, die mir in der letzten Zeit wichtig wurden. Das große innerkirchliche Thema in unserem Bistum ist zurzeit sicherlich die Errichtung der Pfarreiengemeinschaften. Ihre „Richtlinien für die Errichtung von Pfarreiengemeinschaften“ haben Sie, sehr geehrter Herr Bischof, unter das Leitwort gestellt, „Neue Wege gehen – Die Freude an Gott ist unsere Stärke“. An diesem Leitwort gefällt mir die positive Sicht der Zukunft, die es zum Ausdruck bringt. Denn wenn wir neue Wege gehen, bedeutet das auch gleichzeitig, dass Glaube nichts Statisches ist, nichts Einengendes und Bedrückendes. Und wenn Unsicherheiten und Veränderungen manchmal Ängste hervorrufen, so können wir uns immer bewusst sein, dass die Freude an Gott uns stark macht, auch diese Herausforderungen zu bestehen. Machen wir uns deshalb bei all unseren Überlegungen und Bemühungen ein Zweifaches bewusst:
•als Volk Gottes sind wir gemeinsam unterwegs,
•und diese Gemeinschaft kann durch die anstehenden Veränderungen vielleicht sogar besser als vorher sichtbar und erlebbar werden.
Deshalb sollten wir auch nicht nur an Strukturen und Organigramme denken, sondern immer im Blick haben, was führt uns weiter, was führt uns weiter beim Feiern der Liturgie, bei der Weitergabe des Glaubens, was hilft uns unsere Liebe zum Nächsten in den Gemeinden deutlicher werden zu lassen. Konkret kann das heißen:
•Gerade in größeren Einheiten erhält Seelsorge vor Ort ein Gesicht, wenn Seelsorgerin oder Seelsorger am Ort wohnen.
•Werden Amt und Leitung als Dienst verstanden, nicht als Möglichkeit zur Machtausübung, dann wird befruchtende Teamarbeit zur Selbstverständlichkeit.
•Gelingt Kooperation im Seelsorgeteam und mit den Pfarrgemeinderäten und den anderen Ehrenamtlichen, so strahlt das sicher in die ganze Pfarreiengemeinschaft aus.
Kooperation von Leitung, Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen bedeutet unabdingbar: Alle Partner trauen sich gegenseitig Verantwortung zu bei Planung, Durchführung und Reflektion. In diesem Zusammenhang möchte ich unserem Bischof noch einmal für seine klaren Worte beim Diözesantag im November letzten Jahres danken, dass zum Einen der Weg hin zu den Pfarreiengemeinschaften unumstößlich ist, und dass zum Andern die aktive Beteiligung jeder einzelnen Pfarrgemeinde nicht nur erwünscht, sondern nötig ist.
Auf Diözesanebene arbeitet übrigens eine Arbeitsgruppe unseres Vorstandes und der Hauptabteilung Seelsorge schon sehr intensiv daran, welche Satzungsanpassungen oder Satzungsergänzungen nötig sind, dass Apostolat und Mitverantwortung der Laien auch in den Pfarreiengemeinschaften gelingen kann und abgesichert ist.
Nun möchte ich zu vier gesellschaftspolitischen Themen, die die öffentliche Diskussion der letzten Wochen beherrschten, einige Anmerkungen machen: Schutz der Arbeit, Schutz des Klimas, Schutz des Lebens und Schutz der Familie. Wenn etwas zu schützen ist, so bedeutet das, es liegt eine Bedrohung vor. – Von meiner Seite ein paar schlaglichtartige Bemerkungen, warum ich ganz bewusst diese Formulierung wählte.
Für uns Christen ist klar, Arbeit gewinnt ihre Würde daraus, dass der arbeitende Mensch Person ist. Eine Person darf nicht zum Objekt abgewertet werden. Dass dies geschieht, muss man aber befürchten, wenn man Äußerungen mancher Wirtschaftsexperten und Manager hört oder liest. Sie sprechen von den „Gesetzen des Marktes“, von wirtschaftlichen Notwendigkeiten, und von Sachzwängen, wenn sie begründen wollen, warum sie Mitarbeiter entlassen müssen und zugleich die Gewinne steigen. Wie sagte neulich ein Wirtschaftsprofessor bei einer Veranstaltung der KAB: „Ein Sachzwang ist immer eine Ausrede. Grundlage ist immer eine menschliche Entscheidung, die sich ethisch verantworten muss“. Deshalb ist es zu begrüßen, wenn Beteiligungsmodelle für die Arbeitnehmer entwickelt werden, wenn gegen sittenwidrige Minilöhne gesetzlich vorgegangen wird, wenn gerade solche Modelle und Maßnahmen Unterstützung finden, die zu mehr Arbeitsplätzen und vor allem auch zu einer ausreichenden Anzahl an Ausbildungsplätzen führen.
