Würzburg (POW) Auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil die Kirchenmusik aufgewertet hat: „De facto bleibt sie – abgesehen vom Volksgesang als Ausweis tätiger Teilnahme der Gemeinde – meist doch eher ein Parallelphänomen zur gottesdienstlichen Handlung, gehören die zelebrierenden Liturgen und die spielenden Musiker eben häufig doch unterschiedlichen Welten an.“ Das hat der Würzburger Musikwissenschaftler Professor Dr. Ulrich Konrad bei der Tagung „Te Deum laudamus“ betont.
Mehr als 70 Personen nahmen am Freitagabend, 11. April, und Samstag, 12. April, im Sankt Burkardushaus an der von Katholischer Akademie Domschule und Diözesangeschichtsverein durchgeführten Veranstaltung teil. Sie war Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele zum 80. und Weihbischof em. Helmut Bauer zum 75. Geburtstag gewidmet. Bei einem Empfang am Freitagabend im Diözesanarchiv überreichten Archivdirektor Professor Dr. Johannes Merz und Professor em. Dr. Dieter Kirsch, früherer Direktor der Würzburger Hochschule für Musik, den beiden Bischöfen je einen Sonderdruck mit dem Verzeichnis der im Bestand des Diözesanarchivs vorliegenden historischen Musikdrucke. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Pontifikalvesper mit Bischof Dr. Friedhelm Hofmann in der Sankt Michaelskirche.
Professor Konrad betonte in seinem Vortrag, dass das Verhältnis von Theologie und Kirche sich keineswegs widerspruchsfrei darstelle. So gebe es im Alten Testament Beispiele von Musik, die für Götzendienst verwendet wird, wie zum Beispiel im Bericht über König Nebukadnezar, der in Dura die Anbetung einer riesigen goldenen Götterstatue von einem Orchester untermalen ließ. Augustinus habe sich davor gefürchtet, das Singen eines frommen Liedes könne ihn mehr bewegen als das gesungene Wort. „Papst Benedikt XIV. verfügte in der Enzyklika Annus qui von 1749, dass Instrumente wie Pauken, Trompeten, Hörner oder Flöten wegen ihres weltlichen Charakters in der Kirchenmusik unzulässig seien.“ Auf diese Weise sei es, verstärkt durch die Aufklärung, zu einer Entfremdung zwischen Komponisten von Rang und der Kirche gekommen. Das Ergebnis sei, dass es zwar nach wie vor Werke gebe, die liturgisch, ästhetisch oder pastoral tauglich seien. Musik, die alle drei Ansprüche befriedige, gebe es kaum. Konrad nannte den Inhalt des „Briefs an die Künstler“ von Papst Johannes Paul II. eine wunderbare Idee, wo es heißt: „Vom Kontakt mit den Kunstwerken erwartet sich die Menschheit aller Zeiten – auch die heutige –, über ihren Weg und ihre Bestimmung aufgeklärt zu werden.“
Im Diözesanarchiv lobte Professor Merz das ehrenamtliche Engagement von Professor Kirsch, der die über 4000 Musikdrucke, die in Archiv und Diözesanbibliothek vorhanden sind, für die Online-Datenbank des internationalen Forschungsprojekts RISM (Répertoire International des Sources Musicales“) erfasst hat. Unter anderem sind im Würzburger Diözesanarchiv die nicht mehr genutzten historischen Musikhandschriften aus 163 Pfarreien aufbewahrt. „Für sich selbst genommen sind diese Musikalienbestände oft sehr zufällig und wenig aussagekräftig. In der Zusammenschau jedoch erlauben sie es, große Bereiche unseres kirchenmusikalischen Erbes zu rekonstruieren“, sagte Merz. Er lud Interessierte ein, sich im Foyer des Archivs die Ausstellung „Anmuthig möge musiciret werden“ zu besuchen, die Einblicke in das Thema gewähre.
„Musik ist unverzichtbar für unseren Glauben, da keine Erfahrung so der Glaubenserfahrung verwandt ist wie der musikalische Klang. Das einzuschärfen ist die Aufgabe der Tagung“, sagte Bischof Hofmann, ehe zahlreiche Referenten aus Musikwissenschaft und Theologie sich aus ihrem Blickwinkel des Themas annahmen. Professor Dr. Bernhard Janz gab einen ersten Überblick über die Würzburger Kirchenmusik. Er erläuterte darin ebenso die Anfänge wie die Blütezeit im 17. Jahrhundert bis hin zu den Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es wurde deutlich, dass Kirchenmusik immer zeitgenössische Musik war, geprägt von den jeweiligen Anforderungen der Epochen.
Christoph Beck nahm die Teilnehmer mit auf eine musikalisch-analytische Zeitreise in das 16. Jahrhundert, die Zeit des Fürstbischofs Julius Echter. Vorgestellt wurde der festliche Einzug in den Würzburger Dom am Kilianstag, der von einem aufwendigen Introitus-Tropus begleitet wurde. Privatdozent Dr. Erasmus Gaß machte in seinem Referat deutlich, dass im 18. Jahrhundert vor allem die Klöster und einzelne Klosterkomponisten für die fränkische Kirchenmusik maßgebend waren. Professor Dr. Joachim Veit zeigte auf, wie Kirchenmusik als klingende Musiktheorie zu verstehen ist.
Die Gefühle der Menschen zu veredeln, war das hohe Ziel des Schulmusikunterrichts im 19. Jahrhundert, hob Professor Kirsch in seinem Vortrag hervor. Diesem humanistischen Ideal folgte die strenge Ausbildung der Schullehrer, in deren Seminarplan die Musik den größten Raum einnahm. Die Lehrer schufen Werke in allen musikalischen Gattungen, förderten den alten Choralgesang in den Pfarreien und hoben das musikalische Niveau auch in kleinen Gemeinden. Ein Vortrag über die Kapellmeister und Organisten am Würzburger Dom im 20. Jahrhundert knüpfte der frühere Domkapellmeister Professor Siegfried Koesler schließlich an die Kirchenmusik der Gegenwart an.
„Kein anderes Medium hat die Fähigkeit, die inkarnatorische und die transzendentale Dimension der Liturgie derart miteinander zu verbinden“, lautete das Fazit von Monsignore Professor Dr. Wolfgang Bretschneider, der zum Abschluss der Tagung Wirkung und Ausdrucksvielfalt der Musik in den Blick nahm. Mit verschiedenen Sanctus-Vertonungen lud er ein zu einem „Erlebnishören“: „Schauen Sie mal, was die einzelnen Musikwerke bei Ihnen jenseits der Sprachgrenze auslösen.“
Die Kraft der Musik konnten die Teilnehmer auch bei der abschließenden Vesper in der Seminarkirche Sankt Michael spüren, die der Kammerchor am Würzburger Dom unter der Leitung von Domkapellmeister Martin Berger mitgestaltete. Für Bischof Hofmann war die gemeinsame Feier nach der intensiven Tagung so etwas wie die „Probe aufs Exempel“. In der Predigt rief er alle dazu auf, in den Jubelruf des Magnificat einzustimmen: „Danket dem Herrn, er hat uns erhöht; Großes hat er an uns getan.“
(1608/0515; E-Mail voraus)
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