Demnächst wird der Bundestag in Berlin über mehrere Gesetzentwürfe zum Umgang mit embryonalen Stammzellen debattieren und entscheiden. Dabei handelt es sich nicht um eine periphere Frage, mit der sich Spezialisten beschäftigen müssen. Es geht dabei vielmehr um Grundlagen des christlichen Menschenbildes und auch um unsere freiheitlich-demokratische Verfassung.
Herr Schoknecht hat sich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie in Würzburg und als Referent der Katholischen Akademie Domschule Würzburg zu diesen Fragen geäußert. Seine Ausführungen decken sich aber in wichtigen Punkten nicht mit der katholischen Position hinsichtlich der Forschung mit embryonalen Stammzellen.
1. Ein menschlicher Embryo stellt kein Forschungsmaterial dar, er ist vielmehr der unumkehrbare Beginn des Menschen. Die Position der katholischen Kirche zu dieser Frage ist eindeutig: Das Leben des Menschen beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Somit ist er als ebenbürtiger Mensch zu betrachten. Dies bedeutet, dass hinsichtlich der grundlegenden Rechte des Menschseins der Embryo einem geborenen Menschen gleichzusetzen ist. Wenn der Verfasser des Beitrags argumentiert: „Wissenschaftler können unter strengen Auflagen auf bereits bestehendes Zellmaterial zurückgreifen. Sie machen sich damit keineswegs schuldig im moralischen Sinne“, so wird hier ausgeblendet, dass die Gewinnung von embryonalen Stammzellen nur durch die Vernichtung von Embryonen, also durch Tötung menschlichen Lebens, möglich ist. Dieses fundamentale Unrecht – nämlich die vorgefasste Vernichtungsabsicht als Voraussetzung – ist sehr wohl eine Frage moralischer Schuld.
2. Es ist unbestritten eine der wichtigsten Aufgaben der Medizin, Krankheiten zu erforschen und zu bekämpfen. Dieser Auftrag steht allerdings unter dem generellen Vorbehalt, dass dies auf Wegen geschehen muss, die vereinbar sind mit dem Lebensschutz und der Menschenwürde von Anfang an. Eben dies ist bei der Stichtagsregelung beziehungsweise ihrer Verschiebung nicht gegeben.
Wenn es in dem Beitrag heißt: „Eine einmalige Verlegung des Stichtages … kann weiterhin gewährleisten, dass nicht eigens für deutsche Forschungszwecke Embryonen erzeugt und verbraucht werden“, dann ist zwar die gute Absicht des Verfassers erkennbar. Zugleich wird aber die Unteilbarkeit des Lebensschutzes und der Menschenwürde von Anfang an verkannt. Für die moralische Bewertung ist es unerheblich, in welchem Land Embryonen getötet wurden, die zur Gewinnung entsprechender Stammzellen nötig sind. Die Forschungsfreiheit endet in jedem Fall dort, wo die Menschenwürde des Embryos beginnt.
3. Der Beitrag erweckt den Eindruck, als ob er die Stichtagsregelung für einen tragfähigen Kompromiss erachtet, den er sowohl durch eine völlige Freigabe wie durch ein Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen gefährdet sieht. Aus katholischer Sicht gibt es beim Lebensschutz jedoch keine Kompromisse. Überall, wo menschliches Leben entstanden ist, besteht die Verpflichtung zum Schutz seiner Würde. Dieser Schutz ist weder abgestuft zu haben, noch kann er mit dem oft gebrauchten Heilungsargument relativiert werden. Die Würde des Kranken kann nicht gegen die Würde des Embryos ausgespielt werden. Auch das Argument, die in der Forschung verwendeten Embryonen seien ja überzählig, hält einer moralischen Bewertung nicht stand: Ihre Gewinnung stellt schon ein moralisches Fehlverhalten dar, das auch nicht nachträglich zu Forschungszwecken gebraucht werden darf.
(38 Zeilen/1508/0480; E-Mail voraus)