Zur Würde der Arbeit und zur Würde der Person gehört aber auch die Würde der Freizeit. Deshalb ist die schleichende Ökonomisierung des Sonntags für uns Christen ein Skandal und nicht hinnehmbar. Allerdings sind wir bei unserem Einsatz für den Schutz des Sonntags nur dann glaubwürdig, wenn wir ihn selbst in Ehren halten und mit Sinn füllen. Wir werden unglaubwürdig, wenn zum Beispiel Klosterläden am Sonntag ihrem ganz normalen Geschäft nachgehen, oder wenn kirchliche Organisationen und Verbände mit ihren gewinnbringenden Verkaufsständen Sonntagsmärkte in unseren Gemeinden „bereichern“.
Unser eigenes Beispiel wird sicherlich auch angefragt, wenn es um die Fragen des Klimaschutzes geht. Muss ich wirklich das Auto benutzen, um die Frühstücksbrötchen beim Bäcker einzukaufen? Brauche ich für einen gelungenen Urlaub wirklich alljährlich mindestens eine, wenn nicht mehrere Fernreisen? Beispiele ließen sich viele finden. So ist die Aufforderung unseres Sachausschusses „Bewahrung der Schöpfung“ nur zu unterstützen, die vierzigtägige Fastenzeit als Einladung zu verstehen, Gewohnheiten zu überdenken und zu ändern, welche der eigenen Gesundheit, oder dem sozialen Miteinander schaden; ebenso gelte es angesichts des Klimawandels auch Gewohnheiten zu korrigieren, die zu Lasten der natürlichen Umwelt und ferner Völker gehen.
Der Diözesanrat unterstützt ausdrücklich die unlängst von den Bayerischen Bischöfen mitunterzeichnete sogenannte „Bayerische Klimaallianz“, in der es heißt: „Dem Klimawandel entgegenzuwirken, ist ein sittliches Gebot, das sich aus der Verantwortung für das eigene Handeln und der Sorge um die heute lebenden und die künftigen Generationen herleitet.“ Wenn wir glaubwürdig sein wollen, müssen diesen Worten Taten folgen. Deshalb frage ich an: Gibt es in unserem Bistum schon Überlegungen oder Pläne, wie diese Forderungen in unseren Pfarrgemeinden und kirchlichen Einrichtungen umgesetzt werden können? Der Diözesanrat und sein zuständiger Sachausschuss sind bereit, bei der Entwicklung von konkreten Konzepten aktiv mitzuarbeiten. Vor einigen Tagen erfuhr ich in einem Gespräch, dass der Bund Naturschutz den Mitgliederschwund der letzten Jahre im Zuge der Klimadiskussion der letzten Monate innerhalb kürzester Zeit kompensiert hat. Setzen wir uns doch mit an die Spitze der Bewegung zur Bewahrung der Schöpfung, dies tut der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz unserer Kirche bestimmt gut.
