Lohr am Main/Würzburg (POW) Pünktlich mit dem Eintreffen der „Upendo Singers“ schickt die Sonne einige warme Strahlen durch die düstere Wolkendecke über Lohr am Main. Dennoch fröstelt es die fünf Männer und sechs Frauen der Musikgruppe aus dem Würzburger Partnerbistum Mbinga in Tansania, als sie müde aus dem Bus heraustreten. Missio-Mitarbeiter Matthias Meier hat ihn soeben vor der Pfarrkirche Sankt Michael geparkt. Die meisten Musiker haben sich Decken und Schals umgehängt, aus ihren dünnen, knallroten Stoffschuhen lugen dicke Wollsocken hervor – das deutsche Herbstwetter ist nicht für Afrikaner geschaffen. Ihrem Bischof Dr. Emmanuel Mapunda, mit dem die Upendo Singers derzeit anlässlich des 20. Jubiläums der Partnerschaft zwischen den Diözesen Würzburg und Mbinga durch das Bistum reisen, haben die nasskalten Temperaturen schon so zugesetzt, dass er zwischenzeitlich mit einer Bronchitis das Bett hüten musste. Angeführt wird die afrikanische Delegation in seiner Abwesenheit von Schwester Stellamaris Mgaya, Priorin des Vinzentinerinnenklosters Mbinga, Pfarrer Hyasinth Kawonga, Leiter des Katechistenzentrums Kigonsera, und Klaus Veeh vom diözesanen Referat „Mission-Entwicklung-Frieden“.
Pfarrer Sven Johannsen und Kaplan Christoph Schnellbacher laden ihre Gäste nach einer kurzen, herzlichen Begrüßung zu einem Rundgang durch die verwinkelten Gässchen von Lohr ein. Die Upendo Singers holen aber erst noch ihre bunten Regenschirme aus dem Bus. Nach einigen Tagen in Unterfranken haben die Ostafrikaner schon gelernt, dass ein paar Sonnenstrahlen im Herbst hierzulande nicht viel verheißen mögen. Bei der ersten Station vor dem Pfarrhaus erklärt Stadtführer Georg Cura den Musikern die herausragende Stellung des Pfarrers in der mittelalterlichen Gesellschaft: „In Lohr hat damals jeder Bürger ein Schwein besessen. Nur der Bürgermeister und der Pfarrer hatten acht Schweine.“ Cura spricht dabei sehr langsam und in kurzen Sätzen, damit Schwester Stellamaris simultan für ihre Landsleute, die alle nur ein bisschen Englisch sprechen, übersetzen kann.
In der Kapuzinerkirche zeigen sich die afrikanischen Gäste beeindruckt von den lebensgroßen biblischen Figuren, die die Lohrer bei der Karfreitagsprozession durch die Stadt tragen. Stolz heben die männlichen Mitglieder der Singgruppe die Darstellung des im Wal gefangenen Jona empor – ein „Symbol der Auferstehung“, wie Cura erläutert – und haben einige Mühe das schwere Kunstwerk waagrecht in der Luft zu halten. Draußen geht’s beim erwarteten Nieselregen an der Stadtmauer entlang zum Bayersturm, einem der Wahrzeichen der Stadt. „Very historical!“ – „Sehr geschichtsträchtig!“, sagt einer der Upendo Singers angesichts des 40 Meter hohen Bauwerks. Mit skeptischerem Blick steigt er dann die die 92 engen Stufen des Stadtturms empor. Oben angekommen, wird die Gruppe in der winzigen Turmwohnung, die die Familie Bayer 200 Jahre lang bewohnte, mit einem herrlichen Blick über Lohr für die Strapazen belohnt. Ein Regenbogen, der sich über das Schloss windet, macht die Idylle perfekt.
Unten in der Fußgängerzone werden die afrikanischen Gäste schon erwartet. Anne Rauscher und die ehrenamtlichen Helfer des Eine-Welt-Ladens begrüßen sie mit dampfend heißem Kaffee aus der Würzburger Partnerdiözese Mbinga. Das Geschäft mit dem Namen „Pamoja“ („Gemeinsam“) bietet fair gehandelte Produkte aus vielen Entwicklungsländern an und versuche so, „an einer gerechten Welt mitzuwirken“, sagt Rauscher. Schwester Stellamaris kündigt zum Dank für dieses Engagement eine spontane Gesangseinlage der Gruppe an. Und von einer Sekunde auf die andere wird aus den eben noch frierenden und durch das viele Reisen erschöpft wirkenden Musikern die pure afrikanische Lebensfreude: Lautstark und mitreißend singen sie den vielen Schaulustigen ein Ständchen und tanzen dabei abwechselnd, die Kaffepäckchen wie Siegtrophäen in die Luft haltend, über das nasse Kopfsteinpflaster.
Im Pfarrheim von Lohr warten neugierige Kommunionkinder und Firmlinge aus der Region auf die Gäste. Missionsreferent Veeh vermittelt den Kindern zunächst einige Fakten über die Partnerdiözese Mbinga. Rund 450.000 Menschen leben dort, von denen zirka 370.000 Katholiken sind. Obwohl die Diözese von der Fläche her größer ist als das Bistum Würzburg, gibt es dort deutlich weniger Priester (65) als in der Diözese Würzburg (441). Angesichts einer „Lebenserwartung von nur 50 Jahren“ und einem durchschnittlichen Tageseinkommen der Menschen in Tansania „von ein bis zwei Euro“ betont Veeh, wie wichtig es sei, die Partnerdiözese weiter zu unterstützen. Der Austausch mit den Afrikanern solle dennoch „auf Augenhöhe“ stattfinden und „nicht von oben herab“: „Gott hat alle Menschen gleich geschaffen, und deswegen haben alle Menschen ein gleiches Recht auf Leben“, ruft Veeh den Jugendlichen zu.
Bevor die Upendo Singers ihr Können zum Besten geben, stellen die Firmlinge und Kommunionkinder noch ausgiebig Fragen an Schwester Stellamaris. „Was gibt es bei euch zu essen?“, möchte ein kleiner Junge wissen. „Meistens Maisbrei mit Kraut oder Bohnen“, antwortet die Priorin des Vinzentinerinnenklosters. Ein anderer Steppke fragt etwas vorlaut, ob man dort auch Geburtstag feiert und dazu „50 oder 100 Euro“ geschenkt bekäme. „Ja, wir feiern auch Geburtstag, aber nicht jedes Jahr“, entgegnet die Schwester. Zwar seien auch Geschenke üblich, jedoch keine 50 Euro, sondern eher „Kleider, Schuhe oder Essen“. Nach diesem interessanten Plausch zur Völkerverständigung sind die Upendo Singers dann wieder voll in ihrem Element, laden die Kinder zum Tanzen und Mitsingen ein. Und nach anfänglicher Scheu und einigem Grübeln, ob das jetzt auch wirklich so „cool“ ist, hält es bald keinen mehr auf seinem Platz.
(4309/1215; E-Mail voraus)
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