Würzburg/Schweinfurt/Werneck-Schnackenwerth (POW) „Ich bin der Erste mit Familie in diesem Job“, sagt Diakon Peter Hartlaub und unterstreicht damit gleich einen zentralen Unterschied zu seinen Vorgängern: Hartlaub ist der erste Nicht-Priester, der das Amt des Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) bekleidet. Im Oktober wurde der 44-Jährige aus den Reihen der insgesamt rund 250 Delegierten in Schweinfurt gewählt, seit einigen Wochen ist er offiziell im Amt.
Vier Jahre hat Hartlaub nun Zeit, die KAB in die von ihm gewünschte Richtung zu führen. Eines seiner wichtigsten Ziele sieht Hartlaub in der Steigerung der Attraktivität der KAB: „Wir haben hier das gleiche Problem wie die Kirche allgemein: Überalterung. Wir heißen Arbeitnehmer-Bewegung und wir vertreten bald nur noch Rentner?“, bringt er die Schieflage in der Mitgliederstruktur des Verbands auf den Punkt. „Wir müssen attraktiv für neue Mitglieder sein.“ Erreichen will Hartlaub das durch eine Fülle von Maßnahmen. Eine Möglichkeit sieht er in der noch stärkeren Verknüpfung von Bildungs- und Freizeitangeboten: „Die Menschen haben heute einfach ein knapperes Zeitbudget. Da ist es wichtig, dass wir Formen finden, bei denen sich verschiedene Bereiche verknüpfen lassen.“ Möglich sei dies beispielsweise bei der gemeinsamen Brotzeit oder dem gemeinsamen Betriebsbesuch.
Wichtig seien selbstverständlich auch die Inhalte, für die die KAB steht: „Wir leben in einer Zeit, in der die katholische Soziallehre ideale Wahrnehmungsvoraussetzungen hat. Kommunismus und der marktradikale Kapitalismus haben abgewirtschaftet, die Märkte brauchen Regeln – und hier haben wir einen Wertehorizont zu bieten.“ Außerdem seien die Menschen von zentraler Bedeutung: Zum einen die Menschen, für die sich die KAB einsetze, die für ihre Arbeit Wertschätzung und Anerkennung erfahren sollten, zum anderen die Menschen, die die KAB vertreten: „Sie sollten glaubwürdig die Ideale verkörpern, Glauben und Leben verknüpfen.“
Glaubwürdig vertritt Hartlaub, wofür er eintritt. Seine eigene berufliche Laufbahn ist keine stromlinienförmig glatte, die ihn direkt ins Amt des KAB-Diözesanpräses geführt hat. Nach seinem Theologie-Studium in Würzburg und Tübingen war er zunächst arbeitslos, weiß also, wovon er in Beratungsgesprächen erzählt. Später, sagt Hartlaub augenzwinkernd, war er Hausmann und „hauptberuflich Vater“ von drei mittlerweile zwischen acht und 15 Jahren alten Kindern. 1994 trat er in den Dienst der Diözese Würzburg und wurde Bildungsreferent der Landvolkshochschule Klaus von Flüe in Münsterschwarzach, vier Jahre später wechselte er in die Betriebsseelsorge nach Schweinfurt. Ein Angebot für den Missionsdienst in Kolumbien lehnte er seinerzeit ab. Dass die Entscheidung richtig war, daran hat Hartlaub keinen Zweifel: „Ich habe noch keinen Tag bereut.“ Über die Betriebsseelsorge entstand auch sein enger Kontakt zur KAB, die als Träger der Einrichtung fungiert.
Doch das gewerkschaftliche Engagement ist noch tiefer im 44-Jährigen verwurzelt: „Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt, mein Vater war Maurer, später Polier. Ich habe noch dunkle Erinnerungen an Streiks auf dem Bau. Da war die Gewerkschaft selbstverständlich.“ Das eigene Studium nicht. Wenn Hartlaub über seinen mittlerweile verstorbenen Vater spricht, dann kommt ihm auch die Formulierung „aufgeschobenes Leben“ über die Lippen. „Wenn ich in Rente bin, dann fang‘ ich an zu leben!“ – Solche Sätze habe er oft gehört und höre sie auch heute von vielen Arbeitnehmern immer wieder. „Der Arbeitsplatz ist ein lebensprägender Ort, der auch als Ort des Lebens erfahren werden sollte. Die Arbeit und ein Leben in Fülle sollten nicht im Widerspruch stehen.“
Dass dem allerdings in vielen Fällen so ist, erfährt Hartlaub des Öfteren. Neben seiner Tätigkeit als KAB-Präses ist er weiterhin als Betriebsseelsorger in Schweinfurt aktiv, bekommt so die Sorgen und Nöte an der Basis „hautnah und unmittelbar“ mit. Gerade der Themenkomplex „prekäre Beschäftigung“ ist seiner Meinung nach ein großes Problem des heutigen Wirtschaftslebens: „Alte Erwerbsbiographien gibt es heute nicht mehr. Wir haben heute oftmals Beschäftigungsformen, die eine stabile Lebensplanung nicht mehr zulassen; Menschen, die der Arbeit hinterher ziehen müssen.“ Diese Unsicherheiten durch Leiharbeit, befristete oder ungewollte Teilzeitbeschäftigung, Schicht- und Wochenendarbeit haben nach Überzeugung Hartlaubs auch Auswirkungen auf den Glauben der Menschen: „Der Glaube braucht ein solides Fundament, er braucht Verlässlichkeit.“ Wenn diese Faktoren fehlten, dann falle es den Menschen schwer, ein Grundvertrauen zu entwickeln, das auch für den Glauben notwendig sei.
Hartlaub selbst hat sein solides Fundament gefunden: In Schnackenwerth lebt er mit seiner Familie seit mittlerweile sieben Jahren – „so lange habe ich noch an keinem anderen Ort gelebt“ – und ist dort als Ständiger Diakon fester Bestandteil des kirchlichen Lebens. Als überzeugtem Christ ist es ihm deshalb auch wichtig, dass der Sonntag arbeitsfrei bleibt: „Der Sonntag ist der Anker in der Woche. An diesem Tag gehen die Uhren anders. Er ist die unabdingbare Voraussetzung, dass die Gesellschaft menschlich bleibt. Es braucht einen Raum, in dem Menschen nicht nur funktionieren müssen!“
Neben seiner Arbeit vor Ort hat Hartlaub auch das Würzburger Partnerbistum Mbinga in Tansania im Blick: „Dort ist eine Art KAB gerade im Entstehen. Wir möchten die Menschen dort unterstützen, so gut es geht – finanziell und ideell.“ Eine Partnerschaft mit lebendigem Austausch nennt er als Ziel. Generell nimmt Hartlaub die Kirche in die Pflicht. Er will die Arbeitswelt als Querschnittsaufgabe der Pastoral verstanden wissen: „Die Arbeit prägt das Leben. Die Kirche muss in diesem Bereich sprachfähig werden, die Menschen ernst nehmen und Fehlentwicklungen kritisieren. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen – auch im Wirtschaftsleben.“
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