Seit die Diskussion um den Schutz des Lebens in der Gesellschaft virulent ist, mischt sich der Diözesanrat ein und stellt unbeirrbar fest: Das Leben ist ein Geschenk Gottes, worüber dem Menschen die Verfügungsgewalt entzogen ist und zwar von Beginn an bis an sein Ende. So schließe ich mich voll der Erklärung des ZdK „Leben und Sterben in Würde“ vom November 2006 an, wenn es heißt: „Auch in Krankheit und Sterben ist die zentrale Richtschnur allen Handelns die unverfügbare Würde des betroffenen Menschen. Der Respekt vor der Einmaligkeit seines Lebens verbietet jede Instrumentalisierung des Schicksals eines Sterbenden, jede Abwertung seiner Lebenslage, jede Fremdbestimmung seines Willens. Das unveräußerliche Recht jedes Patienten auf Selbstbestimmung ist aber kein Recht auf Durchsetzung des eigenen Willens um jeden Preis. Vielmehr verlangt die Würde des Menschen eine Selbstbestimmung, die sich verantwortlich weiß vor sich selbst, aber auch vor den Mitmenschen und zumindest aus christlicher Perspektive vor Gott.“ Für mich ist es unerträglich, wenn in Talk-Shows, Reportagen oder Artikeln oftmals durch suggestive Fragen oder manipulative Darstellung versucht wird, unsere Grundsätze und unser Zeugnis als inhuman darzustellen. Wir sind uns durchaus bewusst, und bedenken immer wieder, ich zitiere: „Viele Menschen fürchten sich vor Leiden und Schmerzen. Sie haben Angst davor, einer „kalten Apparatemedizin“ ausgeliefert zu sein, und wollen Angehörigen und Freunden am Ende ihres Lebens nicht zur Last fallen. Sie wünschen sich einen friedlichen und schmerzfreien Tod. Diese Sorgen und Ängste nehmen wir ernst. Die Antwort darauf kann aber nicht in einer wie auch immer gearteten Aufweichung des Tötungsverbotes bestehen, sondern nur in einem menschenwürdigen Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden.“
Genauso unmissverständlich ist unser Einsatz für den Schutz des Lebens von Beginn an im Leib der Mutter vor der Geburt und nach der Geburt für die Kinder. Jede einzelne Abtreibung ist die Tötung eines wehrlosen Menschen und jede Begründung mit sozialer Indikation in unserer Gesellschaft ein Skandal. Gemeinsam müssen wir daran arbeiten, das Unrechtsbewusstsein zu schärfen, das unumstößliche Recht auf Leben heraus zu stellen, in Notsituationen Hilfe bereit zu halten.
Auf diesem Hintergrund macht es mich zornig und mehr noch traurig, wenn einzelne, aber lautstarke Vertreter im katholischen Spektrum Lehramt und Bischöfe dazu instrumentalisieren wollen, solche Mitchristen aus der Kirche auszugrenzen, die auf Grund einer ernsthaften Gewissensentscheidung im Rahmen des bei uns möglichen staatlichen Beratungssystems dafür arbeiten, die Tötung von Kindern zu verhindern. Dieser Eindruck muss entstehen, wenn Briefe aus Rom an Kardinäle in die Presse lanciert werden, was nur Irritationen zur Folge haben kann. Nach den Veröffentlichungen der letzten Woche auch in unseren regionalen Zeitungen mahne ich zu Besonnenheit und bitte darum, Aufgeregtheiten zu vermeiden. Ich meine, man kann sich die Einschätzung von Bischof Gebhard Fürst von Rottenburg-Stuttgart, dem in der Bischofskonferenz für die Laienräte und die Medien Verantwortlichen, zu eigen machen, der durch seinen Bistumssprecher erklären ließ: „Das Bistum Rottenburg-Stuttgart sehe nach dem Schreiben der römischen Glaubenskongregation über das Verhältnis der katholischen Kirche zu der Schwangeren-Hilfsorganisation Donum Vitae keinen Handlungsbedarf.“ Diese Äußerung entspricht genau der Linie der Bischofskonferenz, welche die päpstlichen Weisungen zur Schwangerenkonfliktberatung auf institutioneller Ebene umgesetzt und zugleich betont hat, dass Donum Vitae keine kirchliche, sondern eine bürgerliche Initiative darstelle, auch wenn diese mehrheitlich von Katholiken getragen werde. Und noch ein Bischofswort möchte ich uns in Erinnerung rufen. Bischof Paul-Werner sagte schon bei früherer Gelegenheit vor dem Diözesanrat: „Ich habe darauf hingewiesen, dass es in Deutschland keine große Gemeinschaft gibt, die wie die katholische Kirche seit Jahr und Tag einhellig für den Schutz und die Würde des Menschen eintritt, und deshalb auch einhellig und zugleich vielstimmig auf die Mängel der einschlägigen Gesetzgebung hingewiesen hat. Leider wird das auch in der deutschen Öffentlichkeit weithin nicht wahrgenommen. Intensiv gerungen wurde und wird um den besten Weg, wie in der uns vorgegeben Situation wirksam zu helfen ist. Dieses Ringen ist keine Schande. Schlimm wäre es, wenn es das nicht geben würde, wenn man den Dingen in einmütiger Gleichgültigkeit ihren Lauf lassen würde. Schlimm ist freilich auch, dass wer weiß wie oft unterschiedliche Ergebnisse dieses Ringens wechselseitig attackiert, ja verketzert werden. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass ich persönlich keinen einzigen Weg sehe, der ohne Gefahren ist bzw. keine Lösung kenne, die nicht auch Probleme mit sich bringt. Das fordert Respekt für jeden Andersdenkenden, solange nicht von Grundwahrheiten beziehungsweise Grundgeboten abgewichen wird.“ Dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzu zu fügen.
