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„Zeitreise“ von Erfolg gekrönt

Rita Lamprecht aus Oberwerrn gewinnt Preis bei Schreibwettbewerb von Frauenbund und Sudetendeutscher Landsmannschaft – Geschichte einer lebenslangen Freundschaft spannt Bogen von Kriegswirren bis ins Jahr 2009

Oberwerrn/München (POW) Rita Lamprecht aus Oberwerrn bei Schweinfurt ist Preisträgerin des Schreibwettbewerbs „Zeitreise“, zu dem der Bayerische Landesverband des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) und die Landesgruppe Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft aufgerufen hatten. Landtagspräsidentin Barbara Stamm zeichnete die langjährige Vertreterin der Region Schweinfurt im Würzburger Diözesanverband des KDFB bei einer Feierstunde im Münchner Maximilianeum für ihre autobiographische Erzählung aus. Darin beschreibt Lamprecht unter dem Titel „Dein Schicksal hat uns berührt“, wie ihre Familie nach dem Zweiten Weltkrieg ein aus Ostpreußen flüchtendes Mädchen aufnahm und sich daraus eine lebenslange Freundschaft entwickelte.

„Dieser Tag ist mir in Erinnerung geblieben, als hätte ich geahnt, wie er mein Leben beeinflussen wird“, schreibt Lamprecht in ihrer Geschichte über den Gründonnerstag des Jahres 1948. An diesem Tag nahm ihre Familie ein „dünnes, ausgehungertes 19-jähriges Mädchen“ namens Gertrud auf, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus Ostpreußen geflohen war. Gertruds Mutter war an Typhus gestorben, ihr Vater gefallen, und ihren jüngeren Bruder hatte sie auf der Flucht verloren. Lamprechts Mutter erklärte sich dazu bereit, Gertrud in Oberwerrn aufzunehmen, ohne sie je vorher gesehen oder gekannt zu haben. „Ich kann sagen, wir waren uns alle gleich sympathisch, und Gertrud lebte bei uns richtig auf“, heißt es in den Kindheitserinnerungen der damals neunjährigen Lamprecht.

Bereits nach einigen Wochen bei der neuen Familie war aus der unterernährten Gertrud „ein richtig molliges Mädchen“ geworden, das wie eine weitere Tochter und Schwester in die Familie integriert wurde. Gertrud selbst konnte gut Nähen und Stricken und fertigte aus Woll- und Stoffresten Kleidungsstücke für Rita und ihre ältere Schwester an. Der Mutter half sie bei der Feld- und Gartenarbeit sowie im Stall, bis sie mit ihrer Hilfe Arbeit in der Schweinfurter Großindustrie fand. Als Gertrud heiratete, richtete Mutter Lamprecht die Hochzeitsfeier aus und half später bei der Erziehung von Gertruds vier Kindern. Als wiederum einige Jahre später auch Rita Lamprecht heiratete und Kinder bekam, betreute Gertrud diese mit. Aus der lebenslangen Freundschaft zwischen Rita und Gertrud wurde sogar noch eine richtige Verwandtschaft: Ritas Bruder schloss mit Gertruds Tochter den Bund der Ehe.

Nach über 60 Jahren in Unterfranken feierte Gertrud im Januar 2009 mit Kindern, Enkeln, Urenkeln und vielen Freunden ihren 80. Geburtstag. Lamprecht kam die Idee, über Gertrud zu berichten, als sie von dem Schreibwettbewerb „Zeitreise“ erfuhr. Bei diesem waren Frauen aus Bayern dazu aufgerufen, Geschichten über versöhnliche Begegnungen zwischen Einheimischen und Vertriebenen zu schreiben. Da Gertrud dem Unterfangen zustimmte, beschlossen die beiden Frauen, bei Gelegenheit nochmal gemeinsam über vergangene Zeiten zu plaudern. „Doch wie es manchmal so geht, ich schob es immer vor mir her“, erzählt Lamprecht. Den Grund für sie, die Lebensgeschichte von Gertrud doch noch aufzuschreiben, lieferte schließlich ein trauriger Anlass: Im September verstarb Gertrud Hubalek nach einem Schlaganfall.

„Ich wollte zwei Frauen ein Denkmal setzen, denen ich vieles in meinem Leben zu verdanken habe – Gertrud und meiner Mutter“, sagt Lamprecht heute über ihre Geschichte. Es sei damals nicht selbstverständlich gewesen, Flüchtlinge aufzunehmen, erinnert sie an die Courage ihrer Mutter. „Viele haben geholfen, viele aber auch nicht“. Als sie per Anruf aus München von der Auszeichnung ihres Beitrages erfuhr, sei sie „wie vom Donner gerührt“ gewesen. „Das war für mich so, als hätte ich den Nobelpreis gewonnen“, gesteht Lamprecht mit einem Lachen. Normalerweise fertige sie schriftliche Arbeiten eher ungern an. „Ich bin ja keine Schriftstellerin“, sagt die 70-Jährige.

„Was die Frauen im Rahmen dieses Projekts aufgeschrieben haben, ist erlebte Geschichte und ein bleibendes Zeugnis für die nachfolgenden Generationen“, betonte Landtagspräsidentin Stamm bei der Preisverleihung in München. Lieselotte Feller, Mitglied im Würzburger Diözesanvorstand des KDFB, freute sich, dass mit Lamprecht eine Frau aus der Diözese Würzburg ausgezeichnet worden sei, die über viele Jahre hinweg Verantwortung im Frauenbund getragen habe. Neben Lamprecht wurden noch drei weitere Frauen aus Bayern für ihre Beiträge geehrt. Alle Gewinnerinnen dürfen nun als Preis bei einem Familienfest ihrer Wahl die Dienste eines professionellen Fotografen in Anspruch nehmen. Für Lamprecht ist der Preis eher „zweitrangig“, in erster Linie sei sie „stolz“ auf ihren Beitrag. „Außerdem macht mein Mann sowieso die tollsten Fotobücher“, sagt die Geehrte trocken.

Die Geschichte von Rita Lamprecht und die der weiteren Preisträgerinnen können im Internet unter www.frauenbund-bayern.de/zeitreise nachgelesen werden.

(5009/1461; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet