Würzburg (POW) Djanete Maria Santos da Silva aus Brasilien hat mächtige Gegner. Sie kämpft nicht gegen irgendwen, sondern gegen einflussreiche Großgrundbesitzer und Politiker. Sie selbst steht auf der Seite armer Familien und der Nachfahren entflohener Sklaven, die in den seltensten Fällen überhaupt lesen und schreiben können. Gekämpft wird um Land und Besitz, doch es geht um viel mehr. „Ich träume davon, dass alle Menschen ein würdiges Leben führen können“, sagt da Silva. Zur 50. Fastenaktion mit dem Titel „Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“ hat das katholische Hilfswerk Misereor die 51-Jährige ins Bistum Würzburg eingeladen, wo sie von ihrer Arbeit in Brasilien berichtete.
Da Silva ist seit 1980 Mitarbeiterin in der Kommission für Landpastoral (CPT) in der Diözese Bom Jesus da Lapa im Nordosten des südamerikanischen Landes. Diese in den 1970er Jahren gegründete Kommission untersteht der Brasilianischen Bischofskonferenz und setzt sich ein für eine gerechte Verteilung der Ländereien und für die Unterstützung armer Familien. Nach Angabe von Misereor besitzen 1,6 Prozent der Bevölkerung knapp die Hälfte der Fläche Brasiliens. Besitz bedeutet Macht – die Folgen sind Ausbeutung und Unterdrückung. Die meisten der Großgrundbesitzer bewirtschaften ihre Ländereien gar nicht, sondern vermehren nur weiter Geld und Besitz, im Hauptberuf sind sie Politiker oder Großindustrielle. Das erschwert die Auseinandersetzung. Und doch: Es gibt Hoffnung für die Landlosen.
„Die CPT hat ein erfolgreiches Konzept gefunden. Familien besetzen die brachliegenden Ländereien und zwingen so die Regierung, die Großgrundbesitzer zu enteignen“, erzählt da Silva. Das funktioniere deswegen, weil das brasilianische Gesetz auf ihrer Seite sei: Denn dieses schreibt vor, Land effizient zu nutzen. Bei der Besetzung komme ein Prozess in Gang, in dem eine Regierungsbehörde involviert ist. Stellt diese fest, dass ein Land nicht genutzt wird oder dass eine Besitzurkunde gefälscht wurde, muss sie den Besitzer enteignen, das Land auf die Siedler verteilen und für eine Infrastruktur sorgen.
Das Team der CPT-Regionalstelle in der Diözese besteht aus sechs Mitarbeitern, demgegenüber stehen über 300.000 Menschen im Bistum. Viele brauchen Hilfe, doch nicht allen kann diese zuteil werden. Die Kommission setzt vor allem auf Beratung und Bildung: Sie klärt die Familien über ihre Rechte auf und informiert auch zu anderen Themen wie Gesundheit und Umweltschutz. Doch auch die direkte Konfrontation mit den Großgrundbesitzern lässt sich nicht vermeiden. Im November vergangenen Jahres versuchten korrupte Polizisten und Milizen, Familien von einem besetzten Land zu vertreiben. Indem die CPT Medien und Öffentlichkeit darüber informierte, konnte sie die Vertreibung verhindern. Immer wieder kommt es vor, dass aufgrund des Kampfes um Landbesitz Menschen bedroht oder sogar umgebracht werden. „Von 1985 bis 2006 wurden 1464 Morde registriert, die in Zusammenhang mit Landbesitz zu bringen sind“, erzählt da Silva.
Sie selbst fürchte sich nicht, sagt sie. „Wir als Christen müssen handeln, das ist unsere Mission, wir müssen uns einsetzen für mehr Menschlichkeit. Wir sagen uns immer wieder: Jesus war ein Revolutionär!“ Was diese Mission für Folgen haben kann, konnte da Silva an ihrem Vater sehen: Er hatte sich als Gewerkschaftsführer für die Unterdrückten und Entrechteten eingesetzt und geriet deswegen in der Zeit der Militärdiktatur bis 1985 fünfmal in Haft. Den Mut hat sich die Tochter vom Vater abgeschaut, der ihr mal gesagt hat: „Wenn ich sterbe, dann in dem Wissen, die Aufgabe vorangetragen zu haben, die mir Jesus Christus gegeben hat.“ Trotzdem kann die Brasilianerin nicht verhindern, dass sie und ihre Kollegen in der Kommission manchmal große Hoffnungslosigkeit verspüren. Misereor unterstützt die CPT in vielfacher Hinsicht, doch die Herrschaft der Großgrundbesitzer ist nur schwer zu brechen: Gerade mal zwei politische Abgeordnete im Bundesstaat stehen auf ihrer Seite und setzen sich ein für eine Agrarreform. Und doch verliert da Silva nie ganz den Mut: „Wenn wir uns richtig umschauen, sehen wir unsere Erfolge, und dass unsere Arbeit nicht umsonst war. Und das treibt uns auch wieder an, uns erneut in den Kampf zu begeben.“
Hinweis: Am fünften Fastensonntag, 9. März, ist der Höhepunkt der 50. Misereor-Fastenaktion. Die Kollekte in allen katholischen Gemeinden ist an diesem Tag für das katholische Hilfswerk bestimmt, sie ist ein zentraler Bestandteil der jährlichen Spendeneinnahmen. Im Jahr 2007 kamen durch die Fastenkollekte bundesweit über 21 Millionen Euro zusammen, davon im Bistum Würzburg über 800.000. Wer die Kommission für Landpastoral (CPT) in der Diözese Bom Jesus da Lapa direkt unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto Spenden einzahlen: Konto-Nummer 1007000010, Pax Bank Aachen, Bankleitzahl 37060193, Vermerk GR 2008 – Rocha Braga – CPT.
dw (POW)
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