Für Wirbel sorgten in der familienpolitischen Diskussion die Aussagen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zum Ausbau der Kinderkrippen. Dabei haben Bischof Walter Mixa und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck mit ihrer Wortwahl zunächst eine Schärfe in die Auseinandersetzung gebracht, die der Ernsthaftigkeit des Themas nicht angemessen ist. Allerdings hat der Bischof mit seiner drastischen Wortwahl, die ich mir nie zu eigen machen würde, keinesfalls die Frauen verunglimpft, sondern eine Politik angegriffen, die Kinderbetreuung hauptsächlich an ökonomischen Erfordernissen ausrichtet. Wir aber treten für echte „Elterliche Erziehungsfreiheit“ ein und fordern unter andern, wie es das Landeskomitee der Katholiken in Bayern formuliert: „Familienpolitik muss dafür sorgen,
•dass Eltern frei und ohne wirtschaftliche Nachteile befürchten zu müssen entscheiden können, ob und wie sie ihre Zeit als Erwerbs- und/oder Familienarbeitszeit unter sich organisieren und verteilen;
•dass die Betriebe die Arbeitszeit so regeln, dass Eltern in ihren Verpflichtungen den Kindern gegenüber Unterstützung erfahren.“,
oder schließen wir uns Friedrich Kardinal Wetter an, der in der Pressekonferenz nach der Freisinger Bischofskonferenz erklärte: „Die Bischöfe verträten die Auffassung, dass alle gesellschaftlichen Verantwortungsträger gemeinsam nach Wegen suchen müssten, wie in der Frage der Kinderbetreuung jungen Familien eine echte Wahlfreiheit gewährt werden könne. Daher solle für junge Familien vorrangig die Möglichkeit zur persönlichen Betreuung ihrer Kinder, aber auch im Bedarfsfall die unterstützende Nutzung von Tagesmüttern und Kindertagesstätten geschaffen werden.“
Überhaupt gilt es, in unserer Gesellschaft einen Klimawandel auch in Bezug auf Familien- und Kinderfreundlichkeit einzufordern und daran beispielhaft zu arbeiten. So bitte ich sie heute schon um ihre tatkräftige Unterstützung der Aktion „Kinder bringen Farbe ins Leben“, zu der unser Bischof Friedhelm und die Würzburger Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann einladen werden. Näheres dazu morgen von Domvikar Stephan Hartmann, dem Diözesan-Familienseelsorger, im Konferenzteil.
Noch eine aktuelle Bemerkung: Am Wochenende wurde das Goldjubiläum der „Römischen Verträge“ begangen. Papst Benedikt hat die Katholiken aufgerufen, sich in die Europa-Diskussion einzumischen. Wir haben das längst getan. Denken wir nur an die Vollversammlung vor einem Jahr mit dem Grundsatzreferat unseres Generalvikars „Europa im Wandel – was wird aus den christlichen Werten“ – eine Tatsache, die bei einer Festveranstaltung in Rom anerkennend gewürdigt wurde.
Zu Beginn zitierte ich den froh und stark machenden Satz „Die Freude an Gott ist unsere Stärke“ als ein Motto unseres Bischofs. Schließen möchte ich mit dem hoffungsvollen Wort aus dem Psalm 18 „Du führst uns hinaus ins Weite“. Es ist das Leitwort für den Katholikentag 2008 in Osnabrück. Professor Hubertus Brantzen schrieb in den „Salzkörnern“, in einer Weihnachtsmeditation: „Wir erfahren oft genug, dass wir uns die Weite des Lebens nicht einfach selbst verschaffen können. Diese Weite ist letztlich Geschenk. Das entpflichtet jedoch nicht davon, alles Menschenmögliche zu tun, um der von Gott geschenkten Weite in allen Lebensbereichen zum Durchbruch zu verhelfen. Einerseits ganz die Weite des Lebens von Gott zu erwarten, andererseits sich ganz für diese Weite einzusetzen.“ Dass uns dies immer wieder neu gelingt, das wünsche ich uns.
(1407/0520)