Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Vom Welt-Ich zum Mystiker

Katholische Akademie Domschule geht dem Unterschied von Seele und Bewusstsein nach – Eine Erfahrung der anderen Art: Mit Leib und Seele auf der Suche nach sich selbst

Würzburg (POW) „Wer bin ich, wenn ich Seele bin?“ Das haben sich die 69 Teilnehmer bei einer Tagung der Katholischen Akademie Domschule am Samstag, 18. November, im Sankt Burkardushaus gefragt. Zusammen mit dem Theologen Dr. Paulus-Thomas Weber tauchten sie ein in die Kulturgeschichte des Menschen und gewannen Einblicke in die alte Mystik und die moderne Bewusstseinsforschung. Schließlich wagten sie den Sprung vom Ich zur Seele.

Alles im Saal lauscht, als der zweite Satz aus Mozarts Klarinettenkonzert erklingt. Er soll die Teilnehmer einstimmen in eine geführte Meditation. „Das ist ein Loslassen aller Identifizierungen, ein Nicht-Wissen“, erklärt Weber. Er lädt dazu ein, auf den Spuren der Mystiker die Ich-Zentrierung zu übersteigen und sich einer neuen Selbsterfahrung zu öffnen.

Die Gruppe hat schon eine Reise durch die menschliche Bewusstseinsgeschichte hinter sich. Sie begann im Archaischen, wo der Mensch sich in eins mit dem All erfuhr und die Frage nach der Seele sich noch nicht stellte. Dieses fraglose Dasein ging verloren, als der Mensch das Feuer entdeckte. Erstmals unterschied er zwischen einem Außen der Kälte und Dunkelheit und einem Innen der Wärme und des Zusammenhalts. Die Grundstruktur des Magischen war erreicht.

Im nächsten Schritt tauchten die religiösen Fragen nach dem Woher, dem Wohin und dem Wie des Lebens auf; der mythische Mensch richtete sich nach innen und bekam eine erste Ahnung von dem, was Seele ist. Bilder dienten ihm als Sprache und deuteten sein Weltbild aus. Der Weg war gebahnt für das mentale Selbst-Bewusstsein. Der Mensch sah sich in seiner Persönlichkeit als einmalig, umgeben von einer Ganzheit, die er das Eine, den einen Gott oder einfach das Sein nannte. In der Neuzeit schließlich rückte das Ich ins Zentrum und versperrte den Blick auf das einheitliche Ganze. Der Mensch definierte sich darüber, was er kann, weiß und hat. Gott war nur noch ein Ding unter anderen in einer zerlegten Wirklichkeit. Der Blick auf die ursprüngliche Weite des Menschen im Einklang mit der Natur war verloren.

„Von dieser Entwicklung in der Geschichte habe ich noch nie so gehört. Damit hat sich für mich der Tag schon gelohnt.“ Christine Kullig-Krönert hat schon öfter bei Meditationen mitgemacht. Durch eine Broschüre in der Dettelbacher Kirche ist sie auf die Tagung aufmerksam geworden. Auch für Marie-Louise Schätzlein aus dem Landkreis Main-Spessart war der Vortrag Neuland. Spirituelle Erfahrungen hat sie bis dahin nur im weltlichen Bereich gesammelt; an der Domschule war sie zum ersten Mal. „Es entspricht voll und ganz meinen Erwartungen. Der Referent bringt das gut rüber.“

Weber beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Spiritualität. Der TZI-Gruppenpädagoge bezieht auch Klang- und Körperarbeit mit ein; daneben arbeitet er an Forschungen zu Religionsgeschichte und Bewusstseinsentwicklung. „Ich wünsche mir, dass die Menschen ein Gespür für ihr Seele-Sein entwickeln; dass sie mehr Tiefe bekommen, weniger Wissen.“ Dabei hilft ihnen die mystische Tradition. Die Mystiker lösten das zentrierte Ich aus seiner Verengung. Sie identifizierten sich nicht mit dem, was sie besaßen oder leisteten. Sie sahen sich nicht mehr als Einzelne, die von außen auf die Welt einwirken, in ihr handeln, denken, sie benutzen; sondern vom anderen und dem Ganzen der Wirklichkeit her. Anstelle des mentalen Welt-Ichs trat die Weite des Seins. Dabei ist die Denkebene nur die unterste Stufe. Die Herzensebene des Mitgefühls, des Ich und Du, überschreitet sie. Die Seinsebene schließlich bildet die Einheitserfahrung der Mystik.

„Ziel ist es, ein leerer Spiegel zu sein, der offen ist und alles zeigt, was kommt, der nichts abhält“, sagt Weber und legt die CD ein. Dann hält er inne. „Das heißt nicht, dass nichts mehr da ist, sondern dass keine Möglichkeit ausgelassen wird – unendliche Möglichkeit: Das ist Gott.“ In D-Dur hebt die Klarinette an. Die Meditation kann beginnen.

(4706/1668; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet